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Ausgabe:

1976

Spalte:

868

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Marlé, René

Titel/Untertitel:

Parler de Dieu aujourd'hui 1976

Rezensent:

Schott, Erdmann

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Seite 1

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867

Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 11

Sti.s

vor allem die der „gesellschaftlichen Verpflichtungen
einer Professorengattin" und der „Führung eines entsprechend
umfänglichen Haushaltes" (ebd.). Starke In-
trovertiertheit und eine ausgesprochene Bejahung,
erfahrene Eindrücke nicht nur emotional, sondern auch
gedanklich zu verarbeiten (H. Urs von Balthasar berichtet
, er habe sie nie ein eigentlich theologisches
Buch lesen sehen. - II. S. 295, Anm. 3). scheinen ihre
Eigenart zu prägen.

Der zweite Hauptteil des zweiten Bandes setzt mit
der Trinitätslehre ein, geht danach zur Christologie
über und widmet schließlieh der Pneumatologie in
einem „Die Sendung des Geistes in der Sendung der
Kirche" betitelten, mehrfach unterteilten Abschnitt
(II, S. 159-279) breiteren Raum. Dieser Teil des in sich
geschlossenen Systems klingt eschatologiseh aus. und
es dürfte sicher bezeichnend sein, daß hier die Lehre
vom Fegefeuer, die schon in der Christologie in Verbindung
mit Beichte und Hölle zur Stelle ist (II. S.
140ff.), noch einmal aufgenommen wird. Albrecht:
..Die Aussagen Adrienne von Spcyrs über das Fegefeuer
finden sich teils weit verstreut über ihr Gesamtwert
;, teils dicht zusammengeballt im .Traktat vom
Fegefeuer' . . ." (II, S. 265).

Fegefeuer ist bei Speyr „Frucht der Erlösung" (ebd.
und ff.), in der sich die „Dialektik von Strafe und
Liebe" kundtut (II, S. 267). Das permanente Bewußtsein
persönlicher Schuld, die „Sehnsucht nach
Reinigung" (II, S. 266) und der Gedanke der Läuterung
ergänzen und bedingen sich gegenseitig. Albrechl
zitiert aus dem Xachlaßband VI: „Im Fegefeuer wird
gleichsam ohne Narkose operiert, und der Patient ist
gleichsam gefesselt". Nach begonnener Operation sei
der Widerspruch des Patienten, der sich freiwillig ausgeliefert
hat, zwecklos. Gegen Ende der Operation
w inde erbitten, ,.so lange unter dein Messer zu bleiben,
als der Arzt will ..." (ebd.).

Der Schlußteil des zweiten Bandes, Bewegte Einheit
(II, S. 283-293). enthält eine Gesamteinschätzung
des Werkes A. von Speyrs. Es ist sicher rieht ig, wenn
Albrecht von einer „ungewöhnlichen Kraft Adriennes
zur Synthese" (II, S. 290) spricht, die weder „durch
den Panzer eines konstruierenden Systemdenkens"
noch durch ein ..quälend zersetzendes, zögerndes Problemdenken
" (II, S. 291) behindert worden sei. Ein
Nachwort (II. S. 294-296) .sowie ei„ Verzeichnis der
Werke Adrienne von Speyrs (II, S. 297 298) beschließen
den Band. Im Nachwort plädiert Albrechl dafür,
daß man eine „Theologie der Frauen", wie sie Hans
Urs von Balthasar schon bei Frauen wie Mechthild von
Magdeburg, Caterina von Siena und anderen aufgewiesen
habe und wie sie neuerlich bei Adrienne von
Speyr vorfindlich sei, ernst nehmen sollte (II. S. 294).
Unsererseits möchten wir allerdings davor warnen, sich
allzusehr von dem mystisch-kontemplativen Element,
wie es in einer so spezifizierten Weise zum Ausdruck
kommt, beeindrucken zu lassen.

Die Gedankentiefe Speyrs kann wohl nicht darüber
hinwegtäuschen, daß durchgängig ein ausgeprägter
Hang zum selbstquälerischen Leiden spürbar wird^das
man zwar als Nacherleben der Passion Christi, aber
ebenso auch als eine (unevangelische) innere und äußere
Unfreiheit auffassen kann. Es gibt uns zu denken, wenn
Albrecht von einem seelischen Zustand Speyrs, einem
„geistig-geistlichen Zusammenwirken" mit ' ihrem
Beichtvater, in das „Gebet, Opfer und Leiden tiefe
Spuren gegraben haben", spricht (II, S. 295).

Alles in allem darf man Barbara Albrecht jedoch
dankbar für ihre vorliegende Arbeit sein, weil sich am
Beispiel Adrienne von Speyrs (ohne daß deren Werk

nun als in jeder Beziehung ..typisch" katholisch bewertet
werden müßte) sowohl manche Gemeinsamkeiten
wie auch grundlegende Verschiedenheiten •/.wischen
den Konfessionen auf undoktrinäre Art aufweisen
lassen, so dal.! auch der protestantische Leser die
Bände mit Gewinn lesen kann.

I'otsdiun-Halx'lsbi'rt: Ilse liertlnetti

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Marie, Rene: Parier de Dieu aujourd'hui. La theologie her-
meneutique de Gerhard Ebeling. Paris: Les Edition« du
Cerf 1975. 243 S. 8° = Collection Cogitatio - Fidei. 82. ffr.
38.—.

M. hat es sieh zur Aufgabe gemacht, deutsche Theologie
der Gegenwart französischen Lesern zugänglich
zu machen. Er ist bereits mit Arbeiten über Bult mann
und Bonhoeffer hervorgetreten und wendet sieh mit
dem vorliegenden Werk der hermeneutischen Theologie
Gerhard Ebelings zu. Damit ist sein Thema von
vornherein begrenzt: M. will nicht einen Gesamtüberblick
über Ebelings Theologie geben, sondern den (für
Ebeling allerdings zentralen) hermeneutischen Aspekt
darstellen (S. 10). Er behandelt sein Thema in fünf
Kapiteln. Die ersten beiden (an Umfang etwa die
Hallte des ganzen Buches) analysieren die Ergebnisse

von Ebelings Lutherforschung unter den bezeichnenden
Überschriften: Avec Luther, la de^termination
d'une visee hermeneutique. und Avec Luther, une
nouvelle manierc de parier de Dien. M. schildert das
Erbe, das Luther antrat, A) auf dem Gebiet der Exegese
(S. 18-23), B) auf dem Gebiet der Hermeneutik
(S. 24-33). dann den neuen Weg. den Luther ging,
zwischen der römischen Kirche einer-, den Schwärmern
andererseits (33-45) und Luthers hermeneutisches
Grundinteresse, nämlich sicherzustellen, daß Christus
nicht nur Objekt, sondern Subjekt der Auslegung
bleibt (S. 46-57). Luthers neue Weise, von Gott zu
reden, wird charakterisiert als existentielle Rede (S.66
bis 86). als dramatische Rede (S. 86-98) und als in der
Gewißheit des Glaubens freimütige Rede (S. 93 100).
Das dritte Kapitel „Parier de Dieu en cireulant dans
la tradition" beschreibt die Idee der hermeneutischen
Theologie als die einer wachsamen, der Situation Rechnung
tragenden, kritischen Theologie im Gespräch mit
der Tradition (S. 101-108), besonders mit Petrus Lom-
bardus (S. 108 113) und Thomas von Aquino (S. 113
bis 117). wobei die Frage der Gottesbeweise ausführliche
!' erörtert wird (S. 117-124), und mit Schleiermacher
(S. 124-128) und Bultmann (S. 128 133). Das
vierte Kapitel „L'affrontement des .temps modernes'"
setzt bei Luther und Descartes (Glaubensgewißheit und
Zweifel S. 135-146) ein und führt über die historische
Kritik (S. 146-158) und die säkularisierte Welt (S. 158
bis 177) bis zur Begegnung des Glaubens mit dem neuzeitlichen
Ulieismus (S. 177 185). Das fünfte Kapitel
„Pour une doet rine theologique du langage" ent wickelt
Kbelin-s theologische Lehre von der Sprache (S. 219
bis 228) auf dem Hintergrund der Krisensituation, in
der sich die Sprache heute überhaupt befindet (S. 186
bis 219). In einem Nachwort gibt M. eine warme zusammenfassende
Würdigung Ebelings mit einigen kritischen
Anfragen, die auf eine Auswertung des altkirchlichen
Trinitätsdogmas abzielen. - Im ganzen eine
lehrreiche, auch für den deutschen Leser wertvolle
Darstellung von Ebelings licrmeneutischer Theologie.

ii IHbnMii Bebott