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Ausgabe:

1976

Spalte:

865-868

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Albrecht, Barbara

Titel/Untertitel:

Eine Theologie des Katholischen, II: Darstellung 1976

Rezensent:

Bertinetti, Ilse

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Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 11

866

einer großen Zahl von Teilkirchen oder gar National-
kirchen (S. 87). E. übt an dieser merkwürdigen Identifikation
von Partikularkirchen und Nationalkirchen
keine Kritik. Sie beweist aber die heikle Problematik
des Versuchs, Monadologie und Ekklesiologie in eine
gi wisse Parallelität zu stellen, indem so w ie Monaden
zum rniverstnn sieh die ..Emzelkirchen" zur universalen
Kirche verhalten sollen.

Schw ierig ist es auch. Leihniz auf seinen Überlegungen
zur Unfehlbarkeit der Kirche zu begleiten. Eher
leuchten noch seine Erwägungen über die Bereitschaft
der Reformation, ein allgemeines Konzil über Lehrfragen
entscheiden zu lassen, ein, wenn Leibniz das
Konzilsproblem auch durchweg zu formal erörtert. Im
3. Kapitel schildert der Autor besonders aufschlußreich
die von Leibniz vorgeschlagenen Wege zur Einheit
(Synkatabasis. wobei der Vater dieses Schlagwortes
Erasmus von Rotterdam ist. Reform, Auslegung, vorbereitende
Union und künftiges Konzil). Genauer geht
E. auf die Darstellung der Kontroverse in der Recht-
fcrtigungslehi e ein. Damit steht auch das Tridentinum
zur Diskussion, gegen das Leibniz einmal sogar den
Vorwurf des Schismas (S. 183) erhoben hat, wogegen
Bossuct Stellung nahm. Unterordnung unter den Papst
ist für L. nicht identisch mit Anerkennung des päpstlichen
Unfehlbarkeitsanspruches. Das Scheitern der
Reunionsideen führt E. auf ungünstige politische Bedingungen
, vor allem aber auf den gegenreformatorisch
verhärteten Kirehenbegriff zurück. Wir deuteten schon
an. daß auch Leibniz in seiner Ekklesiologie wenig
überzeugt, also auch er die Wiedervereinigung zu flach
angeht. Immerhin hat er die Unterscheidung zwischen
geistlicher und konkret-geschichtlicher Kirche wachhalten
können und dadurch bedeutsame ökumenische
Zeichen setzen können.

Das Buch Eisenkopfs ist in Verarbeitung der Leibniz-
Werke und des Briefwechsels überzeugend. Weniger
ist die Einordnung der Reunionsideen in größere gei-
stes- und theologiegeschichtliche Zusammenhänge angestrebt
worden. Deshalb ist auch die einschlägige Literatur
wcnigei- intensiv ausgewertet worden: recht vollständig
aufgeführt ist sie jedoch.
Neueinlt'ttelsau F. W. Kuntzi-nbaeh

Albrecht, Barbara: Eine Theologie des Katholischen. Einführung
in das Werk Adrienne von Speyrs. I: Durchblick in
Texten. II: Darstellung. Einsiedeln: Johannes-Verlag [1972
u. 197.3]. 328 8. u. 298 S. 8°.

Mit den vorliegenden zwei Bänden ist es Barbara
Albrecht vorzüglich gelungen, das Werk Adrienne von
Speyrs (1902 1907) für einen größeren Leserkreis aufzubereiten
.

Band I. eine systematisch geordnete Textatiswahl
« nthaltend, beginnt mit einer Einführung (I, S. 7-21),
die das Verständnis des Lesers für den Begriff des
..Katholischen", wie er von der Konvertitin verwandt
wurde, wecken will. Wenn Speyr sich im Jahre 1940
„aus innerer Notwendigkeit klar und entschieden von
der protestantischen Form des Christentums gelöst
hat", so habe es doch keine konfessionelle Enge in
ihrem Denken gegeben. ..Das Katholische ist das
Offene, Entgrenzte, das Einende und Ganze der der
Kirche anvertrauten Wahrheit des Glaubens" (I, S. 8).

Die nachfolgenden Textproben, zum Teil dem unveröffentlichten
Nachlaß mit Genehmigung des Verwalters
, Hans Urs von Balthasar, entnommen, entsprechen
in ihrer Anordnung der inneren Struktur der
Theologie Speyrs. die sich in ihrem Gehalt trinitai isch.
dynamisch (Gottes lleilshandeln als ..Bewegung der

dreieinigen Liebe", - I, S. 14) und von objektiver Mystik
getragen sowie in ihrem Selbstverständnis marianisch
und kirchlich darstellt.

Die Themen der Hauptabschnitte, in sich noch mehrfach
aufgeschlüsselt, widerspiegeln den gedanklichen
Zusammenhang der je für sich kurzen Texte: I. Wahrheit
und Gnade in katholischer Sicht (I, S. 23-32),
II. Der je größere Gott (I. S. 33-48), III. Die Welt im
Liebesplan Gottes (I, S. 49-53), IV. Erlösung als Bewegung
(I, S. 55-127), V. Frucht der Erlösung (I. S.
129-162), VI. Leben aus dem Heiligen Geist (I, S. 163
bis 264) und VII. Christ und Kirche heute (I, S. 26--)
bis 314). Angefügt ist fei ner ein Verzeichnis aller Texte
(I, S. 316-328).

Im letzten, mehr gegenwartsbezogenen Teil des ersten
Bandes werden kritische Akzente gegenüber dem
Gewohnheitschristentum sichtbar. Speyr erteilt eine
uns sympathisch anmutende Absage an den „Gott des
religiösen Bedürfnisses" (I, S. 265f.), und sie fordert
überdies das glaubende Bekennen anstelle erkenntnistheoretischer
Einsichten. In ihrer Exegese von Johannes
19.19 (1949) stellt sie lest : ..Wäre das Christentum
eine Philosophie, ein System, so wäre Pilatus bereits
ein Christ. Ep hätte ganz objektiv die Existenz einer
Wahrheil erkannt" (I, S. 270).

In Band II, der „Darstellung" der Theologie des
Katholischen, bringt Barbara Albrecht zunächst Ausführungen
..Zum Vorverständnis der Theologie Adrienne
von Speyrs" II, S. 11-64), die sehr informativ
sind. Die Vfn. erörtert hier unter anderem die Motivation
der Konversion Speyrs, die hauptberuflich Ärztin
war und als Theologin zeitlebens Autodidaktin geblieben
ist.

Von ihrem eigenen katholischen Standort aus sieht
Albrecht das Lebenswerk Speyrs als Gnadenempfang
und Glaubensgehorsam an. Der Leser könnte allerdings
versucht sein, gewisse Zusammenhänge zwischen einer
länger andauernden schweren Krankheit, unbewältig-
ten Jugendproblemen und ihrer Kompensation im Religiösen
einerseits sowie dem Ubertritt zum Katholizismus
auf der anderen Seite zwischen den Zeilen
herauszulesen. Das liegt jedoch nicht in der Tendenz
iles Buches. Es mag uns als Protestanten vielleicht auch
nicht anstehen, hierüber wie auch über die sieh aufdrängende
Frage, was es mit einer Marienvision der
fünfzehnjährigen Adrienne, über die berichtet wird
(II, S. 21), auf sich hatte, zu reflektieren.

Von Bedeutung scheint uns dagegen eine Feststellung
Albrechts zu sein, nach der die Konversion für
Adrienne von Speyr nicht nur Ausdruck innerer Wandlung
, sondern ebenso „der bewußte Beginn eines Weges
in der sichtbaren, institutionell und dogmatisch geprägten
und ausdrücklichen Gehorsamsbindung an das
Amt, vertreten durch ihren Beichtvater" (II, S. 26),
war. Dieser Beichtvater war immerhin kein Geringerer
als Hans Urs von Balthasar, und seine Rolle wird von
Albrecht (vgl. z. B. auch II, S. 55 und S. 295) immer
wieder hervorgehoben.

Die von Albrecht betonte Verbundenheit der Mystikerin
Speyr mit dem alltäglichen Leben kann nicht
hundertprozentig überzeugen. Zwar wird behauptet,
die mystischen Erfahrungen Adriennes seien „nicht
in einem windgeschützten, vordem Betrieb der Welt
schalldicht abgeschlossenen Raum entstanden, sondern
mittendrin", und inmitten der Welt habe sie
ein ..Weitergeben" des in Gnaden Empfangenen, und
zwar zumeist „in Form einer anonymen Liebestätigkeit
" praktiziert (II, S. 29). Aber ihre Welt ist doch
offensichtlich die bürgerlich begrenzte ihrer ärztlichen
Praxis, die sie ohnehin nur bis 1954 geführt hat, sowie