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Ausgabe:

1976

Spalte:

864-865

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Eisenkopf, Paul

Titel/Untertitel:

Leibniz und die Einigung der Christenheit 1976

Rezensent:

Kantzenbach, Friedrich Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1970 Nr. 11

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und Pflichtzeichen brüderlicher Liebe. Zum Verständnis
des Abendmahles bei Balthasar Hubmaier". Abschaffung
der Messe, besonders der Darbringung des
Opfers und die Bückkehr zur schlichten Abendmahlsfeier
des Neuen Testamentes war selbstverständliche
Voraussetzung für dieses Verständnis. Das Wichtigste
für Hubmaier war die Verbindung der Gläubigen mit
Christus im Mahle und der Feiernden untereinander.
Abendmahl ist von christliche]- Liebe nicht zu trennen.

Der Hubmaier zeitlieh am nächsten stehende Täufer-
führer war Hans Hut. Über ihn schrieb der gegen« ärl ig
beste Kenner dieses Schülers Thomas Müntzeis. Gottfried
Seebaß. ,,Das Zeichen der Erwählten. Zum Yr-
stähdnis der Taufe bei Hans Hut''. Was Müntzer theo*
retisch gelehrt hat, führte Hut praktisch durch: der
Weigerung, sein Kind taufen zu lassen, folgte die Forderung
nach der Erwachsenentaufe. Bs stellt sieh jedoch
das Problem : sollte nach Huts Auffassung auf den
erworbenen Glauben die Taufe folgen oder sollte die
Taufe verstanden werden als Voraussetzung für das
nachfolgende christliche Leben.

Da Hut im süddeutschen Räume tätig war. schließt
sinngemäß der Aufsatz von Werner ü. Packull „Zur
Entwicklung des süddeutschen Täufertums" an. Angesichts
der vorhandenen Literatur ist er etwas mager
ausgefallen. Die Redewendung ..die dynamische Ausbreitung
der frühen süddeutschen Bewegung bis hin
nach Österreich" berücksichtigt nicht, daß seit 1526
von der Schweiz und Süddeutschland her sich in den
Alpenländern der Habsburger täuferische Kinfltisse bemerkbar
machten, die besonders in Tirol zu einer Massenbewegung
führten. Es scheint dem Vf. entgangen zu
sein, daß im Jahre 1964 der 1. Band österreichischer
Täuferakten erschienen ist, 1972 der zweite.

Damit verlassen wir den süddeutschen Raum: Klaus
Deppermann führt mit uns dem Artikel „Melchior
Hofmanns Weg von Luther zu den Täufern" den erfolgreichsten
Laienprediger der Reformationszeit vor.
Der südwestdeutsche Kürschner trug das Täufeitum
nach dem Norden. Er trat in Livland ins Licht der
Öffentlichkeit, war in Flensburg und Ostfriesland tät ig.
erkor aber schließlich die Stadt des Humanismus, die
der Auffassung Zwingiis vom Abendmahl zuneigte,
Straßburg, zu seinem Aufenthaltsort. Seine Lehre wai
gekennzeichnet durch die Kritik an Luthers Abendmaldslehre
, seine nionophysitisehe Christologie. vor
allem aber durch seine Esehatologie, das Hereinbrechen
des Gottesreiches in naher Zukunft. Kr predigte
die Notwendigkeit der Ausrottung der Gottlosen. Die
Melchioriten stellten von 1530-1533 die stärkste Täufergruppe
in Straßburg dar. Die Sorge des Rates, daß
ein Aufruhr entstehen könnte, führte 1533 zur Gefangennahme
des Propheten. Er hat den Kerker nicht
mehr verlassen; er starb 1543.

In Fortsetzung dieser für Süddeutsche besonders
aufschlußreichen Schilderung einer eindrucksvollen
Persönlichkeit sehließt sich die Geschichte des ..Niederländisch
-westfälischen Täufertums im 16. Jahrhundert
" von Albert F. Mellink an. In ihr wird das Werden
des niederländischen Täufertums vorgeführt, seine
bedeutsamen Träger. Hendrik Rol. Obbe und Dirk
Philips, Jacob ran Campen in Amsterdam, Jan ran
Batenburg, David Joris und schließlich Menno Simons
aus Witmarsum, der nach der Katastrophe von Münster
die Reste der Täufer sammelte und zu ihrem anerkannten
Leiter wurde, so daß sie sieh Mennonitcn
nannten.

Dramatisch zugespitzt ist der Artikel Abraham
Friesens „Social Revolution or Religious Reform?",
mit anderen Worten: Was hat Geschichte gemacht. der

Bauernkrieg oder die kirchliche Lrneuerung ' An einem
Überblick über die Geschichtsschreibung wird dies erläutert
. Besonders kompliziert ist die Frage nach dem
Verhältnis von Müntzer und dem Täufeitum. Eine
enge Zusammenschall beider lindct sich in der Geschichtsschreibung
ebenso wie ihre teilweise oder vollige
Trennung voneinander. Dabei spielt Wilhelm Zimmermanns
„Geschichte des Bauernkrieges" (1841-43)
eine wichtige Rolle, aber auch historische Untersuchungen
vom Ende des 19. Jahrhunderts. Das Verhältnis
des Täufertums zur Reformation steht freilich

immer noch zur Itebatte.

.lohn H. Voder untersucht in .. Anaba |it ism and
Historv" die Frage: wollten die Täufer die Kirche der
eisten Zeit. (Iii- durch den „Fall" entartet war. wieder
herstellen '. In diesen Belangen müßte ihre Kirche In-
storiseh denken. Altes wieder zum Leben erwecken,
muß Fortschritt und Vorschau mit sieh bringen.

In dem Beitrag ..Nationale Erhebung und religiöser
Niedergang''untersucht Hans-Jürgen Oocrtz die Haltung
der Mennoniten im ..Dritten Reich". Dabei
kommt er zu sehr kritischen Ergebnissen.

Daß diese Eigenheit heute noch lebt, zeigt Walter
Klaassen in „The modern Relevance of Anabaptism'*.
Diese neue Relevanz bezeugt sieh in der Wiederbelebung
der Fragen nach Jesus, nach dem Glauben, nach
(iewalt und Gewaltlosigkeit, nach der Rolle der Schrift
in der Kirche, nach der religiösen Freiheit. Eine Antwort
auf diese fragen und das darauf beruhende Verhalten
könnte der Kirche neue Bedeutung verleihen.
Das vorliegende Buch „Umstrittenes Täufertum'' ist
vielleicht schon eine Antwort in verworrener Zeit.

Wt-n Grete Mecensel'fy

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Eisenkopf, Paul: Leibniz und die Einigung der Christenheil.

Überlegungen zur Reunion der evangelischen und katholischen
Kirche. München-Paderborn-Wien: Schöningh 1975.
234 S. gr. 8° = Beiträge zur ökumenischen Theologie, hrsg.
v. H. Fries. 11. .Münchner Universitätssehriften. Kart.
DM 24,—.

Trotz der immer noch gewichtigen Arbeit von
A. Pichler (1869 70) und der der angezeigten Untersuchung
thematisch sehr verwandten grundlegenden
Arbeit von F. X. Kiefl (1025) ist die neuerliche Beschäftigung
mit den Wiedel vereinigungsideen in der
Leibnizzeit unter aktuellen ökumenischen AsjK'kten
begrüßenswert. Der Vf.. der sich in seiner Intention mit
Iv Scherings Schrift ..Leibniz und die Versöhnung dei
Konfessionen" lit66. berührt, charakterisiert zunächst
Leibniz als Theologen der Einheit unter Beachtung
seiner philosophischen Grundanschauungcn. Dabei
hebt er die lebendige Frömmigkeit und Kirchlichkeit
hervor, aus der das Streben nach Reunion der Kirchen
nur erklärlich sei. Das ist sicherlich unbest reit bar. doch
muß auch der geschichtliche konfessionspolitische
Aspekt ebenso und womöglich noch viel stärker dafür
in Ansatz gebracht werden (S. 52ff.). In einem 2. Kapitel
behandelt E. die Auffassung von der Kirche bei
Leibniz. Der Abstand von der reformat (irischen Kkkle-
siologie ist dabei sehr spürbar. „Liebe ist Freude finden
an den Vollkommenheiten und Vorzügen, und vor
allem am Glück des anderen." Nach dieser bei Leibniz
oftmals belegbaren Definition wird das Problem der
VVesensbestimmung von innerer und äußerer Gemeinschaft
angegangen. Die universale Kirche ist kein monolithischer
Block, solidem besteht in der Gemeinschaft