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Ausgabe:

1976

Spalte:

852-858

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Pinborg, Jan

Titel/Untertitel:

Logik und Semantik im Mittelalter 1976

Rezensent:

Hoffmann, Fritz

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Theologische Literaturzeitung IUI. Jahrgang 197(5 Nr. 11

852

lernen zu können5. Auch die Funktion der biblischen
Zitate ist nicht zu Unrecht ein in jüngster Zeit wiederholt
behandeltes Thema.

Für die skizzierten Betrachtungsweisen ist eine handliche
Ausgabe unentbehrlich. Orants Edition gibt die
wesentlichen Hillen für Theologen, Philologen und
Historiker; auch wenn nicht alle möglichen und notwendigen
Orientierungshilfen gegeben sind, wird man
von dem ansprechend ausgestatteten Buch uneingeschränkt
Gewinn haben. T)ie Einleitung ist knapp,
konzentriert aber ebendadurch auf das Wesentliche
und vermag als Vorinformation den Leser in die richtige
Spur zu setzen.

Halle (Sanle) Heinz Berthold

1 Zum Beispiel zur Logoslehre 02,10: 2,'221".) iniil zum ersten Beleg
Trias (Uott, J.<vos, Sophia) in 2,18 (interpoliert ?)

2 Der aus Florilciricii geschöpft« Bei trag an uriechisehen Piehterzilateu.
die großen i'rnmncnte aus den Oraeula Sihyllina (KrKm. 1 :t> sind unver-
aehtlieh. Zur FlorileRlcnquelle vgl. Nicole Zee«crs-Vander Vorst, Lea cita-
tions des Poctcs Urccs chez les apoloßistes ehretiens du Ile siede. I.ouvain
1972, Knp. iv. s. 111 11Ii mit beachtenswerten Einsichten, sowie BAC7,
1143f (Art. Klorilugicn: H, Chadwick).

3 Von seinen eigenen (Vor)arbeiten nennt er nur zwei; sein Ströhen nach
Knappheit lätit die Arbelt am Text nicht immer klar erkennen. Zu manchen
Steilen wird man J. ('. T. Ottos Ausgabe (1H(S1 im CAC saec II) noch einsehen
. Weitcrc Ergebnisse sind von der Neubearbeitung des Theopliilus in
den Sourees Chretiennes zu erw arten.

4 Ktwa in di r Art Zccgcrs-Vandcr Vorsts (s. Anin. 2, S. 11») zu den wichtigen
Bezeugungen der Sibyllincnfragniente oder A. Dihlc (Die Goldene
Iti'gcl, (Jüttingen 1JI02, S. 107) zu den diesbezüglichen Belegen. Orants Hinweise
zu den chronologischen Spekulationen des 3. Buches sind z.B. reichhaltiger
als zu den anderen Punkten.

ö Auffallend scheint nur die Berührung mit Themen der Svmcon Maka-
rios-Sehriften, z.B. II. H - Mak. Sym. I («('S), KW.SOIT.: 170,i)fr.: 108,8 ff.
(Propheten Apostel nls ,,Regenwolken"): II. W - Mak. Sym. II (OOS),
40,13ff. (SÜD- und Salzwasservergleieh): II, 24 25 - .Mak. Sern. II («CS).
45f. (Baum der Erkenntnis): II, 25 - Mak. Sym. (IT 72). 711: 154 (Wachs-
tumsstulenvergleich) und manches andere mehr (Auf'crstehungsleib, Versuchung
. Wahrheitssuche).

Bavel, T. J. van, O. S. A.: Christ in dieser Well. Augustinus zu
Fragen seiner und unserer Zeit. Ubers, v. M. Jasper. Wiirz-
burg: Augustinus-Verlag o. J. 172 S. 8°. DM 18.4U.

Van Bavel, ein ausgezeichneter Kenner Augustins,
versucht in diesem Buche (niederländischer Titel:
Augustinus. Van liefde en vriendschap), das sichtbar-
lich Anregungen des Holländischen Pastoralkonzils aufnimmt
, den Kirchenvater von der Mitte seines Denkens
her dem heutigen Menschen nahe zu bringen.
Dieser Kern des Denkens A.s sei der Gedanke derEinheit
und der Liebe, welche die Welt und das Leben der
Menschen durchwalten sollen. Sein ist fürA. Eins-Sein
und Sünde die Abwendung von der Kinheit, während
die Liebe die Rückkehr zur Einheit ist. Die Transzendenz
Gottes, gemildert durch die Menschwerdung
Christi, ist jedoch ein dualistisches Kleinen! im Weltbild
A.s und weist darauf hin. daß die Einheit, das
Ganze, nicht hier auf Erden ist. Soweit kann man dem
Vf. durchaus zustimmen. Anders steht es mit dem Gedanken
der Liebe als „Identifikation'', den van Bavel
dem Bischof mit Nachdruck zuschreib! und der das
Hauptanliegen des Buches bildet. Die Liebe identifiziert
sich mit ihrem Gegenstände, wird eins mit ihm.
Der VI. beruf! sich auf Texte wie: Liebt ihr die Erde,
seid ihr Erde; liebt ihr Gott, so . . . seid ihr Gott (in
(■]). .loh 1.11) oder Äußerungen, nach denen die Liebe
Gott ist (in ep. ,)oh 7.10: sermo :$-L2.:$) und die Liebe
zu den Menschen Gott sei. Daraus folgert van Bavel.
daß in der Entwicklung A.s eine AkzentVerlagerung zu
verspüren sei. der Nachdruck werde von ..oben'' nach
..unten'' verlegt, von Gott auf den Menschen. Darin
liege eine Säkulaiisicrungstendenz. Hier sichert sich
der Vf. nicht gegen Keuerbacli ab. der ja auch sagen
kann, daß die Liebe ..Gott"" sei. August in dagegen geht
von 1 Job 4,8: Gott ist die Liebe (und nicht: die Liebe

isi Gott) aus. Wenn van Bavel sagt, daß wir mitverantwortlich
werden für die Liebe Gottes in dieser Welt,
denn die Liebe (iottes offenbare sich in unserer Liebe
für den Mitmenschen: daß wir die Aufgabe halten, sowohl
Jesus /.ii vergegenwärtigen, als durch Jesus den
Vater; daß unser Leben in der Welt in seinem Wesen
Mitverantwortlichkeit sei für die Weltgeschichte so
kann das auch so verstanden werden, daß wir durch
unsere Aktivität Gott offenbaren und daß nicht Christus
uns trägt, sondern wir ihn tragen müssen. Bei
Augustin jedoch begründet die Gegenwart (iottes die
Liebe, nicht umgekehrt. ..Und stellt nur erst der
Glaube fest, so hebt sich auch die Liebe wieder
(Goethe. Epimenides Erwachen. 2. Aufzug.Auftritt,
Vers 610). Wenn man dies im Sinne behält, wird mau
dem Buche van Bavels manche Anregungen sowohl für
das Verständnis Augustins als auch für das Leben de,

Christen in der Welt entnehmen können.

Mainz It.Lorenz

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

Pinborg, Jan: Logik und Semantik im Mittelalter. Bin überblick
. Mit einem Nachwort von H. Kohlenberger. Stuttgart -
Bad Cannstatt: Frommann (19721. 21<> S. 8- = Problemata,
10.

Die Zeiten, da die Leistungen des Mittelalters von
vornherein einer dem Fortschritt verpflichteten Forschung
irrelevant erschienen und höchstens geschichtliches
Interesse fanden, sind längst vorbei. Dennoch

bleibt für die außertheologische Forschung noch vieles
nachzuholen. Vorliegendes Werk bringt einen Aufriß
der Logik im Mittelalter, die erste zusammenfassende
und nach allen Bichtungen hin ausgewogene Darstellung
seit der Behandlung dieses Gegenstandes in den
entsprechenden Kapiteln bei C. Prantl1, welche allerdings
durch die neuere Forschung weithin überholt
ist - bei allem Kesjiekt vor der Leistung Prantls im
Hinblick auf die damals bekannten Quellen, die er in
staunenswerter Fülle heranzog und einarbeitete. Inzwischen
erhielt die Erforschung der mittelalterlichen
Logik entscheidende Impulse durch eine breite Kruie-
rung der Quellen. Die Dänen sind daran heute hervorragend
beteiligt. Ich nenne nur Namen wie De Boos.
De Rejk. Stell Kbbesen und nun besonders den Verfasser
dieses Werkes: Jan Pinborg. Gedacht sei hierbei
des hochverdienten Wegbereiters dieser Forschung, des
Franziskaners Philothetis Böhner und seiner Mitarbeiter
und Schüler, die durch ihre Arbeiten über Wilhelm
Ockham und seine ,,Schule" bekannt geworden sind,
deren jüngste Frucht die Edition der Summa logieac
ist2. Erinnert sei auch an L. Minio-l'aluello, der Texte
aus der Logik des 12. Jhs. veröffentlicht hat:). Daß im
Mittelalter besonders die Theologen an der Entwicklung
der Logik beteilig! waren, liegt an der Verflechtung
von Logik und Theologie, sowohl personal wie
sachlich. Das Interesse der Theologen an den ..formalen
" Disziplinen wie Logik und Semantik ist durch ihre
Aul'jabe bedingt. Wissenschaft im allgemeinen und
Theologie im besonderen waren im MA ..Textanaly.se"
(vgl. Pinborg S. 11), die freilich auch auf gegenständliche
Erkenntnis abzielte: in der Philosophie auf Seinserkenntnis
, in der Theologie auf die hcilsgeschieht-
lichen Tatsachen. 11 ier dürfte der sachliche und methodische
Grund für das bleibende Interesse des Theologen
an Logik und Seinantik liegen.

Das Werk Pinborgs geht auf Vorlesungen zurück, die
zuersl der Littei-richtung der Hörer dienten. Vf. nennt