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Ausgabe:

1976

Spalte:

849

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Documents in early Christian thought 1976

Rezensent:

Schneider, Carl

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Seite 1

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849

Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1970 Nr. 11

850

So reiht sieh dieser Band würdig seinen Vorgängern
an. Er ist eine wahre Fundgrube soliden theologischen
Wissens, ein sicherer Führer auf den verschlungenen
Pfaden des mystischen Innenlebens und ein zuverlässiger
Katgeher für das Beantworten aller auftauchenden
Fragen, die geschichtliche 'Einzelheiten oder Probleme
der Spiritualität bei reffen.

Hofau-Wiesbaden Walther Volker

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Wiles, Maurice, and .Mark Sanier [Ed.]: Documents in Early
Christian Thotight. Cambridge - London - New York - Melbourne
: Cambridge Universitv Press [1975]. X, 268 8. 8°.
Lw. £7.50.

Es ist eine gute und sehr nützliche englische Tradition
, für alle Gebiete des Wissens und Glaubens Quel-
lenlescbücher in usum Delphini zusammenzustellen, die
den Lernenden und Suchenden unmittelbar an die entscheidenden
Quellen in guter englischer Übersetzung
heranführen ohne ihn weiter zu beeinflussen oder mit
einer Interpretation zu dirigieren. In dieser Literaturgattung
nimmt dieses Buch eine hervorragende Stellung
ein. Die beiden Herausgeber stellten unter elf
Kapitelüberschriften, also in systematischer Ordnung:
..Gott". „Trinität", „Christus", „Geist", „Sünde und
Gnade". ..Tradition und Schrift". ..Kirche". ..Sakramente
". ..Individualethik ', ..Sozialethik ". ..Kschato-
logie" insgesamt 58 entscheidende patriotische Texte
der fünf ersten Jahrhunderte zusammen. In diesem
knappen Umfang hätte man die Auswahl kaum besser
t reffen können. 14 griechische und S lateinische Schriftsteller
sind mit zum Teil nicht allzu geläufigen Texten
vertreten: kritisch könnte man höchstens vermerken,
daß bei Kirche und Sakramenten auf alle Fälle ein oder
der andere Text von Dion. Areop. und bei der Individualethik
ein Text von Greg. Xaz., der leider ganz
fehlt. zu wünschen wäre, während Augustin. wie so oft,
allzu sehr überschätzt ist: nicht weniger als zehn Texte
sind ihm entnommen. Doch zeigt sieh die alte englische
Vorliebe für Origenes in der Wiedergabe von sechs besonders
schönen Texten. Hervorzuheben isl die große
Weite: neben streng lehrhaften Stücken stehen lockere
Formulierungen aus Briefen und rein rhetorisches
Feuerwerk, wie etwa die wenig beachtete Marienpredigt
des Proklos von 431. „Häretische" Texte stehen
indien „orthodoxen".

Jedem Kapitel haben die Vf. eine geradezu meisterhafte
, ganz knappe Paraphrase der zitierten Texte
nebst einigen kurzen Bemerkungen über ihren Zusammenhang
mit dem Gesamtverlauf der christlichen
Geistcsgcsehichte vorausgeschickt, die für den gedacht
sind, der überhaupt noch keinen Zugang zu dieser Welt
hat. Hier ist mit wenigen Worten tatsächlich alles gesagt
, und auf diese Weise wird einem Laien auch zur
Lektüre schwierigerer Abschnitte Mut gemacht. Die
zum größten Teil eigenen neuen Übersetzungen der
Vf. sind, soweit ich sie nachgeprüft habe, exakt und
zeichnen sich durch ein sehr elegantes und flüssiges
Englisch aus ohne modernisierenden Aktualitätsdrang.
Je mehr die Kenntnisse der alten Sprache zurückgegangen
sind, um so mehr ist dieses Buch nötig: ich
wünschte, wir hätten etwas Ähnliches in deutscher
Sprache. Im übrigen könnte das ganz vorzüglich ausgestattete
Buch durch ein gutes Sachregister bereichert
werden.

Speyer«. Ith. ( nrl Sr hnei.lT

Theophilus of Antioch: Ad Aulolyruiii. Text und translation by
Robert M. Grant. Oxford: Olarendon Press 1970. XXX,
153 S. 8= = Oxford Early Christian Texts, ed by H. Chadwick
.

Der nach dem Bericht Enschs (H. E. 4.20) sechste
Bischof von Antiochien. Theophilos. ist mit Unrecht
den christ liehen Verl retern der ..Gattung": pecus aurei
velleris zugerechnet worden. An diesem Autor aus der
zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts kann freilich
auch deutlich werden, wie ein Autor mit schmalem
(erhaltenem) (Euvre - wenn er nicht eben als Wendepunkt
einer Entwicklung begriffen wird - leicht in Gefahr
gerät, als Vermittler einiger Belegstellen1 und Zulieferer
bestehender Fragmentsammhingen2 abgestempelt
zu werden. Xun hat die Forschung - seit U. v.
Wilamowitz und J. Geffcken, seinen erklärtesten ..Gegnern
" - eine Vielzahl neuer Fragestellungen hinzugewonnen
, die den Autor ebenso als Gesamtpersönlichkeit
wie als späten Vertreter der im ausschließlichen
Sinne apologetischen Literatur in der Kontaktzone
zwischen Jüdischem. Christlichem und Griechischem
verstehen wollen. Diese Ansätze können aber nur
fruchtbar weiden, wenn der ganze Text im Blickfeld
ist. Dazu ist eine handliche Ausgabe mit Übersetzung
und dem Grundstock eines Kommentars unumgänglich
. Eine solche legt Robert M. Grant in den Oxford
Early Christian Texts vor: er schließt damit seine langjährige
, liehevoll betriebene und in vielen Aufsätzen
dokumentierte Beschäftigung mit diesem Autor in
gewissen Sinne ab*.

Der Spärlich bezeugte und reichlich entstellte Text
(ohne wesentliche Verzweigung auf den einen Codex
Maieianus 4!)6 |sacc. XI| zurückführend) bietet viele
Gelegenheiten zu Verbesserungen, einleuchtenden, bedenkenswerten
und bedenklichen. Einheitlichkeil und
Übersichtlichkeit der Darstellung sollten das Entscheidende
sein. M.E. sollte bei Ausgaben nach einem codex
unicus die Sicherheit der Textgrundlage schon im Text
selbst mit Hilfe kritischer Zeichen ersichtlich sein. Die
kommentierenden Hinweise sind sehr knapp gehalten.
Hinweise auf die wesentlichen Fragestellungen wären
aber erwünscht, und m. E. relativ einfach unterzubringen
. Ein Blick in die Breite ist notwendig z. B. hei
den Themenkreisen Crealioex nihilo. Genesisexegese,
Propagierung sibyllinischer Literatur, und vulgärethische
Motivik. wie etwa der Goldenen Regel: darüber
könnten kurze Übersichten in einem Appendix zusammengefaßt
werden4. Ein Register der wichtigen Begriffe
und des wesentlichen (interessante Einblicke vermittelnden
) Wortmaterials wird man schmerzlich vermissen
.

Die geringe Kraft des Theophilos bei der Durehfor-
mung lies ihm vorgegebenen Materials sollte bei der
Gesamteinschätzung dieses Autors (gewissermaßen
auch der Begründung des Anspruchs, im ganzen gelesen
zu werden) weniger als Vorwurf denn als unverächtliches
Zeugnis der Durchschnittskultur der Zeit gelten
dürfen. Die Kompositionsform locker zusammengeschobener
Blöcke mit Querverweisen und Formen
diatribischcr Darstellungsweisen weist allenthalben auf
den christlichen Lehrbetrieb der Zeit und seine spezifische
Thematik. Nicht daß ein solcher Autor, sondern
was er aus Gnomologien und Florilegien auszog, mit
welcher Abzweckung, welcher Tradition folgend, mit
welchen Zusätzen aus eigener Tendenz, vermittelt uns
wichtige Durchblicke. Man wird das typische Vokabular
genauer betrachten und Vergleiche anstellen müssen
, vor allem den Bild- und Vorstellungsbereich näher
eingrenzen und dabei nicht unwesentliche Diskussionsfehler
des judenchristlichen Milieus der Zeit kennen-