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Ausgabe:

1976

Spalte:

833-835

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Rudolph, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Joel, Amos, Obadja, Jona 1976

Rezensent:

Jacob, Edmond

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Theologische Literaturzeitimg 101. Jahrgang 1976 Nr. 11

s.U

sich um eine mehr oder weniger stat isehe (.Iröße. Dieses
Vorgehen ist vor allem im Hinblick auf seine Behandlung
des hebräischen Alten Testaments außerhalb der
Feindpsalmen bedenklich. So fehlt beispielsweise jede
Erörterung darüber, was es denn bedeutet, wenn bei
Arnos und Jesaja die primär soziale Kategorie des
..Armen" oder „Geringen", andererseits in vielen Psalmen
die des ..Frommen" als Synonym auftritt. Ebensowenig
dürfte es angängig sein, die eudämonistischen
Aussagen in den Provcrbien mit dem Stichwort „Vergeltungsdogma
"' abzutun. ohne einen Unterschied etwa
zu dem juridischen Gebrauch in den Gesetzestexten zu
markieren. Die Arbeil bekomm! dadurch insgesamt
einen etwas formalen Charakter, der der Bedeutung
des behandelten Motivs in seiner vollen Breite kaum
ganz gerecht wird. Angesichts dessen stellt sich natürlich
generell die Frage nach Sinn und Aufgabe einer
motivgeschichtlichen Untersuchung. Sic kann hier
nicht erörtert werden. Die angestellten Überlegungen
legen es vorerst nur nahe, den sachlichen Rahmen
nichi zu eng zu halten.

Es versteht sich, daß diese Beanstandungen nicht
allein an die Adresse des Vis. zu richten sind. Der Wert
seiner Arbeit dürfte nicht zuletzt darin bestehen, daß
sie den aufmerksamen Leser zwingt, über methodische
Probleme nachzudenken, und daß sie ihn die Schwierigkeiten
, die deren Lösung erfordern, spüren läßt.

Leider ist die Üruckfassung offenbar in großer Eile
erstellt worden. Es findet sieh «'ine beträchtliche Zahl
von Flüchtigkeitsfehlern, die hier nicht im einzelnen
aufgeführt werden können, aber beim Lesen stören.
Im Literaturverzeichnis (S. 2751.) muß es richtic heißen
: Puukko, Schelkle.
Leipzig jonchim Conrad

Rudolph, Wilhelm: Joel - Arnos - Obadja - Jona. Mit einer
Zeittafel von A. Jepsen. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus
G. Holm 1971. 399 S. gr. 8C = Kommentarzum Alten Testament
, hrsg. v. W. Rudolph. K. Elliger. F. Hesse u. O. Kaiser.
XI 11.2. Lw. DM 98.—.

W. Rudolph legt den zweiten Band seines Kommentars
zum Dodckapropheten vor. Von einem erprobten
Meister der Auslegung wie R. erwartet man Gründlichkeit
. Diskussion mit den Fachgenossen und neue Ausblicke
, und der Leser ist nicht enttäuscht. Joel ist ein
Kultprophet, der in der letzten vorexilischen Zeit
lebte, genau zwischen 5517 und 587, war also ein Zeitgenosse
Jeremias, aber mehr auf der Seite der Heils-
propheten. die zu Jeremia in scharfem Gegensatz standen
. Das Unheil des Tages Jahwes trifft ausschließlich
die Fremdvölker, während Israel von Gott beschützt
wird. Das Buch bildet eine einheitliche Größe, denn
Kap. :! und I schildern, wie auf Grund der Wende einer
großen Not (Kap. 1 und 2) der Tag sich ereignen wird ;
allein der Abschnitt 4.4 8 fällt aus dieser Einheitlichkeit
heraus, was jedoch seine Echtheit nicht ausschließt,
•loci kennt die Sünde Israels, aber das kultische Handeln
, das er durchaus positiv bewertet, eröffnet den
Weil zu Jahwes Vergebungsbereitschaft. Einer Datierung
in die vorexilische Zeit oder in die erste nachexi-
lische Zeit, wie sie neulich von Ahlström vertreten
wird, dürfte man den Vorzug geben über diejenige im
4. Jahrhundert. Letzten Endes hängt die Datierung
ab von dem Alter der israelitischen Eschatologie, über
das man wohl noch lange verschiedener Meinung sein
wird.

Es ist natürlich die Auslegung des Arnos, der man
mit größtem Spannen entgegensieht. Welches ist die
Stellung des Arnos zur Tradition, zum Kultus, zur

Eschatologie, zur Weisheit' Gegen IL W. Wölfl' erklärt
R.. daß die zufällige Nachricht von einer weisen
Frau in Thekoa zur Zeit Davids (2Sam 14.2) nicht den
Schluß erlaubt, daß dieser Ort eine besondere Pflegest
ätte der alt israelitischen Weisheit war (S. 99). Weisheit
ist wohl bei Arnos vorhanden, er ist gewiß ein
lebenserfahrener und lebenskluger Bauer gewesen,
aber dies genügt nicht, ihn einer bestimmten Institution
oder Sippe zuzuweisen. Über die Fremdvölkerorakel
von Kap. 2,3: „Jahwe erscheint hier nicht als
der Nationalgott. sondern als der Universalgott, der
menschliche Bosheit gegen Mitmenschen überall ahn-
i le1. wo er sie findet". Arnos ist kein Kultprophet. aber
er steht dem Kultus nicht feindlich gegenüber, und das
Schweigen des Propheten über Amt und Rechte der
Priester ist ein Zeichen, daß er das Priestertum posit iv
b8wertet, insofern es seine Funktionen nicht übersehreitet
. Arnos ist also nicht der Prophet des radikalen
Nein, vielmehr wäre er der Prophet des angesprochenen
Ja, wenn Rudolph mit seiner Annahme der Echtheit
des Amosschlusses (9.11-13) recht hätte. Es ist siehe]-,
daß wir es hier nicht mit ausschweifenden Bildern zu
tun haben und daß das Heilsbild ganz mit der Heilsverkündigung
der vorexilischen Zeit in Einklang steht:
Die These, daß die Worte „Jahwe dein Gott" 9,15 auf
eine persönliche Offenbarung des Arnos und nicht auf
eine öffentliche Verkündigung schließen lassen, ist
sehr beachtenswert, aber sind heute nicht die Fragen
um Echtheit oder ünechtheit durch die Traditionsgeschichte
zu einem ganz nebensächlichen Problem geworden
? Sehr eindrucksvoll faßt R. die Verkündigung
des Arnos in zwei Zügen zusammen: Seine Botschaft,
die eine Droh bot schaff ist, ist bestrebt, alle Schutzwehren
zu zerschlagen, hinter denen sich seine Hörer
zu decken suchen, und diese sind Berufung auf die Erwählung
und kult ische Selbsterlösung.

In der Auslegung der Miniaturprophet ie des Obadja
geht der Kommentar darauf aus. das hervorzuheben,
was das Spezifische dieser Sprüche ist: Größer als der
Nationalismus, der in der scharfen Verurteilung Edoms
ausbricht, ist die Glaubenskraft, die gegen allen Augenschein
darauf beharrt, daß Jahwe auf dem Zion als
König regiert und daß dies sieh in naher Zukunft erweisen
soll.

Für die Entstehungszeit des Buches Jona ist das
Ende des Exils terminus a quo, was auch von anderen
neueren Kommentatoren angenommen wird. Hinsichtlich
des Aufbaus des Buches folgt er meist den Ergebnissen
der Einleitungswissenschaft und sieht in dem
Psalm von Kap. 2 eine spätere Einfügung, die den
Schlüssel der Erzählung bilden sollte: es könnte aber
sein, daß der erste Verfasser des Buches diesen Psalm
hier untergebracht oder ihn selbst gedichtet hat. Es
lag ihm daran, zu zeigen, daß Jona nicht nur in die
Tiefe des Meeres, sondern auch in die Abgründe seiner
Existenz hinabgestiegen ist, wie er zuvor nach Yapho
und in das Innere des Schiffes hinabgestiegen war.
Wenn man diesem Psalm einen zentralen Platz einräumt
, dann fällt auch die Deutung des Büchleins
etwas verschieden aus. Die Kritik eines engherzigen
Nationalismus ist sicher ein Motiv, aber warum
brauchte es einer so komplizierten Geschichte eines
Propheten, um diese Wahrheit auszusagen? Jona ist,
wie es C. A. Keller in seinem Kommentar ausgeführt
hat, eine Prophetengeschichte, die darstellen soll, daß
der wahre Prophet sich durch einen unbedingten Gehorsam
auszeichnet; die Jonasgeschichte rückt in die
Nähe von lKön 13. die ebenso sonderbar ist; ihr Platz
im Prophetenkanon hatte den Zweck, das Problem der
prophetischen Existenz schlechthin darzulegen: Darob.

9 E Theol. Llteraturzeilung