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Ausgabe:

1976

Spalte:

793-796

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Grün, Anselm

Titel/Untertitel:

Erlösung durch das Kreuz 1976

Rezensent:

Hübner, Siegfried

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793

Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 10

794

Wehr, Gerhard: Der ,Philosophus teutonicus' — Jakob
Böhmes Leben und Wirken (ZW 47, 1976 S. 65-78).

Welte, Bernhard: Denken und Sein. Gedanken zu Martin
Heideggers Werk und Wirkung (HK 39, 1976 S. 373
bis 377).

Winter, Alois: Theologische Hintergründe der Philosophie
Kants (Theologie und Philosophie 51,1976 S. 1—51).

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Grün, Anselm: Erlösung durch das Kreuz. Karl Rahners
Beitrag zu einem heutigen Erlösungsverständnis.'Münsterschwarzach
: Vier-Türme-Verlag 1975. XXIV, 271 S.
8° = Münsterschwarzacher Studien, hrsg. von den Missionsbenediktinern
der Abtei Münsterschwarzach, 26.
DM 34,80.

Diese Studie zur Theologie Karl Rahners ist unter Leitung
von Magnus Löhrer entstanden und von der Theologischen
Fakultät der Benediktinerhochschule Sant' An-
selmo in Rom als Dissertation angenommen worden. Ihr
Vf. greift zwei aktuelle Fragen auf: 1. Welchen Platz findet
innerhalb des theologischen Entwurfs von Karl Rahner
das Erlösungsgeschehen am Kreuz? Hier steht im
Hintergrund die vor allem von H. U. v. Balthasar vorgetragene
Kritik, Rahner werde mit seiner Theologie dem
Kreuz als dem zentralen Datum der christlichen Erlösungsbotschaft
nicht gerecht. 2. Wie kann die christliche
Erlösungsbotschaft heute so verkündet werden, daß sie
den Menschen der Gegenwart wirklich trifft? Diese
Frage wird gestellt angesichts der Versuche gegenwärtiger
Theologie, im Hinblick auf die Situation des heutigen
Menschen die Rolle des Kreuzes zu relativieren (z. B. von
H. Kessler) oder den Begriff von Erlösung ganz neu zu
interpretieren (durch Einbezug des Humanum bzw. im
Sinne einer „politischen Theologie" oder einer „Theologie
der Befreiung"). Dabei steht die erste Frage im
Dienst der zweiten: „Ziel der Arbeit ist es, die Rahner-
sche Soteriologie auf dem Hintergrund der Fragen des
heutigen Menschen angesichts der Erlösungsbotschaft zu
untersuchen und aus der Diskussion mit Rahner ein
neues Verständnis für die Erlösung und die Rolle des
Kreuzes dabei zu entwickeln" (4). Den beiden Fragen
entsprechen die beiden Hauptteile der Studie.

Als erstes geht der Vf. der Soteriologie Rahners nach
(Kap. 1—3, 1—135). Die einschlägigen Texte werden gesammelt
und systematisiert. Auf Entwicklungen, die sich
im Denken Rahners abzeichnen, wird aufmerksam gemacht
, des öfteren mit Hinweisen auf persönliche Gespräche
des Vfs. mit Rahner, die jüngste Akzentsetzungen
und Blickrichtungen unterstreichen. Kritik an Rahner
wird, soweit sie Fragepunkte zum Thema betrifft, mit
kurzen Stellungnahmen vermerkt. In übersichtlichen
Schritten führt der Vf. durch das monumentale Werk
Rahners. Nach Skizzierung des transzendentalen Denkansatzes
und seiner Bedeutung für die Begründung von
Heil und Erlösung (Kap. 1, 11-49: „Heil" als Selbstmitteilung
Gottes an den auf Gott und die Begegnung mit
ihm in der Geschichte verwiesenen Menschen) wird die
Rahnersche Soteriologie nach der objektiven (Kap. 2, 50
bis 105) und subjektiven Seite (Kap. 3, 106-135) des Er-
lösungsgeschehens entfaltet. Hier begegnet der Leser zunächst
der Christologie Rahners mit den ihr eigenen
Verständnisansätzen, ihrem Weg von einer metaphysischen
zu einer mehr heilsgeschichtlich bestimmten Sicht
und der damit gegebenen unterschiedlichen Ausprägung
beider Grundtypen der Christologie in ihrem spannungsvollen
Verhältnis zueinander. Weiterhin wird er eingeführt
in Rahners „Theologie des Todes", die - mit der
Sicht des Todes als „nicht mehr weiter reduzierbare Einheit
des real-ontologischen dialektischen Gegensatzes"

(64) von Aktion und Passion und durch die Lehre von
dem durch den Tod und nur durch ihn zu erreichenden
„allkosmischen Weltbezug der Seele" — ein neues Verständnis
dafür ermöglicht, warum Erlösung gerade durch
den Tod Jesu geschehen ist und sein durch den Tod
vollendetes Leben ein jedem Menschen „vorgegebenes
Existential" (74) sein kann. Für die Frage, wie der
Mensch die in Jesus Christus und dessen Tod geschehene
Erlösung erfahren könne, greift der Vf. — einem
Hinweis folgend, den Rahner selbst wiederholt gegeben
und dem K. Fischer mit seiner Arbeit: Der Mensch als
Geheimnis, Freiburg 1973, großen Nachdruck verliehen
hat — vor allem auf die spirituellen Schriften Rahners
zurück und erhebt aus ihnen dessen „Kreuzesmystik".
Bei jedem dieser Schritte wird die für die Transzendentaltheologie
Rahners eigentümliche Verschränkung von
objektiv und subjektiv Gegebenem herausgearbeitet. Sie
ist, als Beziehungseinheit zwischen der in Christus geschehenen
Erlösung und deren konkreter menschlichen
Erfahrung, für den Vf. der Hauptertrag der Rahnerschen
Soteriologie, den er in seine weiteren Überlegungen mitnimmt
.

Der zweite Teil (Kap. 4-6,137-262) setzt ein mit einem
Vergleich zwischen der Rahnerschen und der traditionellen
(= scholastischen) Soteriologie (Kap. 4,137—167) und
stellt anschließend drei Grundtypen gegenwärtiger Soteriologie
vor (Kap. 5/1, 168—194), wie sie der Vf. in H. U.
v. Balthasar, P. Tillich und J. Moltmann repräsentiert
sieht und von ihrer unterschiedlichen Methode her als
„ästhetisch-narrative", „argumentativ-korrelative" und
„dialektisch-existentielle" Soteriologie klassifiziert. Sie
werden unter dem Gesichtspunkt geprüft, wieweit durch
sie das Erlösungsgeschehen unverkürzt zur Sprache
kommt und sie geeignet erscheinen, dem heutigen Menschen
auf seine Fragen und Probleme zu antworten.

Nach diesem Arbeitsgang erreichen die Darlegungen
des Vfs. unter dem Titel „Wege einer künftigen Soteriologie
" (Kap. 5/II, 194-223) ihren Gipfel. Auf dem Hintergrund
der beschriebenen Grundtypen diskutiert er die
Rahnersche Soteriologie nach ihren Grenzen und Vorzügen
. Als Gefahren registriert er eine gewisse Blickverengung
durch die transzendentale Fragestellung und eine
vorschnelle Versöhnung zwischen der konkreten Leidensgeschichte
der Menschen und der objektiven Erlösung
, Gefahren, auf die Rahner selbst schon aufmerksam
geworden sei und denen er in seinen neueren Arbeiten
zu wehren suche: durch immer betontere Hinwendung
zur ..heilsgeschichtlichen" Christologie und durch
Überwindung einer rein argumentativen Theologie zur
Theologie als „Mystagogie", d. h. als Einweisung in die
Erfahrung Jesu als des Erlösers. Positiv wertet er
— außer dem schon genannten Ansatz des theologischen
Denkens bei der Erfahrung — die Lehre Rahners vom
„übernatürlichen Existential", wonach der Mensch immer
schon unter dem Einfluß der Erlösung steht und alle
seine Erfahrungen, auch die von Unheil und Schuld, von
vornherein als von der Erfahrung einer inneren Dynamik
auf Gott hin umfaßt und getragen anzusehen sind.
Da die „transzendentale" Erfahrung, von der Rahner
ausgeht, jedoch dem Menschen heute nicht mehr ohne
weiteres verständlich sei, gälte es, die Erfahrungsbasis
für die Soteriologie durch „existentielle" Erfahrungen
wesentlich zu erweitern und zu konkretisieren. Daraus
entwickelt der Vf. selbst einige Grundsätze für die Methode
einer künftigen Soteriologie, wobei er sich von A.
Ganoczy und dessen als „existentiell-ontologisch" (bzw.
neuerdings eher als „dialogisch-dialektisch") bezeichnetem
Ansatz (201) leiten läßt. Diese, als „Korrelationsmethode
" vorgestellt, zielt auf die Erhebung der Korrelation
, die besteht „zwischen der Erfahrung, die sich in
der Botschaft von der Erlösung und in ihren verschiedenen
theologischen Formulierungen ausdrückt, und der
Erfahrung, die der Mensch heute mit sich und der Welt