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Ausgabe:

1976

Spalte:

781-784

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Metzger, Mendel

Titel/Untertitel:

La Haggada enluminée 1976

Rezensent:

Maser, Peter

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Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 10

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Der Nutzen dieses Buches für einen breiteren Leserkreis
ließe sich steigern, wenn man mit den Abbildungen
anders verführe. Sie sind jetzt zwischen die S. 116
und 117 eingefügt. Verteilte man die vorgesehene Zahl
von Kunstdruckblättern auf den ganzen Text, ordnete
man auf ihnen bis zu vier kleinformatige Reproduktionen
an und würde auf sie bei der Behandlung im fortlaufenden
Text verwiesen, so könnten die dargebotenen
Analysen an Uberzeugungskraft gewinnen.

Leipzig Hartmut Mai

Metzger, Mendel: La Haggada Enluminee. I. litude icono-
graphique et stylistique des manuscrits enlumines et
decores de la Haggada du Xlle au XVIe siecle. Preface
par R. Crozet. Leiden: Brill 1973. XXX, 518 S., 481 Abb.
auf 83 Taf. 4° = Etudes sur le Juda'isme Medieval, dir.
par G. Vajda, II. Lw. hfl. 290.-.

Immer wieder sieht sich die Christliche Archäologie
genötigt, die grundsätzliche Frage nach den „Quellen"
der altchristlichen Kunst zu stellen. War es in den ersten
Jahrzehnten unseres Jahrhunderts die sogenannte
„Orient-Rom-Frage", deren Lösung durch die weltanschaulichen
, konfessionellen und nationalen Bindungen
der an dieser Debatte beteiligten Forscher nicht eben gefördert
wurde, so ist seit rund vierzig Jahren diese „geographische
" Fragestellung durch die im Grunde „religionshistorische
" nach dem Anteil der spätantik-jüdischen
Kunst an der Ausbildung der frühchristlichen
Kunst abgelöst worden. Seit der Ausgrabung der Synagoge
von Dura Europos im Jahr 1932 ist das Vorhandensein
einer im 3. Jh. bereits weit entfalteten spätantik-jüdischen
Kunst unbezweifelbar geworden. Allerdings wissen
wir weder Genaueres über den Ort (Alexandrien?)
noch den Kunstzweig (Buchmalerei?), wo sich diese
Kunst zu jener beachtlichen und erstaunlich selbständigen
Form, wie sie uns in den Fresken der Durener Synagoge
gegenübertritt, entwickelt haben mag.

Trotz der Unsicherheiten in bezug auf die Entstehung,
Verbreitung und Auswirkung dieser spätantik-jüdischen
Kunst auf andere kulturelle und religiöse Bereiche darf
schon heute als weithin gesichertes Ergebnis angenommen
werden, daß diese neben der paganen hellenistischen
Ikonographie wesentlichen Einfluß auf die Entstehung
und Ausbildung des frühchristlichen Bilderkreises
gewonnen hat. Allerdings bleibt der Forscher angesichts
des vergleichsweise geringen Denkmälerbestandes häufig
genug darauf angewiesen, sein Belegmaterial jüdischer
Provenienz dadurch auszuweiten, daß er auch verhältnismäßig
späte jüdische illustrierte Handschriften
als Glieder einer hypothetisch angenommenen ungebrochenen
Bildtradition in die Beweisführung einbezieht
oder sich in einzelnen Fällen sogar berechtigt glaubt,
Bildhandschriften eindeutig christlicher Herkunft in Anspruch
nehmen zu dürfen, weil bestimmte Details der Illustrationen
auch dieser Handschriften nicht ohne den
Einfluß spezifisch jüdischer Bildtraditionen zu erklären
sind. Die Stichhaltigkeit solcher indirekten Beweisverfahren
wird nur von Fall zu Fall entschieden werden
können. Eine Nachprüfung wurde bisher dadurch erheblich
erschwert, daß zwar die bedeutendsten frühchristlich
-byzantinischen Bildhandschriften im allgemeinen in
technisch vorzüglichen und sorgfältig kommentierten
Ausgaben publiziert worden sind, dafür aber eine verläßliche
Übersicht über die späteren jüdischen illuminierten
Handschriften bisher als schmerzlich empfundene
Lücke zu verzeichnen war.

Der hier gestellten Aufgabe hat sich M. Metzger mit
bewundernswertem Fleiß, größter Gewissenhaftigkeit
und erstaunlicher Kenntnis des einschlägigen Stoffes gewidmet
. Dabei berührt es sympathisch, daß R. Crozet-

Poitiers als „Doktorvater" des Vfs. in seiner „Preface"
(S. XI—XIII) auch einmal darauf hingewiesen hat, von
welchen menschlich-moralischen und materiellen Schwierigkeiten
die Entstehung einer derartig umfänglichen
wissenschaftlichen Arbeit begleitet sein kann.

M. untersucht die Haggadot vom 13. Jh. an, setzt also
mit den frühesten bekannten illustrierten Beispielen dieser
mit dem Ritual des Passafestes fest verbundenen
Literaturgattung ein und endet mit dem 16. Jh., in dem
die ersten mit Holzschnitten geschmückten Haggadot
(Prager H. 1526, Mantuaner H. 1560) erschienen. Dabei
will er nicht weniger erreichen als „recensements, clas-
sements complets et reproduction integrale" (S. XV) des
gesamten Materials.

In der „Introduction" (S. 1—30) gibt der Vf. einen
Uberblick über die Forschungsgeschichte seines Gegenstandes
und charakterisiert die grundsätzlichen Probleme
, mit denen er sich bei seinen Untersuchungen konfrontiert
sah: die Existenz seiner mittelalterlich-jüdischen
Kunst, deren Beziehungen zur christlichen Ikonographie,
die Traditionen der mittelalterlichen jüdischen Buchmalerei
und deren Einteilung in drei deutlich voneinander
zu unterscheidenden Gruppen. M. nennt hier die rein
dekorativen Malereien, die Illustrationen, die das häusliche
Ritual des Passafestes (Seder) darstellen, und die
Gruppe der biblischen Szenen, die sich u. a. auf Texte der
Genesis, des Exodus, der Psalmen, der Propheten und
des Buches Esther beziehen. Entsprechend dieser Gruppierung
ist der umfangreiche ikonographische Teil (S. 33
bis 232) gegliedert. Auf 190 Seiten werden die rituellen
Bilder in feinster Systematik beschrieben und analysiert.
M. ist es gelungen, über 30 verschiedene Einzelszenen
nachzuweisen, durch die das Geschehen des Seder in den
illustrierten Haggadot dargestellt wurde. Das hier ausgebreitete
und durch die beigegebenen Illustrationen anschaulich
gemachte Material trägt zur Vertiefung unserer
Kenntnisse über die häuslichen rituellen Gebräuche des
mittelalterlichen Judentums erheblich bei und gewinnt
an zusätzlichem Reiz durch die immer wieder festzustellende
genrehafte, bis an die Grenzen des Possenhaften
und Karikaturistischen reichende Erzählweise der Maler.
Diese oft anekdotenhafte Darstellung läßt einerseits auf
gewissen Einfluß der zeitgenössischen christlichen Kunst
schließen und dokumentiert andererseits beeindruckend
die große innere Freiheit und Menschenkenntnis, mit der
die weithin unbekannten jüdischen Künstler den Vollzug
der altehrwürdigen rituellen Gebräuche zu sehen vermochten
.

Die Erörterung der biblischen Szenen innerhalb der
Haggadot fällt im Vergleich zu der der rituellen ein wenig
pauschal aus (S. 233—333). Allerdings kann der Vf.
hier auf mannigfaltige Spezialuntersuchungen verweisen
, in denen die Probleme dieser Darstellungen bereits
eingehend bearbeitet worden sind. So begnügt er sich im
allgemeinen mit summarischen, nur die wichtigsten Variationen
hervorhebenden Abrissen, die den Leser auf
das vorhandene Material hinweisen und Raum zu vertiefender
Weiterarbeit lassen. Besonders hilfreich dürfte
sich hierzu die auf S. 234—254 mitgeteilte Liste der in den
Haggadot zu findenden biblischen Szenen mit genauen
Angaben über den jeweiligen Fundort erweisen.

In einem dritten Abschnitt „Le Style" (S. 357-392) versucht
M. die Merkmale genauer zu erfassen, durch die
sich die sefardischen von den aschkenasischen Rezensionen
der Haggada auch ikonographisch unterscheiden lassen
, und gibt eine chronologische synoptische Übersicht
der von ihm untersuchten Handschriften (S. 385f.). Das
Kapitel wird durch Mitteilungen über die Miniaturisten
, soweit diese überhaupt wenigstens namentlich festzustellen
waren, abgeschlossen (S. 387—392).

In der ..Conclusion" (S. 393 f.) kommt M. dann zu allgemeinen
Schlußfolgerungen, die für die Geschichte der
mittelalterlichen jüdischen Kunst von größtem Interesse