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Ausgabe:

1976

Spalte:

780-781

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Strohmaier-Wiederanders, Gerlinde

Titel/Untertitel:

Albrecht Dürers theologische Anschauungen 1976

Rezensent:

Mai, Hartmut

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Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 10

780

lung „Erzbischof Eidem zum deutschen Kirchenkampf
1933/34" (1968) und die von Jergen Glenth0j herausgegebenen
„Dokumente zur Bonhoeffer-Forschung 1928 bis
1945" (1969). Die Darstellung beschäftigt sich mit Eidems
Beziehungen zu Reichsbischof Ludwig Müller, „dem
Schirmherrn der Deutschen Christen", und seinem Briefwechsel
mit diesem sowie mit seinem Verhältnis zu Dietrich
Bonhoeffer, der Schweden zusammen mit „den Insassen
des sogenannten Predigtseminars der ,Bekennt-
(niskirche' Finkenwalde" (S. 61) besuchte, und zu Ober-
konsistorialrat Wilhelm Zoeller. Natürlich wird auch
Eidems Besuch bei Hitler 1934 in diesem Vortrag behandelt
. Uber den Eindruck, den Hitler auf den Erzbischof
machte, zitiert der Vf.: „Man hatte den Eindruck, als
spräche ein Agitator zu einer tausendköpfigen Schar. Die
Gesten waren unbeherrscht, die Stimme drohend und
sehr unangenehm" (S. 57).

Abschließend teilt der Vf. noch elf Texte mit, welche
die Linie, die er in den beiden letzten Vorträgen verfolgt,
besonders beleuchten: „Vom Friedensappell Söderbloms
im November 1914 bis zu den warnenden Stellungnahmen
Erzbischofs Eidems spannt sich der Bogen."

Auf S. 57 führt Haendler einen Brief Eidems an Anders
Nygren an, „den bekannten Theologen und späteren
Bischof". Da Nygren durch seine engen persönlichen
Beziehungen zu führenden deutschen Wissenschaftlern,
seine epochalen, ins Deutsche übersetzten wissenschaftlichen
Arbeiten, sein Buch über den deutschen Kirchenkampf
(1933) und seinen Besuch im Reichsinnenministerium
eine wichtige Rolle gespielt hat, hätte man zumindest
einen Hinweis auf seine Leistungen erwartet. Nygren
ist es auch zu danken, daß Reichsbischof Müller
nicht von einem schwedischen Bischof ordiniert wurde.
Auch Nygren besitzt, was Haendler in seinem Vorwort
den drei geschilderten Bischöfen zuschreibt, „ein großes
Interesse an der deutschen Theologie und Kirche, eine erstaunliche
Bereitschaft, sich in die besonderen Verhältnisse
südlich der Ostsee hineinzudenken, ein hohes Maß
an Klarheit und Übersicht, das sich in der Besonnenheit
der Urteile ausspricht."

Lund (Schweden) Sven Kjöllerström

Duchrow, Ulrich und Huber, Wolf gang: Kirchenpolitik
durch Polemik? Antikritik zu Trutz Rendtorffs Kritik
an einer Textsammlung zur Zwei-Reiche-Lehre (ZEE
20, 1976 S. 144-153).

Galen, Clemens August von: Schweigen oder Bekennen?
Zum Gewissensentscheid des Bischofs von Münster im
Sommer 1941. Eingel. und komm, von Ludwig Volk
(StZ 101, 1976 S. 219-224).

Holfelder, Hans Hermann: Christentum und Sozialismus
: Das Experiment Friedrich Naumanns (ZEE 20.
1976 S. 81-97).

Kantzenbach, Friedrich Wilhelm: Das Sozialismuspro-
blem bei Wilhelm Herrmann (NZSystTh 18, 1976 S. 22
bis 43).

[Möhler, Johann Adam:] Verzeichnis der gedruckten Arbeiten
Johann Adam Möhlers (1796-1838). Aus dem
Nachlaß Stefan Lösch (t 1966). Unter Mitarb. v. J. Köhler
u. C. Zimmermann durchgesehen, ergänzt u. hrsg.
v. R. Reinhardt. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
1975. 71 S., 1 Taf. gr. 8°. Lw. DM 12,80.

Rendtorff, Trutz: Dokumentation als Kirchenpolitik?
Kritik einer Textsammlung zur Zwei-Reiche-Lehre
(ZEE 20, 1976 S. 64-70).

Stupperich, Robert: Das Herforder Fraterhaus und die
Devotio Moderna. Studien zur Frömmigkeitsgeschichte
Westfalens an der Wende der Neuzeit. Münster/W.:
Aschendorff 1975. 66 S. 8° = Schriften der Historischen
Kommission Westfalens, 10. Kart. DM 16,-.

GESCHICHTE CHRISTLICHER KUNST

Wiederanders, Gerlinde: Albrecht Dürers theologische
Anschauungen. Berlin: Evang. Verlagsanstalt [1975].
132 S., 20 Taf. gr. 8°.

Mit vorliegender Arbeit promovierte die Vfn. 1971 an
der Fakultät für Theologie der Humboldt-Universität
Berlin. Sie ist die erste Veröffentlichung, die das malerische
und graphische Werk sowie den schriftlichen
Nachlaß einmal ausdrücklich nach ihrem theologischen
Gehalt befragt. Mit philologischer Gründlichkeit, überlegten
Schlußfolgerungen und einem Spürsinn für die jeweilige
Atmosphäre, in der Person und Werk sich entfalten
, gelingt es Vfn., Dürers Werk von seiner Glaubenshaltung
her verständlich zu machen und nahezubringen.

Gegliedert ist die Darstellung nach Schaffensperioden,
wobei sich als Orientierungsdatum das Jahr 1517 anbietet
. Damit wird keineswegs die für Dürer charakteristische
Kontinuität in Leben und Schaffen bestritten. Innerhalb
dieser Schaffensperioden konzentriert sich Vfn.
auf bestimmte Bildthemen, um aus den Veränderungen
in ihrer Gestaltung auf Wandlungen in den theologischen
Anschauungen zu schließen. Das Recht zu dieser
Methode ergibt sich daraus, daß Dürer kein Illustrator
überlieferter Texte ist, sondern auf eine bestimmte Aussage
abzielt. Dürers Kunst ist von den ikonographischen
und Frömmigkeitstraditionen des Spätmittelalters geprägt
. Doch der Zug zur Bindung an das Wort im humanistischen
und reformatorischen Sinne gewinnt zunehmend
an Gewicht. Der Künstler war fest in seiner politischen
, geistigen und religiösenUmweltverwurzeltundzugleich
an den geistigen und künstlerischen Fragen der Zeit
engagiert. Er stand derSache Luthers und der Reformation
offen und bejahend gegenüber. Zugleich lag ihm jeder
kirchliche und theologische Radikalismus fern. Im Kontakt
mit Männern der Reformation erscheint er als Mann,
der die anstehenden Fragen (z. B. Christologie, Abendmahl
) selbständig durchdenkt und ins Bild umsetzt, um
sein reformatorisches Glaubensbekenntnis abschließend
in den Aposteltafeln von 1526 künstlerisch zum Ausdruck
zu bringen.

Dürers Verpflichtung gegenüber kirchlichen Traditionen
, seine hohen sittlichen Ansprüche, sein eschatologi-
sches Bewußtsein und seine Bindung an die Reformation
kommen in seinen Schriften einhellig zum Ausdruck.
Aus ihnen wird das künstlerische Werk beleuchtet, ohne
daß dieses allein von den Texten her zu erklären wäre.

Es soll bei der Wiedergabe solcher Grundlinien der Arbeit
bleiben. Die Vielzahl der herangezogenen Belege
und die sublime Beweisführung gestatten es nicht, an
dieser Stelle ja doch nur vergröbernd auf Einzelheiten
einzugehen. Die Ergebnisse, zu denen W. gelangt ist, können
in allen Einzelfällen als mögliche Deutung neben
denjenigen Forschungsergebnissen bestehen, die die Beschäftigung
mit Dürer in jüngster Zeit erbracht hat,
selbst wenn Differenzen vorhanden sind oder zusätzliche
Überlegungen angestellt wurden. Es sei in diesem Zusammenhang
auf die Ausstellungskataloge hingewiesen
(Deutsche Kunst der Dürer-Zeit. Ministerium für Kultur
. Staatliche Kunstsammlungen Dresden. Ausstellung
im Albertinum. 1971. — Albrecht Dürer 1471—1971. Ausstellung
des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg.
21. Mai bis 1. August 1971. München 1971) und an die Rezension
des von Herbert Schade herausgegebenen Sammelbandes
in ThLZ 97. 1972 Sp. 616-618, erinnert.

Es bleibt für die Interpretation von Texten immer ein
gewisser Spielraum zwischen der grundsätzlichen Aussage
und den möglichen Konkretionen. Das gilt erst recht
von den bildlichen Gestaltungen, die sich als Kunstwerke
nicht gänzlich theologisch oder ideologisch verrechnen
lassen.