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Ausgabe:

1976

Spalte:

777-779

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Haendler, Gert

Titel/Untertitel:

Schwedisch-deutsche Kirchenbeziehungen 1901 - 1936 1976

Rezensent:

Kjöllerström, Sven

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Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 10

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Person und Werk Christi, auf „Gottes Willen und seine
uns zukommende Gerechtigkeit, die das christliche Leben
gestalten" (S. 195). Der Einsatzpunkt coccejanischer
Theologie ist, so unterstreicht der Vf., nicht „der vorzeitliche
innertrinitarische Pakt oder das ewige Testament
nach Werk- und Gnadenpunkt in seiner doppelten Ökonomie
..., sondern der Christusglaube" (S. 190). Das vornehmste
Ziel des coccejanischen Lehrsystems sieht er in
der „Gewinnung und Einordnung eines Menschen in und
für Gottes Bund" (S. 182). „Durch alle Lehrunterweisungen
des Coccejus wird nur ein Thema verfolgt: Wie und
mit welchem Ziel handelt Gott am Menschen" (S. 231).
Der Bundesgedanke bleibt im Zentrum der Theologie,
wird aber neu eingestuft. Das gilt auch für den Reichsgedanken
, der stärker an den Rand des theologischen Systems
rückt. Daraus ergeben sich wichtige theologische
Schlußfolgerungen, u. a. die, daß Coccejus kein Ahnherr
der Reich-Gottes-Theologie des 19. Jhs. ist (vgl. S. 158f.).
Auch die Geschichtsschau wird in Abgrenzung zu Schrenk
neu bestimmt. „Die Geschichte hat keine Offenbarungs-
dignität" (S. 228). Der Vf. vertritt die These, daß die coc-
cejanische Theologie „apokalyptisch und damit ohne den
Gedanken einer geschichtlichen Entwicklung konzipiert"
ist (S. 170). Er kommt zu dem — allerdings vorsichtig eingeschränkten
— Ergebnis: Das Neue in der Theologie des
Coccejus ist nicht seine Lehre über den Bund, sondern
der Charakter seines Systems als „biblisch-historische
Dogmatik" (S. 179).

Theologie ist für Coccejus auf der Grundlage seines
Schriftverständnisses, dessen Schlüssel ebenfalls in der
Christologie gesehen werden muß, eine praktische, auf
Betätigung des Glaubens, auf Frömmigkeit ausgerichtete
Wissenschaft. „Wahre Theologie ist eine Dienstleistung
an den Menschen" (S. 84). Ausrichtung, inhaltliche Füllung
und Zielsetzung seiner Theologie ließen ihn nicht
nur zu einem „Förderer des protestantischen Personenbewußtseins
", sondern auch zu einem Wegbereiter des
Pietismus werden (S. 232f.). Coccejus hat wesentliche
Motive pietistischer Glaubenshaltung vorweggenommen.
Eine umfassendere Untersuchung dieses Problemkreises
wäre von der Themenstellung her möglich, wünschenswert
und nützlich gewesen. Die von Wilhelm Koepp bereits
1923 im Blick auf die Arbeit Schrenks gegebene Anregung
, „das gebotene Material möge bald bei einer
neuen umfassenden Durchprüfung der Ursprünge des
Pietismus Verwendung finden", bleibt weiterhin ein angesichts
der neueren Pietismusforschung noch dringlicher
gewordenes Desiderat (ThLZ 48, 1923 Sp. 33).

Der unbestreitbare Wert der vorliegenden bahnbrechenden
Arbeit liegt in der erheblichen Bereicherung der
Coccejusforschung. Durch diese Arbeit wird die wissenschaftliche
Diskussion über Werk und Wirkung des Coccejus
herausgefordert. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen
.

Halle (Saale) Helmut Obst

Haendlcr, Gert: Schwedisch-deutsche Kirchenbeziehungen
1901-1936. Drei Vorträge. Berlin: Evang. Verlagsanstalt
[1975]. 88 S. gr. 8° = Aufsätze und Vorträge zur
Theologie und Religionswissenschaft, hrsg. v. E. Schott
u. H. Urner, 2, und Stuttgart: Calwer Verlag = Arbeiten
zur Theologie, 56.

Professor Gert Haendler hielt im Jahre 1972 Vorträge
über drei schwedische Bischöfe, „die sich im ersten Drittel
des 20. Jahrhunderts intensiv um die kirchlichen Verhältnisse
südlich der Ostsee gekümmert haben". Es handelt
sich um den Bischof Gezelius von Scheele (tl920)
und die Erzbischüfe N. Söderblom (t 1931) und E. Eidem
(t 1972). Auf Wunsch des Verlages wurden diese Vorträge
durch eine kurze Übersicht über „die schwedisch-deutschen
Kirchenbeziehungen von Ansgar zu Einar Billing"
eingeleitet. Diese flüssig geschriebene und korrekte Ubersicht
ist dem Vf. zufolge „als Anregung zu weiterer Arbeit
" zu betrachten. Er fügt zu Recht hinzu: „Sie könnte
in diesem Sinn einen guten Zweck erfüllen" und schließt
mit einem Zitat von K. B. Westman, in dem es u. a. von
Schweden heißt: „Man findet deutsche Einflüsse so ziemlich
überall, oft ganz augenfällig, bisweilen mehr verborgen
."

Während Haendler in der einleitenden Übersicht
Deutschlands Rolle in der Geschichte der schwedischen
Kirche beleuchtet, behandelt er in den Vorträgen die Bedeutung
der drei schwedischen Bischöfe für die deutsche
Kirche.

Der älteste dieser Bischöfe, K. H. G. von Scheele, hatte
1870 Deutschland bereist. Um von Scheeles ökumenische
Einstellung zu verstehen, ist es indessen notwendig, zu
wissen, wie stark er sich für die 1846 in London gebildete
Evangelische Allianz eingesetzt hatte, von der er sich viel
versprach. Bei der Generalkonferenz in Basel 1879 hielt
von Scheele einen Vortrag über „Das evangelisch-religiöse
Leben in Skandinavien". Später schilderte er die
Konferenz in einem Reisebrief und forderte seine schwedischen
Theologen dazu auf, ebenso wie die Theologen
in Basel, „die Entwicklung einer beherzenswerten Sache
in positiver Richtung" zu unterstützen. Nach der Baseler
Konferenz publizierte von Scheele auf deutsch seine beiden
übersetzten Arbeiten „Theologische Symbolik"
(1881) und „Die kirchliche Katechetik in allgemeinen
Grundzügen" (1886), die der Vf. ausführlich referiert und
mit den Worten charakterisiert: „Ein handfester lutherisch
-konfessioneller Standpunkt verbindet sich mit dem
Streben nach ökumenischer Weite" (S. 18). Das Interesse
an der Evangelischen Allianz machte jedoch bald dem an
der 1868 gegründeten AELK Platz, deren zweiter Vorsitzender
von Scheele mit der Zeit wurde und in der er eine
nicht unwesentliche Rolle besonders bei den Konferenzen
in Lund 1901 und in Uppsala 1911 spielen sollte. Der
Vf. kann daher voll und ganz S. Grundmanns Behauptung
beipflichten, von Scheele habe einen Teil des deutschen
Luthertums um 1900 vor einer „konfessionellen
Vereinseitigung bewahrt" (S. 33).

In seiner Schilderung Söderbloms hält sich Haendler
eigenen Angaben zufolge an Tor Andreas ins Deutsche
übersetzte Söderblom-Biographie und geht besonders
auf die vielen deutschen Freunde ein, die sich Söderblom
während seiner Zeit als Professor in Leipzig erwarb. Vor
allem beschreibt der Autor das Verhältnis Söderbloms zu
Professor L. Ihmels , der seit 1907 erster Vorsitzender der
AELK war und 1922 Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen
Kirche Sachsens wurde. Ihmels nahm an der
Stockholmer Konferenz von 1925 teil und hielt dort die
Eröffnungspredigt. „Es kann aber", schreibt Haendler,
„kein Zweifel daran bestehen, daß es unter den deutschen
Theologen Männer gab, die Söderblom näher standen
als Ludwig Ihmels, der führende Bischof der deutschen
Lutheraner" (S. 37f.). Zu jenen gehörte in erster
Linie der „theologische Außenseiter in Deutschland", der
„stark angefochtene" Professor Siegmund-Schultze. Angeblich
rettete Siegmund-Schultze dadurch, daß er seinen
geplanten Vortrag nicht hielt, die Stockholmer Konferenz
, doch bedeutete das für Söderblom eine Enttäuschung
. Er schrieb in einem Brief: „So hat auch die Weltkonferenz
den schmalen Weg gehen müssen" (S. 48f.).
Nach den Worten des Vfs. ging es nämlich beiden „um
den Frieden unter den Völkern, um ökumenische Kontakte
zwischen den Kirchen. Für das Gesamtthema unserer
Tagung, .Heiliger Geist und Grenzen der Kirchen',
dürfte gerade diese Freundschaft zwischen Söderblom
und Siegmund-Schultze ein Beitrag sein, der zum Nachdenken
anregt."

In dem letzten Vortrag über Erzbischof Eidem stützt
sich Haendler vor allem auf Eino Murtorinnes Darstel-