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Ausgabe: | 1976 |
Kategorie: | Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie |
Titel/Untertitel: | Neuerscheinungen |
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Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 10
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ein Verzeichnis der Namen und der Bibelstellen. Das
Kirchenväterlexikon bemüht sich, auf knappem Raum
das Wesentliche hervorzuheben. Wie schwierig dieses
Unternehmen ist, wird deutlich, wenn man sieht, daß
nicht nur Schriftsteller und Texte (unter Einschluß apokrypher
und gnostischer Texte bis zu Celsus, Porphyrius
oder den Codices Theod. und Iust.), sondern auch theologische
Streitigkeiten und Häresien und Schismen berücksichtigt
sind, und daß der zeitliche Bogen bis zum
Patriarchen Photios (9. Jh.) gespannt ist. Aus Raumgründen
ist wohl darauf verzichtet worden, auf weiterführende
Literatur zur Information hinzuweisen. Das
wäre sicher sehr nützlich gewesen. Geordnet ist das Lexikon
alphabetisch. Für den schnellen Gebrauch ist das
praktisch, doch wird so kaum Einblick in die historische
Entwicklung vermittelt, eine für das Verständnis der in
den Bänden 1—4 gebotenen Texte nicht unwichtige Aufgabe
. Leider wird auch auf die in den ersten Bänden verwerteten
Schriften kein besonderer Bezug genommen.
Isoliert betrachtet ist das Kirchenväterlexikon aber ein
brauchbares Informationsmittel. Die Namen- und Sachregister
beschränken sich auf die reine Stellenangabe,
verzichten auf jede Erläuterung und jeden weiterführenden
Hinweis, versuchen also nicht, die in den ersten
Bänden fehlende Dokumentation nachzutragen. Eine
Reihe von Namen hätte unbedingt einer Erklärung bedurft
, teils weil sie klassische oder geographische Kenntnisse
voraussetzen, teils weil der Namensbezug in dem
betreffenden Textzusammenhang erläutert werden
müßte.
Die thematische Gliederung der Bände 1—4 ist nicht so
sehr an den Problemen altkirchlicher Theologie, sondern
an der modernen katholischen Dogmatik orientiert: Gott,
Schöpfung (mit Einschluß der Engel), Mensch, Sünde,
Gnade, Christus (mit Einschluß der Jungfrau Maria),
Heiligung (mit Einschluß der Heiligen), Kirche, Sakramente
, Bibel, die letzten Dinge, um hier nur die Hauptthemen
zu nennen. Es würde den Rahmen dieser Besprechung
sprengen, wollte man die Berechtigung oder das
Unangemessene dieser Themen und dieser Reihenfolge
für die Textauswahl eingehender erörtern oder die Untergliederungen
analysieren. Dagegen sind über den dritten
Band doch einige Worte notwendig. Hier soll der
Christ in der Gesellschaft erfaßt werden. Heilmann bietet
folgende Hauptthemen an: das christliche Leben; der
Nächste; von den christlichen Ständen (von einzelnen
Berufen; Staat, Obrigkeit und weltliches Amt; von den
Geschlechtern und dem ehelichen Leben; die christliche
Familie; das ehelose Leben). Die hier gebotene Terminologie
und Problemorientierung entspricht weder dem
Verständnis und den Problemstellungen der heutigen
Zeit, noch wird sie den sozialökonomischen Bedingungen
der Spätantike gerecht. Was nützt es zum Beispiel, wenn
III 515 f. über die Sklaverei nur eine kurze Sentenz aus
einer Homilie zum Epheserbrief des Johannes Chrysosto-
mes zitiert wird, die tiefe Problematik und die Differenziertheit
der vielen christlichen Aussagen in der Spätantike
zu diesem Thema aber überhaupt nicht deutlich
wird, sich vielmehr der Eindruck einer problemlosen
Geschlossenheit ergibt?
Alle Zitate stehen in den Bänden 1—4 gleichrangig, also
unhistorisch nebeneinander. Dadurch werden die unterschiedlichen
theologischen Standpunkte und Hintergründe
und die historische Entwicklung verschwiegen,
anderseits die gebotenen Texte vielfach farblos. Wenn
zu manchen Punkten nur ein oder zwei Schriftsteller zitiert
werden, weil sich entweder sonst nichts zu diesem
Stichwort Passendes fand oder weil andere Aussagen zu
problematisch erschienen, erhalten solche Texte den
Stempel allgemein-altchristlicher Anschauungen. Ein
weiteres Problem ergibt sich daraus, daß kleinere Abschnitte
aus ihrem Zusammenhang herausgelöst werden.
Ein solcher Text kann dann völlig mißverstanden werden
, wenn nicht in einer Einführung der zitierte Abschnitt
in den Zusammenhang der ganzen Schrift, ihrer
Tendenzen, ihrer Probleme und ihres Anlasses gestellt
wird. Das wird in vorliegendem Werk nicht versucht.
Manche Schriften, vor allem des Basileios und des Johannes
Chrysostomos, werden fast vollständig zitiert, allerdings
in kleinen Stücken über die vier Bände verteilt.
Diese Texte, im Zusammenhang gelesen, geben ein einprägsameres
Bild als die mühselige Einordnung unter
zum Teil recht willkürliche Stichworte. Auf der anderen
Seite fehlen viele interessante Aussagen — vor allem das
von der allgemeinen Linie Abweichende. Für H. ist die
Väterliteratur offensichtlich nur ein theologischer Steinbruch
, den man für moderne erbauliche Zwecke auswerten
kann.
Jeder Band enthält auf den letzten Seiten einen pauschalen
Hinweis auf benutzte Übersetzungen. Danach
fußt die Auswahl in erster Linie auf der Übersetzungsreihe
„Bibliothek der Kirchenväter", die „sprachlich
leicht überarbeitet" wurde. Leider wurde das nicht in genügendem
Umfang getan, denn so verdienstvoll diese
Ubersetzungsreihe ist, so sind doch einige Bände in wissenschaftlicher
oder sprachlicher Hinsicht heute nicht
mehr ausreichend. Nur wenige Texte wurden aus außerhalb
der BKV veröffentlichten Übersetzungen übernommen
. Werke, die noch nicht übersetzt sind, wurden nicht
berücksichtigt, auch wenn sie in guten Editionen vorliegen
. Dadurch ist die Auswahlmöglichkeit begrenzt. Nirgends
, weder bei den Texten selbst noch im Register der
zitierten Texte, ist angegeben, aus welcher Ubersetzung
die einzelnen Stücke übernommen wurden und inwieweit
sie überarbeitet sind. Zudem fehlt jeder Hinweis
auf eine Edition des Originaltextes.
Es ist ein Zeichen der Qualität vieler christlicher
Schriften der Spätantike, daß die hier gebotene Auswahl
dazu verlockt, von manchen Texten eine Gesamtausgabe
in die Hand zu nehmen und sie im Zusammenhang zu lesen
. Aber das kann ja wohl nicht der eigentliche Sinn
vorliegender Auswahlausgabe sein. Das Gelingen einer
Auswahl ist nicht von der Vielzahl der berücksichtigten
Themen abhängig, sondern von der Konzentration auf
zentrale Themen und der Tiefe ihrer Auslotung, sonst
wäre es besser, wenige grundlegende Schriften in Ubersetzung
, mit fundierten Erläuterungen versehen, vollständig
herauszugeben, um so bei breiteren Kreisen Verständnis
für die historische Entwicklung des Christentums
und die Schwerpunkte seiner theologischen Problematik
zu wecken.
Berlin Friedhelm Winkelmann
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