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Ausgabe:

1976

Spalte:

757-759

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Wanke, Joachim

Titel/Untertitel:

Die Emmauserzählung 1976

Rezensent:

Baumbach, Günther

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Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 10

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legt, ob der (vor-)johanneische Passionsbericht die Endfassungen
der synoptischen Evangelien voraussetzt, bedeutet
einen erheblichen Fortschritt gegenüber der früheren
Forschung. Allerdings bleiben manche Probleme
unerledigt. So ist im Einzelfall umstritten, ob es sich bei
den Parallelen Johannes'Synoptiker in der Tat um synoptische
Redaktion handelt. Die künftige Forschung anregen
kann der Nachweis, daß sich nicht selten eine Kombination
von synoptischen Texten als Parallele zur jo-
hanneischen Passionsüberlieferung darstellt; von hier
aus würde sich nahelegen, nicht eine bestimmte synoptische
, sondern eine Mischtext-Tradition zu vermuten,
ähnlich den bei Justin nachzuweisenden Textmischungen
. Eine Vertiefung hätte die vorgetragene These
(S. 336) noch erfahren, wäre sie mit der allgemein vermuteten
Abfassungszeit des JohEv. konfrontiert worden
oder hätte Vf. sich des Problems der johanneischen
Schultradition im Zusammenhang mit der Passionsüberlieferung
und ihrer johanneischen Redaktion angenommen
. Auch wäre willkommen gewesen, wenn die Ergebnisse
der Untersuchung am JohEv. insgesamt überprüft
worden wären. — Dies alles mindert nicht das abschließende
Urteil, daß trotz der offengebliebenen Fragen dieses
Buch, da es zu neuen Perspektiven in der Johannesforschung
anregt, einen nützlichen Forschungsbeitrag
darstellt.

Göttingen Georg Strecker

Wanke, Joachim: Die Emmauserzählung. Eine redaktionsgeschichtliche
Untersuchung zu Lk 24,13-35. Leipzig
: St. Benno-Verlag 1973. XVIII, 193 S. gr. 8° = Erfurter
theologische Studien, hrsg. v. W. Ernst u.
K. Feiereis, 31.

Diese durch H. Schürmann angeregte Untersuchung
gibt nicht nur eine gute Einführung in den Stand der exegetischen
Diskussion über Lk 24,13ff. (vgl. S. 1—19), sondern
bringt eine methodisch saubere Exegese, die wesentlich
zur Erhellung der lukanischen Arbeitsweise und
Theologie beiträgt. Zur genauen Bestimmung der „redaktionellen
Leistung des Evangelisten" (S. 9) befaßt
sich W. nicht nur mit den lukanischen Spracheigentümlichkeiten
— diese „weisen zwar ... auf Überarbeitung
durch den Evangelisten hin, jedoch nicht ohne weiteres
auf redaktionelle Bindung", zudem stehen „sprachliche
Veränderungen ... meist im Dienst einer theologischen
Zielsetzung" (S. 20) —, sondern nimmt auch eine Motivanalyse
vor, um auf diese Weise „die ,Redaktionsdecke'
von der Emmauserzählung abzuheben" (S. 22). Als Aus-
Sangspunkt seiner Exegese wählt er den Rahmen: Lk 24,
13-16 und 33-35 (S. 23-54), dessen sprachliche Formung
durch den Evangelisten er sorgfältig nachweist. Nur der
Name Kleopas, der Ortsname Emmaus, eine Begegnung
mit dem Auferstandenen und die kerygmatische Aussage
in V. 34 dürften vorlukanisch sein. Dem ..Weggespräch"
(Lk 24,17-27) wendet sich Vf. auf S. 55-95 zu, wobei es
ihm auch hier gelingt, den Stil, die Sprache und das theo-
iogische Profil des Lukas herauszuarbeiten. Auch die
»Mahlszene" (Lk 24,28-32) ist „sehr intensiv vom luk.
Sprachgebrauch übe,rformt" (S. 99), obwohl mit der
••Möglichkeit vorluk. Ursprungs der Mahlszene" (S. 105).
die „auf das eucharistische Erkennen hin angelegt" war
(S. 108), zu rechnen ist. In dem Abschlußkapitel: „Redaktion
und Tradition in Lk 24,13-35" (S.109-125) sieht W.
das Urteil J. Schmitts bestätigt, daß die Emmauserzäh-
ll»ng die am meisten lukanische Ostergeschichte in
Kap. 24 ist, da eine „umfassende luk. Redaktion ... in allen
Teilen der Erzählung als gesichert gelten darf" (S. 109:
vel. S. 123). Der Evangelist will gerade in dem wichtigen
Schlußkapitel „red. Linien des Gesamtevangeliums zusammenführen
und österlich zur Auflösung bringen"
(S. 109), so daß hier die Fragen nach dem messianischen

Verständnis Jesu, das Leidensrätsel, der Themenkomplex
.Verheißung — Erfüllung' „im Licht der Ostererfah-
rung beantwortet" werden (ebd.). Während die vorluka-
nische Tradition eine Emmauslokalisierung enthielt und
wahrscheinlich „eine mehr an der Gegenwart des Erhöhten
im Kult interessierte Geschichte mit mehr novellistischen
Zügen" war (S. 117), verknüpft Lukas diese Geschichte
mit dem Kreis der apostolischen Repräsentanten
in Jerusalem und läßt sie vom apostolischen Auferstehungszeugnis
(24,34) umgriffen sein, wodurch die Authentizität
dieses Zeugnisses für die spätere Kirche unterstrichen
wird. Demzufolge sind V. 33—35 „recht eigentlich
der Höhepunkt der ganzen Erzählung" (S. 49). Der „Erfüllungscharakter
des Jesusgeschehens" (S. 121) wird
durch die dem Auferstandenen zugeschriebenen beiden
Verrichtungen: Schriftauslegung und Mahlspendung veranschaulicht
, so daß auch hier als das vorherrschende Anliegen
des Lukas erkennbar wird: „Die Geschehnisse
der Jesuszeit werden so erzählt, daß sie durchsichtig werden
auf das Leben der Kirche seiner Zeit hin" (S. 122).

In der „Schlußbemerkung" (S. 126) knüpft W. an die
späte Uberlieferung an, Lukas sei ein Maler gewesen,
und sieht in dieser legendären Nachricht „einen Wesenszug
der schriftstellerischen Eigenart des Evangelisten"
festgehalten: Lukas will „ausmalen", „was der Osterruf
der Kirche (vgl. 24,34) verkündet", es geht ihm um das
„illustrierende Erzählen", zugleich aber auch um Belehrung
für die von der Anfangszeit bereits getrennte Kirche
seiner Zeit, der „das gläubige Ergreifen des Schriftzeugnisses
, das Jesus als Messias ausweist, und die Erfahrung
seiner Gegenwart beim gemeinsamen Mahl in
der Gemeinde" (S. 126) als Weg gewiesen wird.

Anmerkungen (S. 128—175), Autorenregister (S. 177 bis
184), Stellenregister (S. 185—187) und ein Register „ausführlich
untersuchter griechischer Vokabeln" (S. 188—193)
schließen diese sorgfältig gearbeitete Untersuchung ab.
Besondere Beachtung verdienen auch die drei Exkurse:
Im ersten befaßt sich W. mit der Lokalisierung von Emmaus
(S. 37—42; „Es ist durchaus wahrscheinlich, daß eine
ursprüngliche Emmaustradition an dem heutigen Ort
Amwas haftete", S. 42) und bietet einen ausführlichen
Literaturbericht, im zweiten geht es um Lk 24,12 v. 1.
(S. 76—79; „Die theologisch ohne Zweifel .befrachteten'
Stücke in Lk 24,3.12.36.40.50ff. sind nicht das Ergebnis
theologischer Reflexion, sondern gegen D it sy (Mcion)
zum ursprünglichen Text zu rechnen", S. 79) und im dritten
um Joh 21,1—14 (S. 102-105), wobei sich W. weitgehend
der Analyse von R. Pesch anschließt und die interessante
Frage aufwirft, ob sich „vielleicht in dieser
Mahlszene ein joh. Stiftungsbericht, der Joh 13 fehlt, verbirgt
" (S. 105).

W. ist es gelungen, ein überzeugendes Bild von der lukanischen
Intention dieser Perikope zu entwerfen. Zu
fragen ist nur, ob er bei seinem Bemühen, „die redaktionelle
Leistung des Evangelisten" herauszuarbeiten,
manchmal etwas zuviel des Guten getan hat. Schließlich
gilt ja prinzipiell die Feststellung E. E. Ellis': „Das gesamte
Material des Lukas ist schon von der Tatsache her
daß Lukas es übernommen hat, in gewisser Weise luka-
nisch" (Die Funktion der Eschatologie im Lukasevangelium
, in: G. Braumann: Das Lukas-Evangelium, Wege
der Forschung 280, 1974, S. 380). Die von der Mehrzahl der
Forscher vertretene „mittlere Position" (S. 19), wonach
die V. 15b—16 und 28—32 sehr viel weniger vom Evangelisten
geformt sind als die anderen Bestandteile dieser
Perikope, ist durch W.s Untersuchung kaum in Frage gestellt
worden. Nicht ganz überzeugend erscheint die Begründung
für die Ursprünglichkeit von 24,12 und die im
Anschluß an S. Schulz behauptete ..Abwandlung vom
Apokalyptischen ins Vorsehungsgeschichtliche" in der
Verbindung von „dei" mit dem Leiden (vgl. dazu den von
W. nicht berücksichtigten „satanischen Rahmen" der luk
Passionsgeschichte, der die Betonung des Leiden-Müs-