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Ausgabe:

1976

Spalte:

751-753

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Bowker, John

Titel/Untertitel:

Jesus and the Pharisees 1976

Rezensent:

Weiß, Hans-Friedrich

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Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 10

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damit automatisch auch zur Quelle möglicher Fehlinformation
. Z. B. in der Wendung (S. 61) „Dann brachte das
[dreifach-männliche] Kind des großen [Christus]" (usw.)
ist das koptische Äquivalent des „des" eine Ergänzung,
und zwar eine m. E. problematische. In diesem Zusammenhang
aufgefallen ist mir auch (S. 123) die Wendung
„[deren Maß] ein unzählbares von Sodom [ist]" ; hier ist
das für die Schwerverständlichkeit allein verantwortliche
„von" nur ergänzt.

Die der Übersetzung vorangestellte Einleitung (S. 13
bis 42) hat zwei Schwerpunkte, einmal das Anliegen, das
Mythologische am ÄgEv als sinnvolle Ausdrucksform
auf dem Hintergrund der gesamten antiken Mythologie
verständlich werden zu lassen, zum anderen die Frage zu
klären, ob und wieso das ÄgEv mit Recht ein Evangelium
genannt worden ist. Die Erfassung und das Nahebringen
des Inhalts der Schrift vollzieht sich vorwiegend
in der Kategorie der Beschreibung; analytisch werden die
Erörterungen jedoch regelmäßig bei den ungewöhnlichen
Namen, den Zauberworten und der Zahlenspekulation.
Da das ÄgEv ein unstrittig schwieriger Text ist, dessen
sachliche Erschließung erst angefangen hat, wird der
Hinweis nicht verwundern, daß man manches auch anders
als B. verstehen kann. Um das Gespräch gerade über
solche Sachverhalte zu fördern, möchte ich zum Schluß
noch drei m. E. für B.s Auffassung typische Thesen zitieren
, die unter dem Gesichtspunkt ausgewählt sind,
daß auch der gemeinte Leser des Buches merken könnte,
daß sie bestreitbar bzw. nicht befriedigend sind:

1. (S. 23) „Die Erlösung des Menschen geschieht im Rahmen
des Kosmos. Bezeichnend ist dabei die Rolle, die den
Gestirnen eingeräumt wird. Jesus-Seth hat auch die
Ordnung am Himmel hergestellt und hat den Sternen
ihren Platz zugewiesen und sie mit einem Wissen der
Wahrheit ausgestattet. Zur Ordnung paßt es, wenn er
die Welt mit sich selbst (der Wel£) versöhnt. Diese Versöhnung
geschieht durch die Absage (...) an die Welt und
ihren Herrscher, den Gott der dreizehn Äonen."

2. (S. 23 f. heißt es in bezug auf den Schlußabschnitt von
ÄgEv) „Daß der Verfasser nach einem so erfolgreichen
und Freude bereitenden Ausklang seinem Fühlen und
Denken noch in zwei hymnischen Abschnitten Ausdruck
verleiht, ist nicht verwunderlich."

3. (S. 36 f.) „Daß ein heiliges Buch den Ägyptern zugeschrieben
wurde, wie dies im Incipit geschehen zu sein
scheint, ist infolge der hohen Achtung, die die Religiosität
der Ägypter genoß, durchaus verständlich. Es fragt
sich dabei, ob der Titel von Ägyptern stammt oder ob ein
Verfasser in ihm speziell ägyptische Traditionen zu sehen
glaubte. M. E. scheint die Betonung der Ägypter darauf
hinzuweisen, daß mit dem gnostischen Seth eine Konkurrenz
zum ägyptischen Gott Seth aufgebaut werden
soll und damit auch eine speziell in Ägypten aktive
Gruppe ihr Selbstverständnis zum Ausdruck brachte. Die
Umdeutung von Sodom und Gomorrha in eine gute
Stätte stellt dem ägyptischen homosexuellen Seth den
neuen gnostischen, aus dem Judentum stammenden Seth
entgegen."

Berlin Hans-Martin Schenke

Bowker, John: Jesus and the Pharisees. London: Cambridge
University Press 1973. XI, 192 S. 8°. Lw. £ 4.20.

„Jesus und die Pharisäer" — offensichtlich ein schier
unerschöpfliches Thema, dem immer wieder neue Fragestellungen
und Ergebnisse abzugewinnen sind! Wer auch
nur annähernd Kenntnis hat von der weitverzweigten,
in der Fragestellung wie auch im Ergebnis höchst unterschiedlichen
Literatur, wird möglicherweise leicht resignierend
zu einer weiteren Untersuchung zum Thema
greifen, wird aber — Rez. jedenfalls gesteht gern, daß es
ihm so ergangen ist — bei der Lektüre des vorliegenden

Buches sein Vorurteil alsbald korrigieren. Schon ein erster
Überblick zeigt, daß dieser relativ schmale Band eine
Sonderstellung innerhalb der übrigen Literatur zum
Thema einnimmt. Die Zusammenstellung der auf die
Pharisäer bzw. perushim bezugnehmenden jüdischen
Quellen (in englischer Übersetzung), die den größeren
Teil des Buches ausmacht (S. 77—179), bietet dabei lediglich
die Voraussetzung und Grundlage für „a new ap-
proach to the understanding of Jesus in relation to the
Pharisees . . ., and to his ,trial'" (S. VII), wie er im
einzelnen in der „Introduction" (S. 1—52) entfaltet wird.
Darüber hinaus enthält das Buch — neben den ausführlichen
Registern (S. 182—192) und einer kurzen Bibliographie
(S. 180 f.) — noch eine „Additional Note" (S. 53
bis 76), in der der Vf. im Anschluß an die Aufstellungen
von L. Finkelstein und A. Guttmann die „Controversies
against Sadducees and/or Boethusians" in der rabbini-
schen Literatur analysiert. Das eigentliche Schwergewicht
liegt jedoch eindeutig auf der in der „Introduction"
vorgetragenen neuen Sicht des Verhältnisses Jesu zum
Pharisäismus. Charakteristisch hierfür ist es bereits, daß
der Vf. — im Unterschied zu den meisten Bearbeitungen
des Themas — nicht von den entsprechenden Nachrichten
der Evangelien ausgeht, sondern von den jüdischen Quellen
und aus ihnen zugleich die entscheidenden Fragestellungen
und Gesichtspunkte für die Beurteilung des
Verhältnisses Jesu zum Pharisäismus sowie zur Frage
der Verurteilung Jesu gewinnt.

Ausgangspunkt ist dabei die Beobachtung, daß die
Pharisäer in den griechischen Quellen (bes. bei Jose-
phus) und die perushim in den hebräisch bzw. aramäisch
überlieferten Quellen (bes. in der rabbinischen Literatur
) nicht in jedem Falle miteinander identisch sind, daß
vielmehr der Terminus perushim einmal positiv zur Bezeichnung
der Hakamim, zum anderen negativ als Bezeichnung
von „Separatisten" gebraucht wird (S. 1—15).
Diesen eigenartigen, bisher meist nicht entsprechend gewürdigten
Sachverhalt sieht der Vf. begründet in „the
emergence and development of the Hakamic movement"
(S. 15—29), insbesondere in der historischen Konstellation
unter Johannes Hyrkan (S. 19f.). Im Verlaufe dieser
Entwicklung ist es sodann — wie u. a. durch die Entstehung
einer hillelitischen und einer schammaitischen
Richtung innerhalb der Bewegung der Hakamim bezeugt
wird — zu bestimmten „divisions among the Hakamim"
gekommen (S. 29—38) und in diesem Zusammenhang
dann auch zu gewissen Gruppenbildungen, die sich durch
eine extreme Tora-Observanz auszeichneten (S. 31 ff.,
bes. S. 37f.). Eben auf diese Gruppen wäre dann — wie
dies in den rabbinischen Quellen in polemischer Weise
geschieht — der Terminus perushim im negativen Sinne
(als Bezeichnung von Separatisten und Extremisten) anzuwenden
. Eben auf diesem Hintergrund sind nun aber
auch — so die Grundthese des Vfs. — die Bezugnahmen
auf die Pharisäer im Markusevangelium zu verstehen:
sie spiegeln wider „the transition from the Pharisaioi of
Josephus to the perushim, attacked as extremists, of the
rabbinic sources" (S. 38—42; Zitat: S. 38); und im Zusammenhang
einer solchen Entwicklung innerhalb der Bewegung
der Hakamim ist dann endlich auch die Frage
nach ..the offence and trial of Jesus" zu beantworten.
Was der Vf. hier auf einigen wenigen Seiten (S. 42—52)
darlegt, ist in der Tat eine gänzlich neue Sicht der Stellung
Jesu innerhalb des Judentums seiner Zeit: Hinsichtlich
des Ansatzes seiner Stellungnahme zur Tora
gehört Jesus gänzlich in das Judentum seiner Zeit, insbesondere
in die Bewegung der Hakamim hinein; ebenso
aber wie die Position seiner Kontrahenten „an extreme
deduetion from the Shammaite tendency" darstellt, ist
..equally the attitude of Jesus ... an extreme deduetion
from the Hillelite tendency" (S. 43). „Jesus und die Pharisäer
", dies bedeutet somit, daß sich hier — zunächst innerhalb
des Judentums — zwei extreme Richtungen jüdi-