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Ausgabe: | 1976 |
Spalte: | 745-747 |
Kategorie: | Judaistik |
Autor/Hrsg.: | Barzîllay, Yishaq |
Titel/Untertitel: | Yoseph Shlomo Delmedigo (Yashar of Candia) 1976 |
Rezensent: | Maier, Johann |
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Theologische Literatur/.eitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 10
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ständnis des Gesetzes bei Jesus Ben Sira (BZ 20,1976
S. 1-21).
Myre, Andre: La loi de la nature et la loi mosaique selon
Philon d'Alexandrie (Science et Esprit 28, 1976 S. 163
bis 181).
Nützel, Johannes M.: Zum Schicksal der eschatologischen
Propheten (BZ 20, 1976 S. 59-94).
Parker, Simon B.: The Marriage Blessing in Israelite and
Ugaritic Literature (JBL 95, 1976 S. 23-30).
Roberts, J. J. M.: Myth Versus History: Relaying the
Comparative Foundations (CBQ XXXVIII, 1976 S.
1-13).
-Sapon in Job 26,7 (Bibl 56, 1975 S. 554-557).
Skehan, Patrick W.: Again the Syriac Apocryphal Psalms
(CBQ XXXVIII, 1976 S. 143-158).
- Turning or Burning? 1 Sam 17:53 LXX (CBQXXXVIII,
1976 S. 193-195).
Tromp, N. J.: Water and Fire on Mount Carmel: A Con-
ciliatory Suggestion (Bibl 56, 1975 S. 480-502).
Vawter, Bruce: Postexilic Prayer and Hope (CBQ
XXXVII, 1975 S. 460-470).
Wittstruck, Thorne: The So-Called Anti-Anthropomor-
phisms in the Greek Text of Deuteronomy (CBQ
XXXVIII, 1976 S. 29-34).
Wüst, M.: Die Einschaltung in die Jiftachgeschichte. Ri
11,13-26 (Bibl 56, 1975 S. 464-479).
JUDAICA
Barzilay, Isaac: Yoscph Shlomo Delmedigo (Vashar ol
Candia). His Life, Works and Times. Leiden: Brill 1974.
XII, 379 S., 4 Taf. gr. 8° = Studia Post-Biblica. Instituta
a P. A. H. de Boer, ed. by J. C. H. Lebram, XXV. Lw.
bfL 84.-.
Das noch immer vorherrschende Urteil, daß im Judentum
das Mittelalter bis Mendelssohn andauerte, verstellt
leicht den Blick für die vielfältigen und fesselnden Vorgänge
in den Jahrhunderten nach der Vertreibung aus
Spanien. Im vorliegenden Werk über Josef Delmedigo
wird in umsichtiger Weise Eigenart und Bedeutung dieser
Ubergangsperiode meisterhaft zur Darstellung gebracht
. Von den sechs Teilen des Bandes gilt der erste
der Biographie, dem Hintergrund der Jugendjahre auf
Kreta und den mit etwa 15 Jahren begonnenen Studien
in Padua, wo Juden damals Medizin und damit verbundene
Wissenschaften studieren durften. Hier geriet Delmedigo
in den Bann der aristotelisch-averroistischen
Tradition, die ihm auch in der Uberlieferung der maimo-
nidischen Philosophie innerhalb der jüdischen Literatur
begegnete, und nicht zuletzt der neuen wissenschaftlichen
Errungenschaften jener Zeit, vor allem in bezug
auf das Weltbild. Folglich traten für ihn auch künftig
herkömmliche Bildungsinhalte und WertmaI3stäbe in
den Hintergrund oder wenigstens in ein neues Licht,
auch wenn die Verhältnisse in den jüdischen Gemeinden
es damals noch nicht gestatteten, Neues dieser Art
offen zu äußern. Aber das galt nicht nur für den jüdischen
Bereich, Giordano Bruno und Galileo Galilei sind
zu erwähnen, wenn man an das jüdische Schicksal eines
Uriel da Costa oder Baruch Spinoza denkt. Worum sich
Delmedigo aber zeit seines Lebens bemühte, war die Verbreitung
säkularer Wissenschaften im Judentum, und
zwar nicht mehr anhand der mittelalterlichen Werke,
sondern im Sinne der aktuellen Forschung der Zeit, damit
als einer der ersten etwas wie einen kulturellen Minderwertigkeitskomplex
entwickelnd und auch in anderen
Punkten Erscheinungen der späteren jüdischen Aufklärung
vorwegnehmend (vgl. auch S. 316). Nach Kreta zurückgekehrt
und als Arzt tätig, geriet er mit seinen Ansichten
bald in Gegensatz zur herrschenden Meinung.
Nach etwa vier Jahren (1616/17) verließ er die Insel, besuchte
Ägypten, die Türkei und Konstantinopel, überall
Bücher und Handschriften sammelnd und wissenschaftliche
Kontakte suchend. Anfang 1620 geriet er nach, Polen,
wirkte dort als Arzt, kam 1624/25 über Hamburg nach
Amsterdam und ließ sich 1630 in Frankfurt a. M. nieder.
Aber 1645 packte ihn wieder die Wanderlust, er hielt sich
zeitweilig in Prag, Worms und Nikolsburg (Mähren) auf
und verstarb wahrscheinlich 1655 in Prag.
Teil zwei (S. 91-121) beschreibt die Werke Delmedigos.
Nur zögernd und erst spät entschloß sich der skeptische
Gelehrte zum Druck des ersten Werkes, „Sefer 'Elim",
Amsterdam 1629, einer Sammlung vor allem wissenschaftlicher
Abhandlungen. Ein Schüler, Samuel Aschkenasi,
publizierte 1629/31 zwei Sammelbände mit vielen Schriften
Delmedigos, ohne dessen Zustimmung („Ta caiümöt
Hokmah", Basel). Von den ungedruckten Werken ist vieles
nicht mehr erhalten (siehe Appendix B, S. 328—337),
von den in Basel gedruckten die Authentizität nicht immer
gesichert. Nirgends bot Delmedigo seine Gedankenwelt
zusammenhängend und systematisch dar, im Gegenteil
, augenfällige Widersprüchlichkeiten sind für ihn
bezeichnend. Neben wissenschaftlichen Abhandlungen
stehen kabbalistische Traktate und Zitate bis hin zu rüdem
Aberglauben, ein Phänomen, für das Barzilay eine
einleuchtende Erklärung geboten hat.
Teil drei gilt dem Wissenschaftler Delmedigo. Die Medizin
war für ihn eher eine Kunst und ein Mittel zum
Lebensunterhalt. Die Mathematik war es, die ihm am
Herzen lag, insbesondere auch Astronomie und alles, was
als anwendbare Wissenschaft bezeichnet werden kann,
womit er sich als Sohn der beginnenden Zeit experimenteller
Forschung und beginnender Technologie erweist.
Teil vier (S. 169—219) umreißt die philosophischen
Aspekte. In seinen späteren Jahren war sich Delmedigo
bewußt, daß die aristotelisch-averroistische Tradition
nicht mehr allen Anforderungen der neuen Zeit genügen
konnte. Wie die meisten Gelehrten der Renaissance
suchte er neue Lösungen, auch im Bereich der Kabbalah
und der zwielichtigen „Wissenschaften" (Alchemie) bis
zur Magie hin, ohne indes zufriedengestellt zu werden.
Der Freiraum für die Forschung sicherte er sich durch die
spätaverroistische Trennung zwischen den Bereichen der
Wissenschaft und der Religion, was freilich erhebliche
Abstriche an den herkömmlichen jüdischen Traditionen
erforderte, die ja alles Wissen aus der „Torah" ableiteten
. Kennzeichnend ist ferner eine Abkehr von aristotelischer
Intellekt- und Erkenntnislehre zugunsten einer
naturalistisch-funktionalistischen Auffassung und eine
gewisse pantheistische Tönung sowie die Bejahung der
„Ewigkeit der Welt". Zusammen mit der neuen wissenschaftlichen
Sicht der Natur zeichnet sich in Konturen
etwas vom kommenden Baruch Spinoza ab. Aber Delmedigo
sucht noch mit vorhandenen Mitteln die Fragen
zu beantworten, z. T., wie in der Spätrenaissance üblich,
auch mit platonisierenden und kabbalistischen Vorstellungen
.
Die schwierige Frage, wie Delmedigo zur Kabbalah
wirklich stand, erörtert Barzilay im fünften Teil (S. 223
bis 296). Ein sorgfältiger Vergleich aller Schriften ergibt
ein im Grunde strikt negatives Urteil über die Kabbalah,
die damals das religiöse Denken im Judentum fast völlig
beherrschte. Maßgebend war für Delmedigo die Vernunfterkenntnis
und der Wissenschaftsbegriff, die er auf
der aristotelisch-maimonidisch-averroistischen Basis und
im Kontakt mit der (vor allem astronomischen) Forschung
seiner Zeit sich angeeignet hatte. Dies vorausgesetzt
ergeben die verstreuten abfälligen Bemerkungen
über die Kabbalah, vor allem die zweideutigen rhetorischen
Fragen, Profil. Und wenn er oft kommentarlos neben
wissenschaftlichen Abschnitten kabbalistische Partien
brachte, dann sollte der Gegensatz wohl für sich