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Ausgabe:

1976

Spalte:

738-740

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Questions disputées d'Ancien Testament 1976

Rezensent:

Heller, Jan

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737

Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 10

738

Tom. III: Epistolaria. Vol. 1: Epistolarium Leningra-
diense, ed. by C. C. de Bruin. VIII, 165 S., 3 Taf. Tom. V:
Psalteria. Vol. 1: Heymans, J. G.: Het Psalter van
Leningrad, ed. XVI, 151 S. Leiden: Brill 1973/74 gr. 8°.
Lw. hfl. 56.-; 36.-; 36.-.

Die im Jahrgang 1973, S. 574—577, zuerst angezeigte Publikationsreihe
mittelalterlicher niederländischer Bibelübersetzungen
hat inzwischen mit dem Erscheinen von
drei weiteren Bänden ihre Fortsetzung gefunden. Sie enthalten
Bibeltexte verschiedener Art, die in der ersten
Hälfte des 14. Jhs. entstanden und die nach dem Zeugnis
ihres Dialekts aus dem Westflämischen stammen. Auch
sie gehören somit noch zu der Reihe der Bibelübersetzungen
, die im Umkreis der südniederländischen Mystik
des 13. und 14. Jhs. entstanden.

Mit dem Lectionarium Gruuthusianum wird nach dem
bereits angezeigten Lectionarium Amstelodamense ein
zweiter Text dieser Art publiziert. Damit stellt sich auch
die Frage nach den Beziehungen dieser Texte zueinander
. Die als Lectionarium Gruuthusianum bezeichnete
Brüsseler Handschrift stammt aus dem Besitz eines 1492
verstorbenen Brüggeschen Edelmanns Loys van Gruut-
huse und ist wahrscheinlich um 1400 geschrieben worden.
Nach Ausweis eines älteren Bruchstückes, das den gleichen
Text enthält, stammt die Ubersetzung jedoch schon
aus der Zeit um 1350. Sie kommt damit in räumliche und
zeitliche Nähe der westllämischen Handschrift von 1348,
die als Lectionarium Amstelodamense publiziert wurde.
Die Vermutung liegt nahe, daß in einem sehr begrenzten
Gebiet, vielleicht sogar in der Stadt Brügge, zu dieser
Zeit zwei zum Teil unabhängige Epistel- und Evangelienbücher
im Gebrauch waren. Offenbar enthielt jedoch
die Handschrift von 1348 einen älteren Text, dem
der Übersetzer des Lectionarium Gruuthusianum zu Beginn
und am Ende seines Werkes folgte, während er im
größeren Mittelteil seine eigenen Wege ging. Es besteht
jedoch auch die Möglichkeit, daß von einem Bearbeiter
unterschiedliche Texte verschiedener Herkunft zusammengestellt
wurden.

Von großer Bedeutung für die Text- und Sprachgeschichte
ist die Publikation der beiden wichtigsten Teile
einer mittelniederländischen Handschrift aus dem Anfang
des 14. Jhs., die von einem Onkel des Schriftstellers
Leo Tolstoi anläßlich einer Reise durch Flandern 1824/25
erworben wurde und heute in der Bibliothek der Akademie
der Wissenschaften zu Leningrad aufbewahrt wird.
Sie enthält das älteste niederländische Epistolarium und
die älteste vollständige niederländische Psalmenübersetzung
. Seit ihrer Entdeckung durch Willem de Vreese im
Jahre 1910 war diese wichtige Handschrift nur in Bruchstücken
veröffentlicht worden. Die ebenfalls in der Leningrader
Handschrift enthaltene älteste niederländische
Ubersetzung der Apokalypse ist später zur Veröffentlichung
in dieser Publikationsreihe vorgesehen.

Das Leningrader Epistolarium, das Bibelabschnitte aus
dem Alten Testament und — mit Ausnahme der Evangelien
— aus dem Neuen Testament enthält, ist die älteste
Handschrift einer im 14. Jh. in den südlichen Niederlanden
weitverbreiteten Ubersetzung. Eine Londoner und
eine Wiener Handschrift enthalten die gleiche Übersetzung
und sind in der Ausgabe durch Varianten berücksichtigt
. Diese Übersetzung ist auch enthalten in dem bereits
publizierten mittelniederländischen Neuen Testa-
ment (Series Maior II, I) sowie in einer Überarbeitung in
dem Lectionarium Amstelodamense (s. o.). In einer frühe-
'"en Studie hatte C. C. de Bruin unter Auswertung der
Materialien des ehemaligen Deutschen Bibelarchivs bereits
auf die Zusammenhänge mit frühen oberdeutschen
Epistelübersetzungen hingewiesen. Noch ungeklärt ist
die Frage, ob der Ursprung dieser Übersetzung auf deutschem
oder auf niederländischem Gebiet zu suchen ist.
Eine detaillierte vergleichende Untersuchung dieser frühen
Episteltexte steht jedoch noch aus. Unter Hinweis
auf eine ähnliche Uberlieferungslage bei den Evangelienharmonien
und den Psalmenübersetzungen neigt
der Herausgeber jedoch dazu, einen niederländischen
Ursprung anzunehmen.

Die Bedeutung des von J. G. Heymans herausgegebenen
Leningrader Psalteriums beruht darin, daß es die älteste
vollständige niederländische Psalmenübersetzung
enthält, die zu ihrer Zeit in den Niederlanden weit verbreitet
war und später über die Rheinlande nach Norddeutschland
gelangte. Über zahlreiche Zwischenstufen ist
dieser Psalter von Westflandern bis nach Lübeck und
Halberstadt zu verfolgen. Der niederländische Ursprung
dieser Ubersetzung kann hier allein schon aus chronologischen
Gründen als gesichert gelten. Allerdings sind
die Überlieferungswege im einzelnen noch nicht geklärt.
Neben dieser ersten Psalmenübersetzung gab es noch in
den Südniederlanden eine um 1360 entstandene Übersetzung
sowie in den Nordniederlanden eine um 1390 aus
dem Kreise der Brüder vom gemeinsamen Leben stammende
Ubersetzung. Ob der sog. Kölnische Psalter, der
in mehreren Handschriften des 15. Jhs. sowie im Kölner
Bibeldruck von ca. 1478 überliefert ist, allein auf diese
älteste südniederländische Psalmenübersetzung zurückführt
oder ob in ihn auch noch die genannten späteren
Stufen eingeflossen sind, bedarf noch näherer Untersuchung
. Die Edition dieses mittelniederländischen Psalters
ist demnach auch für die Geschichte der deutschen Bibelübersetzung
von großer Bedeutung, und es ist zu hoffen,
daß ihr auch die Ausgaben der späteren mittelniederländischen
Ubersetzungen bald folgen können.

Berlin Gerhard Ising

ALTES TESTAMENT

Brekelmans, C. [Hrsg.]: Questions disputecs d'Ancien Testament
. Methode et Theologie. Leuven: Leuven Uni-
versity Press; Gembloux: Duculot [1974]. 202 S. gr. 8°
= Bibliotheca Ephemeridum Theologicarum Lova-
niensium, XXXIII. bfr. 600.-.

Die Entstehung des Buches erklärt eine kurze, aber inhaltsreiche
Vorrede des Herausgebers. Das Buch enthält
die Arbeiten, die bei der 23. Tagung der Journees Bibli-
ques (2.-25. April 1972) in Löwen (Belgien) vorgelegt wurden
. Das Organisationskomitee hat diese Tagung so vorbereitet
, daß man absichtlich diejenigen Forscher eingeladen
und um einen Beitrag gebeten hat, von de/ien man
wußte, daß sie sich untereinander in bezug auf ein wichtiges
aktuelles Problem des AT unterscheiden. Das Ergebnis
ist wirklich interessant. Die Tagung befaßte sich
mit drei Themen: An der Problematik der philologischen
und textkritischen Methode orientierte sich die Auseinandersetzung
von M. Dahood, J. Barr und J. F. A.
Sawyer. Den Schwerpunkt der Tagung bildeten die Beiträge
, die sich mit dem Begriff des Bundes (berit) befaßten
. Sie stammen von E. Kutsch, D. J. McCarthy, P. A.
H. de Boer, L. Dequeker, P. Buis und R. Martin-Achard.
Das dritte Thema war die Weisheitsliteratur.
Die zwei Beiträge zu diesem Thema legten H. D. Preuß
und J. Levcque vor. Am Ende der Vorrede entschuldigt
sich der Herausgeber, daß es nicht möglich war, auch die
sehr lebendige Diskussion im Buch zu veröffentlichen. —
Nun zu einzelnen Beiträgen:

1. M. Dahood (Roma): „Northwest Semitic texts and
textual criticism of the Hebrew Bible". In der Frage nach
seiner Methode zitiert Dahood bejahend eine trefflich zusammenfassende
Äußerung von F. I. Andersen: „Dahood
approaches the text as if an ancient hymnbook had been
dug out of the foundalions of Solomon's temple. applying