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1976

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Kirchengeschichte: Allgemeines

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zuerst in seinen vielfältigen theologiegesehichtliehen
Zusammenhang von der Aufklärung an (50 — 63) und
legt dann von der gegenwärtigen Forschungssituation
her Aufgabe, Möglichkeiten (also auch Grenzen) und
Methode historisch-kritischer Jesusforschung dar (63
bis 74). Einzusetzen hat sie bei der Tatsache des
Kreuzes; von da aus ist nach den Voraussetzungen dos
gewaltsamen Sterbens Jesu zurückzufragen (72 — 74).
In einem dritten Abschnitt umreißt D. die im engeren
Sinn theologische Problematik der Frage nach dem
historischen Jesus (74 — 89). Der Glaube der Christen-
heit gründet in der Verkündigung, nicht in der historischen
Jesusforschung; gleichwohl kann er an ihr
[licht uninteressiert sein.

Die klassische Rezension der Bultmannschon Theologie
des Neuen Testaments durch D. (90—128) 1 bat
ihren Platz in dem Sammelband nicht nur durch die
t heologiegeschiehtlieho Einordnung dieses Werkes und
die umfassende Auseinandersetzung mit dem Ansatz
und den Ergebnissen der existentialen Interpretation
(/.. B. in der Betonung des extra nos (1 19—121)), sondern
auch dadurch, daß sie zugleich D.s eigenes Verständnis
von Aufgabe, Methode und Grundlinien der
Theologie des Neuen Testaments skizziert. Daß der
Messiastitel in der Mitte des ältesten Kerygmas stand,
setzen die Paulusbriefe voraus und bestätigen die
Passionserzälilungen (105).

In seinem Beitrag zur Dankesga.be an R. Bultmann,
Esohatology and History in Light of the Qumran
Texts (129—145) u, geht D. insbesondere von den
inessianischen Vorstellungen der Qumrantexte aus und
hebt davon die urchristlichen Aussagen ab, die von der
Erfüllung der Erwartung in dem Messias Jesus bestimmt
sind. Daß auf ihn alle Titel gehäuft werden, ist
in Person und Auftreten des irdischen Jesus begründet.

Eine spezielle Frage, die sich im Zusammenhang
der Deutung des Todes Jesu durch Paulus stellt, be-
handelt D. dann in der Festschrift für Matthew Black 7:
The Atonement — An Adecjuate Keward Cor the
Akedah? (146—160). Nicht nur hinter Rom 8,32,
sondern auch hinter anderen Sätzen des Paulus stehe
der Gedanke, die Hingabe des Böhnes durch Gott vergelte
Abraham die ..Bindung" seines Sohnes Isaak.
Diese — bereits judenchristlieho — Bezugnahme auf
(len 22 gehe allerdings wohl nicht ihrerseits auf die
bekannten jüdischen Aqedah-Traditionen zurück, sondern
sei eher als eine unabhängige Parallele zu betrachten
(159).

In einem Nachwort (161—166)" setzt I). sich
schließlich mit Kritikern seiner geschichtlichen Kin-
ordnung des Christustitels speziell im ersten Aufsat/,
des Bandes auseinander. Er sieht sie u. a. bestätigt
durch die Tatsache, daß der Titel dort gebraucht wird,
wo Kreuzigung und Auferstehung Jesu als Heils-
ereignisse verkündet werden (166).

Dahls Aufsätze aus zwei Jahrzehnten fügen sich
von der durch ihn selbst aufgezeigten Mitte her in
eindrücklicher Weise zu einem geschlossenen Aussagen-
zusammenhang ineinander. Sie machen deutlich, <hiü
der Autor intensiv im Gespräch mit der neutestament-
lichen Theologie der Gegenwart ist und in ihm zugleich
unbeirrt und klar sein besonderes Wort zu sagen hat.

Balle (Saale) (ierliard Delling

1 Die meisten lleiträgc stellen (Ibersetzungen au« dem Deutschen dar,
mitunter (soviel ich bemerkt halte) in etwas freierer Wiedergabe, gelegentlich
auch mit leichten sachlichen Varianten. Die Mteraturangaben
sind technisch umgestellt und ■/.. T. ergänzt.

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• Aus: H. Kistow — K. Matthlae (Hrsg.). Der historische Jesus und
der kerygmatisehe Christus, Herlin lnwi, 14«—1611.

' Studia Paulina, Haarlem 195,1, 83—95.

4 C. E. Braaten — R. A. Harrisvllle (Hrsg.), Eerygm» und History,
1982.

' ThR NF 22, 1954, 83—95.

• Zeit und Geschichte, Tübingen 1964, 3—18.

' Neotestivmentlca et Memitlca, Edinburgh 1969, 15—29.

• Die Anmerkungen folgen 167—190.

KIRCHENGESCHICHTE: ALLGEMEINES

Kunzelmann, Adalberto, OSA: Geschichte der deutschen
Augustiner-Eremiten. VI: Die bayerische Provinz vom
Beginn der Neuzeit bis zur Säkularisation. Wiirzburg:
Augustinus-Verlag 1975. XI, 419 S. 8° — Cassioiaeum,
hrsg. v. A. Kunzelmann U. A. Zumkeller, XXVI. DU
114,50.

Unermüdlich arbeitete A. Kunzelmann an Beiner
Geschichte der deutschen Augustiner-Eremiten, bis
ihm der Tod am 5. August 1975 die Feder aus der
Hand nahm. 1969 erschien der erste Teil, 1975 bereits
der sechste, wiederum ein stattlicher Bund von 430
Seiten. Der Tenor dieses Teiles ist ein ganz anderer als
der der ersten fünf Teile. Dort wurde große, aufsteigende
Geschichte berichtet, groß selbst noch in der Katastrophe
des Ordens in der Keformationszeit, die den
Untergang der sächsischen Provinz brachte. In diesem
Band wird die tiefe Erschöpfung geschildert, in die der
Orden, ja die ganze katholische Kirche in Deutschland
geraten war. K. berichtet in diesem Bund von dem
Geschick der bayerischen Provinz in der Zeit von
1500 bis 1802/03, als die Säkularisation sie auslöschte.
Die Zeit der völligen Erschöpfung dauerte bis etwa
1580; es ging stückweise immer mehr abwärts. Auch
ohne Druck von außen leerten sich die Konvente, weil
es keinen Nachwuchs mehr gab. Bei den Welt priest ein
war es nicht anders: Die Pfarreien konnten nicht mehr
besetzt werden, weil es keine Priester mehr gab, und
die wenigen, die noch kamen, zeigten einen so geringen
Bildungsstand, daß es bei ihnen kaum mehr zum Lesen
und Schreiben reichte. Die bayerische Provinz kam
bis an den Band des Untergangs. So große und einflußreiche
Konvente wie der in Nürnberg waren schon
1525 aufgelöst. In München hat wohl nur die starke

Hand der bayerischen Herzöge eine völlige Auflösung
verhindert . Auf dem Kapitel der Keformkongregat ion
zu Gotha im Jahre 1515 war Wenzeslaus Link zum
Prior von München bestellt worden; mit ihm drang
der neue Geist auch in diesen Konvent ein. Im Jahre
1490 hatte das Kloster München 32 Möncho, 1522
bleiben noch sieben übrig, um 1550 waren es noch drei
alte, ungelehrte Mönche ohne jede Ordensdisziplin. Es
mußten italienische Patres zu Hilfe geholt werden,
um das Kloster überhaupt halten zu können, In W ien
war es nicht anders: Auch hier sank die Zahl der
Mönche immer stärker; 1563 war kein einziger deutscher
Mönch mehr im Kloster; es bestand aus vier
italienischen Patres. In der Zeit von 1384 bis 1525
hatte der Orden sieben Professoren für die theologische
Fakultät Wien gestellt, von 1525 bis 1605 keinen einzigen
.

Aus diesen Tatsachen versteht mau, warum die
Klöster in den katholisch gebliebenen Landen nicht in
die durch die Beformation gefährdeten Klöster im
Norden Hilf«! sandten: Sio waren dazu gar nicht
imstande, da sie selbst um ihre Existenz rangen.
Von 1551—1556 gab es überhaupt keinen Provinzial in
der bayerischen Provinz, dann mußten bis 1630 Ausländer
dieses Amt übelnehmen. Erst am End« des 1(1.

Theologische Litoraturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 9