Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1976

Titel/Untertitel:

Altes Testament

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3, Seite 4

Download Scan:

PDF

655

Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 9

056

vierzehn Beiträge würde den Rahmen dieser Besprechung
Übersoll reiten. Wir beschränken uns daher auf
kurze Bemerkungen zum Inhalt dieses üboraus instruktiven
Buches.

Außer einem Spezialbeitrag über „Name und Manifestation
Gottes in Indien" (S. 50 ff.), der die besondere
Vielschichtigkeit des Phänomens der Namenvielfalt in
Indien in eindrucksvoller Weise dokumentiert, hat der
Herausgeber H. v. Stietencron in einem Vorwort
sehr bemerkenswerte Grundsätze geäußert zum Verständnis
und zur Rechtfertigung der vielfach sowohl
von theologischer wie auch von philologischer Seite
angefochtenen Praxis der Religionswissenschaft, dio
notwendigerweise auf die Verwertung von Forschungsergebnissen
anderer Disziplinen angewiesen ist. B.
Gladigow's Beitrag „Götternamen und Name Gottes"
(S. 13 ff.) leidet unter einer Unsumme von Fach- und
Fremdworten. Der Name erscheint hier als Mittel der
Zitation der Gottheit selbst, und dio Mannigfaltigkeit
der Namen drückt die geglaubte Machtfülle der Gottheit
nus. S. 22 erwähnt der Verf. die römische evocatio
und kritisiert, daß ich diese Praxis für meine Tolcrauz-
idee in Anspruch nehme. Er mißversteht, daß ich nicht
die evocatio als solche für tolerant halte, sondern die
in der Evokations-Formel den herausgerufenen fremden
Göttern angebotene Errichtung von Heiligtümern in
Rom. H. Brunner „Name und Namen und Namen-
losigkeit Gottes im Alten Ägypten" (S. 33 ff.) betont dio
Doppelnatur des Namens Gottes, zu offenbaren und zu
verhüllen. Den „Namen Gottes in religiösen Strömungen
des alten China" behandelt (S. 66 ff.) W. Eichhorn .
Dem Phänomenbereich der biblischen Religionen sind
mehrere Beiträge gewidmet: H. Gese „Der Name
Gottes im Alten Testament" (S. 75 ff.) zeigt, daß dio
Offenbarung des Gottesnamens eine zentrale Tradition
in Altisrael bildete und der Selbsterschließung Jahves
dient. „Die christologischen Hoheitstitel im Urchristentum
" (S. 90 ff.) erörtert M. Hengel, und H.
Cancik spricht in seinem Aufsatz „Christus Imperator
" (S. 11 2ff.) von der Übertragung römischer Militärtitulaturen
auf Christus. A. ItöIiiig erörtert den
„Namen Gottes im Gnostizismus und Manichäismus"
(S. 1 31 ff.) und J. van Ess den „Namen Gottes im
Islam" (S. 156 ff.) u.a. die 99 Namen Allahs im islamischen
Rosenkranz. In dem Beitrag von W. Kasper
„Namen und Wesen Gottes" (S. 176 ff.) handelt es sich
um Problem und Möglichkeit theologischen Sprechens
von Gott. Von P. Beyerhaus stammt der Aufsatz
„Der Name Gottes in den afrikanischen Sprachen und
das Problem der missionarischen Übersetzung" (S.
191 ff.). M. S. Laubscher erörtert „Gottesnamen in
indonesischen, vorzugsweise ostindonesischen Stammesgebieten
" (S. 209 ff.), und J. Simon spricht über das
Thema: „Vom Namen Gottes zum Begriff" (S. 230 ff.).

Dieses Buch, das aus Vorträgen einer religionswissenschaftlichen
Ringvorlesung an der Universität
Tübingen besteht, zeigt in eindrucksvoller Weise die
Vielschichtigkeit des Phänomens des Namens Gottes
in der Religionswelt.

Bonn Gustav Mensehing

ALTES TESTAMENT

l,i ml Moni, Johannes: Erwägungen zur Herkunft der josia-
nischen Tempelurknnde. Lund: Gleerup [1971]. H2 S.
gr. 8° = Scripta Minora. Regiae Societatis Humaniorum
Litterarum Lundensis. Studier utg. av Kungl. Humanis-
tiska Vetenskapssamfnndet i Lund 1970—1971: 3.

Wenn ein so anerkannter und hoch geschätzter
Forscher und Universitätslehrer wie J. Lindhlom es
unternimmt, in seinem 90. Lebensjahr der Fachwelt
eine neue wissenschaftliche Arbeit vorzulegen, so darf
man annehmen, daß es um ein herausragendes und
zugloich schwieriges Problem oder eine Fragestellung
aus den speziellen Forschungsbereichen Lindbloms
geht. Boido Gesichtspunkte treffen bei der vorliegenden
Monographie zusammen: Gehört die Frage nach der
Entstehung des Deuteronomiums bzw. des dtn. Gesetzbuches
zu den zentralen, noch immer nicht eindeutig
beantworteten Themen alttestamentlicher Forschung,
so bringt Lindblom als vorzüglicher Konner des israelitischen
Prophotismus besonders gute Voraussetzungen
mit für eine gründliche Auseinandersetzung mit der
vielfach aufgestellten These, daß bei der Entstehung
des Dtn prophetischo Kreise mitgewirkt hätten und
daß dio Verfasser des dtn. Gesetzbuches prophetische
Gedanken und Interessen vertreten hätten. Der Vf.
lehnt diese Auffassung nach eingehender Überprüfung
ab. Statt dessen gelang! er zu dem Ergebnis, daß die
Verfasser der unter König Josia im Jerusalemer
Tempel aufgefundenen Urkunde „unter den an die
alte zadokitischo Priesterschaft in Jerusalem angeschlossenen
, früher im Lando ohne priosterlicho Anstellung
lebenden Lcvijjim, Angehörigen dos Stammes
Levi, zu suchen sind" (S. 73). Dabei wird besonders
darauf verwiesen, daß diese Leviten, zu denen auch
nach dem Untergang des Nordroiches Israel nach
Jerusalem gekommene levitische Gruppen gehöreil,
Träger einer von der Verkündigung der Propheten
beeinflußten Volksfrömmigkeit gewesen sein dürfton.

Lindblom nimmt an, daß die Schrift, die nach
2Kön 22—23 bei der Restaurierung des Jerusalemcr
Tempels aufgefunden und für die weitere Refdrm
Josias maßgebend wurde, zwar nicht mit dem dtn.
Gesetzbuch identisch ist, sich jedoch mit dessen Hauptinhalt
deckt. Als Abfassungszoit glaubt er die ersten
Jahrzehnte der Regierungszeit König Manasses in
Anspruch nehmen zu dürfen, wobei er davon ausgehl,
daß die kultischen und religiösen Mißstände, gegen die
dio Schrift polemisiert, gut den Verhältnissen dieser
Epoche entsprechen. Dio Urkunde wurde so als Programm
für eine tiefgreifende religiöse Erneuerung ausgearbeitet
, die nach Auffassung der levitischon Verfasser
notwendig war, „damit nicht durch den religiösen
Verfall während der Regierung Manasses dio südliche
Volkshälfte Israels dasselbe Strafgericht auf sich zöge
wie das, welches das Nordreich eben durchgemacht
hatte" (S. 75). Wenn sie dennoch nicht sogleich an die
Öffentlichkeit gebracht, sondern im Tempel aufbewahrt
wurde, so dürfte das nach Ansicht Lindbloms vor
allem darin seinen Grund haben, daß eine so polemische
und radikale Reformschrift während der unter Manasso
herrschenden Verhältnisse nicht veröffentlicht werden
konnte; zugleich hing das aber wohl auch mit dem
Anspruch der Schrift, eine authentische Mosorodo zu
sein, zusammen, zu dessen Unterstützung dio Fiktion,
daß dio Schrift jahrhundertelang im Tempel gelegen
habe, dienen sollte.

Die Darlegungen von J. Lindblom werden durch
einen aus der Feder von O. Eißfcldt stammenden
Zusatz, der die levitischon Traditionen in Gen 34
und Gen 49; Dtn 33 sowie in l!i 17- IH und Iii 19-21
behandelt, abgeschlossen (S. 76—79).

Zu diesem Zusatz sowie den damit in Verbindung
stehenden Überlegungen Lindbloms erheben sieh zwei
Fragen:

1. So richtig die Feststellung ist, daß der Stamm
Levi bereits im 14. Jh. v. Chr. um Sichern ansässig zu