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Ausgabe: | 1976 |
Spalte: | 595-597 |
Kategorie: | Kirchengeschichte: Neuzeit |
Autor/Hrsg.: | Austad, Torleiv |
Titel/Untertitel: | Kirkens Grunn 1976 |
Rezensent: | Søe, Niels H. |
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Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 197t> Nr. 8
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foth (Schwerin) um einen Vortrag geheten" worden (S. 75).
In der Darstellung von Paul Fleisch „Für Kirche und Bekennt
nis" 1956 wurde auf S. 8 der „nüchterne Münkel" besonders
gewürdigt. Vor allem Münkeis publizistische Tätigkeit durch
22 Jahre hindurch gibt ihm Bedeutung über die Regionnl-
geschichte hinaus. An den Nachrichten des ersten Halbjahres
zeigt S. die Weiträumigkeit der Berichterstattung: „Der Kampf
in Schweden mit der Erweckung in Dalekarlien; lutherischer
Bekenntnisstand in Baden; Vereine und Kirchen in Holland;
Pius IX. und die Waldensergcmeinden in Italien; österrei-
«hisches Konkordat vom 18. August 1855; Dänemark in der
Auseinandersetzung mit Grundtvig und Kierkegaard; deutsch-
katholischer Prediger Rau in Mannheim; Bericht von der Missouri
-Synode .. ." (S. 53). Das letztgenannte Stichwort hat
durchgehende Bedeutung: Münkel sah kritisch Schäden in seiner
Landeskirche. „Münkel hätte aus der Landeskirche ausscheren
und wie der tüchtige Friedrich Wyneken, der Verdenor
Pastorcnsohn, ein Missourier werden können. Und in der Tat
war er alles andere als ein lauer Mann und hätte Eifer genug
besessen, den von der Immanuelsynode vertretenen Funda-
mentalismus den systemhörigen Leisetretern und Vermittlern
gegenüber entschieden zu verfechten" (S. 75—76). Aber Münkel
hat der Separation grundsätzlich widersprochen (S. 78.f).
S. überschreibt das Kapitel 7 „Die Kirche, in der wir leben".
Dabei ist mit Kirche die Landeskirche gemeint, die eindeutig
den einzelnen Gemeinden vorgeordnet bleiben muß (S. 81).
Im Jahre 1866 erlebte Münkel die Annexion Hannovers
durch Preußen mit. Offenbar hat er, der überzeugte Lutheraner
, keine Sorge vor einer zwangsmäßigen Einführung der
Union in Hannover gehabt: „Die gesetzmäßige Verfassung
hat ihre schirmende Hand über uns ausgestreckt', schreibt er
im Hinblick auf die neue preußische Obrigkeit; „wir können
nicht anders liniert werden als mit unserem eigensten freien
Willen" (S. 55—56). Andere Hannoveraner nahmen ihm diese
Haltung übel und warfen dem „hannoverschen Hengstenberg"
vor, daß er „seine Hoffnungen lediglich auf die Gerechtigkeit
des Königs von Preußen setzte" (S. 57). Freilich änderte sich
dann die Stimmung in Hannover rasch zugunsten von Preußen
(S. 63). Im Krieg 1870/71 warnt Münkel: „Die Gefahr
liegt nur zu nahe, ein fremdes Feuer auf dem Altar des Herrn
zu bringen und aus einem Diener Gottes ein Mundstück der
Politik zu machen" (S. 64). Münkel warnt au» politischem
Weitblick: „ . . . dieser Krieg führt nicht zu einem dauernden
Frieden, sondern weissagt noch viele folgende . . . All das
Elend, das uns die Belagerungen und Schlachten so erschütternd
vorgehalten haben, wird nur eine Zeitlang ruhen, um
danach wieder mit gieriger Lust in den Eingeweiden der Völker
zu wühlen" (S. 64—65). Münkel sieht aber mit Sorge auch
auf die Konsequenzen im kirchlichen Raum: „Die auf den
Stufen preußischer Größe zu einer gewaltigen Nationalkirche
emporsteigen wollen, vergessen, daß man zur Kirche wohl
abwärts, aber nicht aufwärts steigt" (S. 64). Auch zur sozialen
Frage hat sich Münkel in seinem Neuen Zeitblatt deutlich
geäußert: „Das Jahr 1878 ist wie das Jahr der beginnenden
Abrechnung, welche die Verluste dem Guthaben furchtbar
gegenüberstellt und eine gründliche Änderung der Wirtschaft
fordert" (S. 71). Münkel begrüßte die Bemühungen von Wichern
und Stöcker; Münkel scheute sich auch nicht, aus einer
Reichstagsredc von Bebel einen Absatz in sein Zeitblatt zu
übernehmen (S. 71). S. nennt ihn abschließend „sozialkritiseh
und orthodox auf seine eigene Weise ... ein großer und darum
einsamer Einzelgänger" (S. 86). Das Lebensbild ist so geschrieben
, daß man es mit Spannung liest. Dem Autor ist zu danken
dafür, daß er auf diesen weithin vergessenen Theologen des
19. Jh. erneut aufmerksam gemacht hat.
Rostock Gert Haendler
Auslad, Torleiv: Kirkens Grunn. Analyse av en kirkelig bek-
jennelse fra okkupasjonstiden 1940-45. (Der Grund der
Kirche, Analyse eines kirchlichen Bekenntnisses der Besatzungszeit
1940—45). Mit einer kurzen deutschsprachigen
Zusammenfassung. Oslo: Luther Forlag [1974]. 265 S. gr. »°.
Der Verfasser, geb. 1937, ist leitender Lektor an der theologischen
Gemcindefakultät in Oslo. Das Buch gibt eine gründliche
Analyse der für den kirchlichen Kampf gegen den Nazismus
und die nazistische Kirchcnleitung so bedeutsamen Be-
kcnnlnissrhrift „Kirkens Grunn", verfaßt unmittelbar vor
Ostern 19V2, ein Bekenntnis, das mit wenigen Ausnahmen von
dem gesamten norwegischen Kirchenvolk angenommen wurde
und eigentlich selbstverständlich und somit direkt zu einer
Amtsniederlegung nahezu der ganzen Pfarrschaft führte. Das
bedeutete aber keinen Austritt aus der Volkskirehe. Man
wußte sich kraft der Ordination verpflichtet, geistig und geistlich
in den Gemeinden weiterzuwirken. Nur die juristische
und damit auch die finanzielle Verbindung mit der politischen
Kirchcnleitung wurde abgebrochen. Man dachte gar nicht daran
, eine neue „freie" Kirche zu organisieren.
Dieser Schritt hat keine Parallele in den sonstigen Kirchen
iu den nazistisch regierten Ländern. Unmittelbar vergleicht
man, wie es auch Vf. tut, mit dem Banner Bekenntnis. Beide
waren von der damaligen Situation bestimmt. Trotzdem war
aber der Hintergrund ganz verschieden. In Norwegen ging
es nicht um einen Kampf gegen eine Irrlehre, sondern um das
Hecht der Kirche, ihr gottgegebenes Amt als Wächter de»
Hechts im breiten Sinn und als Verkündiger des Evangeliums
unbehindert von der Staatsmacht zu verwalten. Und da die
norwegische Kirche trotz aller Unterschiede in der theologischen
Auffassaug einmütig wünschte, der lutherischen Tradition
treu zu bleiben, drehte sich die eigentliche Hauptfrage um
das rechte Verständnis der lutherischen Lehre von den beiden
Regimenten, den beiden Heichen. Oder anders ausgedrückt:
Was ist, biblisch-lutherisch verstanden, der usus civils legis?
Gibt es ein in und mit der Schöpfung gegebenes, unverletzbares
Naturrecht? Und ist es christliche Pflicht der Kirche,
dieses Recht zu verteidigen, wenn notwendig, auch dem Staate
gegenüber? Oder würde s o etwas ein unerlaubtes Eingreifen
in das „weltliche Regiment" bedeuten? Es handelt sich somit
vor allem um das richtige Verständnis des ersten Glaubensartikels
, während Fragen der Christologie nahezu ganz ausfallen
.
Das Ergebnis war, wie auch in früheren kirchlichen Erklärungen
, vor allem eine „premernoria" der Bischöfe vom 29. Januar
1941, eine theologisch interpretierte Nnturrechlslehre.
Man versuchte so eng wie möglich sich au die Conf. Aug.
(Art. XVI) zu halten, unterstrich aber so stark den Hinweis
auf Ac t. 5,29, daß man fragen muß. ob vor allem die Bischöfe
nicht ihr eigenes Verständnis des Hechlsslaates in die Conf.
Aug. hineingelegt haben. E. Molland, Professor der Kirchengeschichte
an der Universität, hat dann auch sagen können,
die Kirchenleiter seien „wunderbar unluthcrisch" gewesen,
während die meisten nur von „einer anderen Akzentuierung"
als zur Zeit der Heformation reden wollten. Lutherisch wollte
man jedenfalls bleiben, auch weil man darauf verweisen
konnte, daß das „Grundgesetz" des norwegischen Staates das
Luthertum als Grundlage für das staatliche Leben festlegte.
Sehr wichtig war die Frage, ob die Erziehung der Kinder
eine Sache der Eltern sei oder ob der Staat hier entscheiden
solle. Die Quisling-Regierung hatte eben festgestellt, daß Knaben
und Mädchen im Alter von 10 bis 18 Jahren einer Art
Hitler-Jugend einverleibt sein sollten. Gegen dieses Gesetz
protestierte „Kirkens Grunn" und behauptete, daß das richtig
verstandene Nalurrcchl den Eltern die Verantwortung für ihre
Kinder gibt. Die Kindertaufe ist ein Ja zu einer Erziehung,
die Sache der ganzen Kirche in Verbindung mit der christlichen
Schule und dem christlichen Heim ist.
Hier wie in den meisten Fragen waren die Kirchenleitcr in
voller Übereinstimmung mit der entscheidenden Mehrheit der
Bevölkerung. Ein bißchen schwieriger war die Frage um die
Bedeutung der Ordination der Pfarrer. Iiier galt es die Selbständigkeit
der Kirche gegen weltlich-politische Übergriffe zu
verteidigen. Willkürlich den Dienern der Kirche ihr durch die
Ordination gegebenes Recht und ihre Pflicht zu rauhen, muß
die Kirche als einen „Hieb gegen den Altar" empfinden. Hier
spürt man vor allem die Auffassung des Ilnuptverfassers. Das
war der in ökumenischen Kreisen sehr bekannte Bischof zu