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Ausgabe:

1976

Spalte:

575-577

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Campbell, Antony F.

Titel/Untertitel:

The ark narrative, I Sam 4-6, 2 Sam 6 1976

Rezensent:

Weippert, Manfred

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Leider haflcn der Arbeit eine Reihe von Mängeln an. Neben
einer Vielzahl von Druckfehlern und anderen Ungenauigkeiten
ist das eine fehlerhafte Wiedergabe hebräischer Ausdrücke,
wie z. B. Kabod Jahwe (richtig: Kebod Jahwe oder Kabod
Jahwes), eine unzutreffende Schreibweise wissenschaftlicher
Begriffe, so vor allem Amphiktionie (richtig: Amphiktyonie),
sowie Grammatisches und Stilistisches, endlich Terminologisches
aus dem Gebiet der hebräischen Sprachwissenschaft, wie
Präfixkonjugalion (richtig: Präformativkonj. oder tempus
praeformativum)2. Diese Feststellungen mindern jedoch in
keiner Weise den sachlichen Wert des Buches.

Leipzig Wolfram Hcrrmann

* Zu nennen sind die folgenden Titel: W. Zimmerli, Zur Sprnclie Trito
jesajas, Festschrift für L. Köhler, 1950, 62—74 (= Schweizerische Theologische
Umschau 20, 1950, 110 his 122 = Gesammelte Aufsätze, 1963, 217
bis 233); 0. Eißfeldt, Einleitung in das AT, 3. Aufl. 1964, 464) j W. Keßler,
Studie zur religiösen Situation im ersten nachexilischen Jahrhundert und
zur Auslegung von Jesaja 56—66, Wiss. Ztschr. d. Murtin-I.uther-Univ.
Halle-Willenberg, Ges. U. sprachwiss. Reihe VI, 1956/57, 41—73 (darüber
vorher Kurzreferat in ThLZ 81, 1956, &35-3.18) ; ders., Gott geht es um
das Ganze — Jesaja 56-66 und Jesaja 24-27, Die Botschaft des AT, 1960;
D. Michel, Zur Eigenart Tritojesajas, IhV 10, 1965/66, 213-230; II.-J.
Kraus, Die ausgebliebene Endtheophanie — eine Studie zu Jes 56—66,
ZAW 78, 1966, 317—332; C. Westermann, Das Buch Jesaja, Kapitel 40
his 66, Das AT Deutsch 1966 (1968), ins Englische übertragen: Isaiah 40
to 66 — A Commentary, 1969; G. Wallis, Gott und seine Gemeinde —
eino Betrachtung zum Tritojcsaja-Buch, ThZ 27, 1971, 182-200.

I Ein Versehen eigener Art: Der in Fußnote 541 (S. 156) sich findende
Hinweis auf Conrad, Zu Jes 64,3h, ZAW 80, 1968, 232-234, gehört mit
dem berichtigten Tilcl „Zu Jes 65,3b" zur Fußnote 603 (S. 178).

Campbell, Antony F.: The Ark Narrativc (1 Sani 4—6;
2 Sam 8). A form-crilical and traditio-historical Study. Mis-
soula, !i<ntana/USA: Scholars' Press and Society of Bibli-
cal Literature 1975. VII, 282 S. 8° = Dissertation Series, 10.
Campbeils neues Buch über die „Ladegeschichte" — eine
Dissertation der Claremont Graduate School — reiht sich unter
die zahlreichen Arbeiten ein, die Leonhard Rosts Studie „Die
Überlieferung von der Thronnachfolgc Davids" (BWANT III 6
[Stuttgart 1926]; Neudruck in: Das kleine Credo und andere
Studien zum Allen Testament [Heidelberg 1965], S. 119—253)
positiv weiterführen. Nach Bost bildeten die Erzählungen in
l Sam 4, 1b—7,1 und 2 Sam 6,1—23 ursprünglich eine zusammengehörige
„Ladegeschichte", die als Iiieros Logos des neuen
Jerusalciner Heiligtums über den Verlust der früher unter der
Obhut der Eliden im Tempel von Silo stehenden Lade Jahwes
au die Philister (1 Sam 4), ihre verheerende Wirkung im Phi-
listerland und ihre Rücksendung zu den Israeliten (1 Sam 5,
1—7,1) berichtet und mit der Einholung der Lade nach Jerusalem
durch David (2 Sam 6) schließt. Diese Interpretation
fand prominente Anhänger, von denen hier nur M. Noth und
G. v. Bad genannt seien (vgl. C[ampbell] S. 30 mit Anm. 5f.);
aber auch der Widerspruch ließ nicht lange auf sich warten.
Kurz nach dem Erscheinen der Arbeit Rosts erhob O. Eißfcldt
Einwände (OLZ 3ü, 1927 Sp. 657-664; 31,1928 Sp. 801-812),
und aus neuester Zeit ist vor allem die Behandlung der Lade-
erzählungen bei H. .1. Stocbe (Das erste Buch Samuelis, KAT5
8:1, Gütersloh 1973, S. 127-166) zu nennen. Gründlich referiert
der Vf. in seinem 1. Kapitel die Entwicklung dieser
Diskussion und greift dabei — beginnend mit Hugo Grotius
(1679) und Augustin Calmet (1711) — auch auf Äußerungen
und Arbeiten zum Thema zurück, die vor Rosts Studie von
1920 erschienen sind (C. S. 6—54).

Es ist ein mutiges Unterfangen, ein so oft und gründlich erörtertes
Thema (vgl. die Bibliographie, C. S. 265—282) neu
aufzugreifen; doch dürfte es C. dank seiner pointierten — damit
aber auch einseitigen — Fragestellung gelungen sein, zumindest
einen Schritt über die Krgebnisse Rosts hinauszuge-
l.ingen. Sein methodisches Programm (CS. 1—6) betont besonders
die Formkritik, definiert als Frage nach Gattung
, Entstchungssituation, Intention und Struktur der Ein-
zeltexle und des Gesamtzusammenhangs der Ladegeschichte,
und die Traditionsgeschichte, die sich vor allem
mit der altorientalischen Verankerung und mit der Nachge-
schichlc der Ladeerzählung und ihrer Motive im Alten Testament
beschäftigt.

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Entsprechend dieser methodischen Gewichtsverteilung
nimmt die formkritische Analyse der Texte (2. Kapitel, C. S. 55
bis 178) in dem Buch einen breiten Raum ein. Die Texte werden
der Reihe nach nach dem schulmäßigen Schema Umfang
der Einheit — Textprobleme — Gliederung („strueture") des
Textes — Gattung — Enlstehungssituatiou (setting) — Intention
behandelt. Die Erwägungen zur Gesamtkomposition der Erzählung
suchen zunächst zu klären, welche Texte dem Verfasser
der Ladegeschichte schon vorgegeben waren und welche er
selbst geschaffen hat (zu letzteren rechnet C. 1 Sam 4,3—9.22;
5,1; 6,1 [.2—6]). Es folgt ein Oberblick über die Gliederung
(..strueture") der Erzählung (vgl. die Tabelle bei C. S. 164).
Bei der abschließenden literarkritischen Diskussion werden nur

1 Sam 4.18b und 6,15 als sekundär eingestuft.

Das kurze 3. Kapitel (C. S. 179—191) zieht altoricntalisches
Vergleichsmaterial für die beiden für C.s Argumentation
grundlegenden Motive „Exil der Götter" und „Kampf der
Götter für ihre Völker" (Analogien zum Aufenthalt der Lade
bei den Philistern und zu 1 Sam 5,2—5) heran. Die Behandlung
des ersteren Motivs, bei dem es um die theologische Bewältigung
des Verlusts von Göttern (Statuen, Symbolen) an den
Feind geht, hätte durch die Beizichung des sog. „Marduk-narü"
(besser: „Marduk-Prophetie") beträchtlich gewonnen. C. hätte
sich für seine Zwecke nur von den S. 187 Anm. 2 zitierten
Autoren leiten lassen müssen; eine neue Bearbeitung mit erheblich
vollständigerem Text, die seine Deutung auf eine feste
Grundlage stellt, hat nun R. Borger in BO 28 (1971), S. 3-24,
vorgelegt. (Beiläufig sei zu C. S. 187 bemerkt, daß die Marduk-
Slatue entgegen dem Eindruck, den die Ausführungen des Verfassers
vermitteln, von Xerxes nicht in Susa, sondern in Babylon
zerstört worden ist.)

Die theologischen Aspekte der Ladegeschichte behandelt C.
im 4. Kapitel (S. 193-210): Wie der Verlust der Lade an die
Philister in der Geschichte Jahwes mit seinem Volk ein Ende
setzt (Verwerfung der Eliden in Silo), so ihre Bückkehr zu den
Israeliten und ihre Einholung nach Jerusalem einen neuen
Anfang (Erwählung der Davididen in Jerusalem). Daß die
Periode Samuels und Sauls stillschweigend übergangen wird,
bedeutet eine Ablehnung dieser Geschichte (Indiz: die in

2 Sam 6 eingeschaltete Michal-Episode). Jahwes erneute Zuwendung
zu seinem Volk entwickelt sich nicht allmählich, etwa
in der Staatcnbildung; sie erfolgt gleichsam von außen, indem
Jahwe sich durch seinen Sieg über Dngon aus der Gefangenschaft
befreit, die Philister mit Plagen schlügt und zu den
Israeliten zurückkehrt. Diese Darstellung der Vorgänge rückt
nach C. die Ladegcschichtc struktural in die Nähe des Exodus-
Landnahme-Schemas.

Die tradilionsgeschichtlichcn Ausführungen des 5. Kapitels
(C. S. 211—246) beginnen mit einer Untersuchung des Verhältnisses
der Ladegeschichtc zu Ps 78, dessen Verse 59—72
nach C. in vielen Details, aber auch im Aufriß mit der Erzählung
von 1 Sam 4—6; 2 Sam 6 übereinstimmen; der Psalm
(spätsalomonisch) wird deshalb nur kurz nach der Ladegeschichte
(späldavidisch) datiert. Weniger stark ausgeprägte Bezüge
zur Ladeerzählung findet C. in Dtn 32, beim Jahwisten
und in den Psalmen 24 und 132.

Das 6. Kapitel (C. S. 247-261) faßt die Ergebnisse der Untersuchung
und die sich dauraus ergebenden Folgerungen zusammen
. Wie vor ihm Rost sucht auch C. die Verfasser der
Ladegeschichte in Kreisen der Jerusalemer Priesterschaft; doch
anders als Rost sieht er in ihnen Männer, deren Interesse über
ihr Kultobjekt, die Lade, hinausgreift, die am politischen Geschehen
Anteil nehmen und deren Denken geschichtsthcolo-
gische Konturen zeigt: ihr literarisches Werk, die Ladegcschichtc
, verbindet das Schicksal der Lade mit dem Ende und
dem Beginn einer Epoche und versteht dies als Jahwes freien
Willen zur Verwerfung wie Erwühhing seines Volkes. Ober
Rost hinaus ist die Ladegeschichtc deshalb nicht allein als
Hieras Logos des neuen Jerusalciner Heiligtums zu interpretieren
; sie gehört eher zur Gattung der „theologischen Erzählungen
".

Wenn die letzten Seiten des Schlußkapitels (C. S. 252-261)
fast ausschließlich der Auseinandersetzung mit Stoebcs Ver-

Theologische Literuturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 8