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Ausgabe:

1976

Spalte:

545-547

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Echternach, Helmut

Titel/Untertitel:

Die Lutherische Erbsündenlehre als ökumenische Verheißung 1976

Rezensent:

Bertinetti, Ilse

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Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 7

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die»« W'senszusa in menfassung wenig original ist, wäre gemessenere Übersetzung von peooatum originale, aber

natürlich kein Einwand (im Gegenteil). Aber auch Küng „Erbsünde" involviere klarer „das geschichtliche Mo-

lällt es leichter, den Kontrast zu malen, als auf diesem ment, die Einbettung des einzelnen in überpersönliclie

das Evangelium (zumal das von der ,Vergebung der und oft übermächtige Zusammenhänge" (S.5). Der Vf.

Bänden ) wirklich konkret deutlich zu machen („Bindet untersucht die Erbsündenlehre einmal auf ihre .Motive

der .Mensch sich allein an den einen wahren Gott, der mit und ihren sich in der lutherischen Sakrainentenlehre

keiner der endlichen Wirklichkeiten identisch ist, so niederschlagenden Ertrag hin (S.(J-(>8), zum anderen

wird er frei...", S.58L Worauf es letztlich ankommt, unter der Fragestellung ihrer ökumenischen Verheißung

ist: „daß einer, ob gesund oder krank ... an jenem Ver- (S.71-115), um abschließend die klassischen 1*5 Thesen

trauen unbeirrt and unerschüttert festhält, das wir mit .Martin Luthers, mit modernen Spraelunitteln umgesetzt

dem ganzen Neuen Testament den Glauben nennen", und auf die heutige Situation übertragen, darzubieten

8.582). (S. 95-105).

Aber noch eine andere Zusammenfassung gibt Küng Das Urmotiv für die Erbsündenlehre ist die Gottes-

seinem Buch - und deren Worte haken tiefer ein, so liebe bzw. ist das Niehthallenkönnen des Ersten Gebots,

leicht sie karikierbar und hanalisierbar sind: denn sie Die lutherische Kirche habe, indem sie beständig gegen

sprechen die wahre Einfalt und das tatsächliche Ärger- den Seniipelagianismus anging, trotz ihrer Entschei-

nis der (historisch authentischen) Verkündigung Jesu dung gegen Matthias Flacius lllyricus jede Erweichung

aus: Was ist es, „was die Nachfolge Jesu Christi ver- des Erbsündendogmas bekämpft. Der Mangel an Gottes-

andern kann und auch wirklich verändert hat überall liebe, der im Bewußtsein des jungen Luther eine SO ent-

dort, wo sie ernst genommen wird" ? (S. 582). Die christ- scheidende Holle spielte, und der mit der Erbsünde

liehe Botschaft gibt gewiß keine konkreten Anweisun- identisch ist, könne nur durch die anbetende Gemeinde

gen und Auskünfte, aber sie sagt einiges, was grund- als den Ort wahrer Gottesliebe kompensiert werden,

legend ist; sie schärft eine Gesinnung und Denkhaltung Diese Erkenntnis sei Luther nicht zugänglich gewesen,

•'in, nämlich, daß „Verzicht auf Kecht ohne Gegen- weil in seiner Vorstellungswelt der „Irrationalismus des

leistung nicht unbedingt eine Schande sein muß" späten Mittelalters, der sich bei ihm zum antiphilo-

(8.584), ebenso wenig, wenn jemand „seine Macht sopliischen Affekt steigerte", vorgeherrseht habe (S. 14).

gegenüber den Anderen nicht immer voll ausnützt'* Ebenso versperrt sei ihm, „wie seiner ganzen Zeit, der

(S.58(>) und daß „man sich nicht von den Gesetzen Blick für den eigentlichen und zentralen Ort liebender

des Prestiges und der Konkurrenz leiten läßt" (S.589). Gottesverehrung: für die Liturgie" gewesen (ebd.).

Man muß dies im Kontext der genannten lokalen l'ro- Infolge dieses bewußtseins- und erkenntn»»mäßigen

Werne (BRD) sowie, der ganzen skizzierten heutigen Mangels blieb nach Echternach der Grundinipuls der

Weltsituation nachlesen - abstrakt zitiert bleibt es aber Reformation unerfüllt. Dem Urmotiv fehlender Gnttcs-

Wahrselieinlieh noch am wenigsten widersprochen. liebe wird noch ein Paramotiv, der gebundene Wille, zur

Der Gesatuteindruek an diesem Buch ist Freude über Seite gestellt. Luther war nach Echternach in seinem

die Offenheit und Ehrlichkeit, mit der man das Wesen Streit um Erasmus zum Kampf „für die Ehre Gottes

der christliehen Verkündigung zeitgemäß und doch ganz gegen die sich selbst vergotten wollende und diese Ab-

entgegen zeitgemäßer Mode und Opportunität zur Gel sieht hinter einer Entscheidungsfreiheit sorgsam tarnen-

fcUng gebracht empfindet. den Hvbris des Menschen" angetreten (N.20). Die luthe-

riaehe Lehre von der Unfreiheit des Willens wird von

1Mtm** hier aus nach den verschiedensten Gesichtspunkten hin
untersucht.

Interessant dürfte folgender Gesichtspunkt sein, den

pj. ..... ... der Vf. mit einem besonderen Akzent versieht: Luther

k„T l v"u •« "I T r ^ m.'-i n " t»t recht daran, ill der frage der Willensfreiheit konse

'•KiiiurniM-li<- VVrhriltiiiiu. Amsterdam: Kodoni Ith.f. III. . t,r.. • :., ,■ ... ,

Io.-jS. s |,|| |o quellt die .Möglichkeit eines quantitativen Zugestand

nisses abzulehnen. ..Die quantitative Anthropologie des

Die Studie beginnt mit der Feststellung, dal! die Krage Erasmus wird sich in der Neuzeit fortsetzen in der Auf-

d('r Erbsünde in ihrer zentralen Bedeutung heute mehr splitterung des Menschen in Akte, Strebungeu, ,Kom-

TOn i|(.r katholischen als von der evangelischen Theo- plexe', Erbfaktoren usw., wird ihn versachlichen, ent-

JWe beachtet wird. Der Verfasser will dazu anregen, daß menschlichen und verantwortungslos machen; Luthers

'interkonfessionelle Debatte, die sich vor einem Jahr- Kinheitsschau wahrt seine Verantwortlichkeit und da-

^'■lnit noch vorwiegend um das Aintsverständnis, die mit seine Humanitas" (8.26). Ein weiteres Motiv der

' ftkramentenlehre und andere Einzelproblenie bewegte, Erbsündenlehre ist nach Echternach die Ganzheitsschau

£ni sich dann mehr und mehr auf die sozialpolitische des Menschen, ist der totus homo. Wenn sich auch ludi-

^'"me zu verlagern, heute wieder stärker auf die echte vidualismus und Gerecht igkeitsejnpfinden gegen die

^•Jiitroverse und ihre Überwindung orientieren sollte. Erbsündenlehre auflehnen, so war es doch nur folge-

Y.ach dem Abklingen der Luther-Renaissance, die bis in richtig, wenn Luther gegen Ockham „Fonies est ipsuni

.le vierziger Jahre geherrscht hat, sei evangelisc herseits peccatum" formulierte und den Sehuldcharakter der

fU» Offenl< undiger „Rückschlag" eingetreten, der darauf Erbsünde betonte. Luther habe dabei immer das Opfer

."nzudeuten scheine, daß „die evangelische Theologie Christi im IMickfeld behalten und keine Versuche unter

''i'eiii Reformator kritischer gegenüber (steht) als die nominell, die Frage von Schuld und Sühne rational zu

Katho|jMC]le" (8,2f.), erklären. Luthers Anthropologie verfolgt außerdem eine

'''''hternaeh setzt sich mit dem Krbsündenpmblem Linie, die den totus homo in seiner ..dreifachen theo

[.''•dialb so intensiv auseinander, weil es Luthers persön- zentrischen Totalität - ganzer Anspruch, ganze Schuld,

'•'he Anfechtungen waren, aus denen die Reformation ganze Gnade" sah (S.33). Somit ist für ihn das ganze

"'«■vorging. „Alles andere waren nur auslösende Ur- Sein <les Menschen ein Sein von, vor und zu Gott.

: Tetzeis Ablaßpredigt, die geistige und kirchliche Neben den genannten, die Krbsünde motivierenden

^"twieklung; der Zündstoff, der an allen Kcken explo- Faktoren gibt es nach Echternach hemmende Motive, zu

'onsbereit das Abendland erfüllte" (S.l). denen er Humanismus, Individualismus und Mystik

Aufeine Veränderung des Terminus „Erbsünde" ver- rechnet. Im Grunde meint Echternach den Prozeß der

chtet Echternach bewußt; zwar sei „Ursünde" die an- Säkularisation, der mit und neben der Deformation