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Ausgabe:

1976

Spalte:

540-541

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Schauf, Heribert

Titel/Untertitel:

Das Leitungsamt der Bischöfe 1976

Rezensent:

Gaßmann, Günter

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Theologische Literaturzeitung 101.Jahrgang 1976 Nr. 7

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unfehlbaren Autorität, das vor Schrift und Tradition
rangiert. Das kirchliche Lehraml is1 die regula proxima
der göttlichen Wahrheit. Das Lehrmonopol des Papstes
bedarf nicht der Zustimmung der Kirche. Ähnliche
Gedanken finden wir auch bei Paxsaglia. Aber darüber
hinaus führt die Vorstellung von der Kirche als Abbild
der hypostatischen.Union, ais Fortsetzung der Inkarnation
. Nach seinem Bruch mit Rom und seiner Flucht
nach Turin 1861 vollzieht sich allerdings ein Wandel in
der Ekklesiologie Passaglias. Die Kirche wird nun stärker
als communio verstanden. Sie ist keine absolute,
sondern eine konstitutionelle Monarchie. Die Existenz
des Kirchenstaates ist keine dogmatische Notwendigkeit.
Der Primat ist Zentrum, aber nicht Quelle der Kirche.
Er ist nicht Herrschaft, sondern Dienst. Einziger Träger
der Unfehlbarkeit ist der Papst zusammen mit dem
Episkopat. Dagegen vollzieht Schräder eine Identifizierung
von Papst und Kirche. Er denkt mehr juristisch
als theologisch. Die päpstliche Unfehlbarkeit ist das
Fundament der ganzen Kirche. Aus dem ,,ex sese" wird
dus .,Allein" des Papstes. Die Kirche muß auch weltliche
Macht haben, da die Massen nicht durch Überzeugung
, sondern nur durch die Macht gewonnen werden.

Das 6. Kapitel (346-428) zieht die Folgerungen aus der
historischen Darstellung und schließt mit „weiterführenden
Gesichtspunkten". Noch einmal wird der
politische Charakter der Unfehlbarkeitsfrage und ihre
Einbettung in die damalige Ekklesiologie klargelegt.
Die Übernahme des absolutistischen Souveränitätsbegriffes
hat die CJnfehlbarkeitsfrage im 19. Jahrhundert
wesentlich bestimmt. Vorwiegend wird die Lehrgewalt
der Jurisdiktionsgewalt unterstellt .

Der Vf. fragt zum Schluß (409ff): Wie kann das
Unfehlbarkeitsdogma auch in einer communio-Ekklesio-
logie seinen Platz finden? Bei seiner Interpretation muß
die Engführung der ultramontanen Ekklesiologie überwunden
werden. Das Lehramt darf nicht mehr in einem
isolierten Gegenüber von lehrender und hörender Barche
gesehen werden. Die amtliche Verkündigung muß von
der einseitigen Bindung an die Jurisdiktion befreit
werden. Das Lehramt sollte nicht als konstitutives,
sondern als regulatives Prinzip verstanden werden. Der
Zeugnischarakter der theologischen Wahrheit muß bestimmende
Mitte sein. Dem Zeugnis der Gesamtkirche
darf nicht jede rechtliehe Relevanz abgesprochen werden
. Die Rezeption gehör! zum Wesen der Kathedralentscheidung
, auch wenn sie dieselbe nicht erst rechtlich
verbindlich macht. Es muß unterschieden werden
zwischen rechtlicher Befugnis und der Art und Weise
ihrer Ausübung. Zum Schluß wird freilich die ultra-
montane Ekklesiologie doch bis zu einem gewissen Grad
in Schutz genommen: Sie ging von einer Notsituation
aus; insofern war sie als „Notlösung" berechtigt.

Als theologiegeschichtliche Leistung verdient dieses
Buch hohe Anerkennung. Bei den „weiterführenden
Gesichtspunkten" wird freilich der protestantische,
Leser nicht umhin können, die dogmatische Gebundenheit
des Vf.s zu konstatieren. Die Schwierigkeit, das
vatikanische Dogma mit der gewandelten Ekklesiologie
zu verbinden, wurde auch im Vitikanum IT deutlich
sichtbar. Der Wahrheitsgehalt der Unfehlbarkeitslehre
ist auch über seine Interpretation durch den zeitgeschichtlichen
Kontext hinaus kontrovers. Aber auch
aus der historischen Darstellung von Pottmever müßten
wohl radikalere Konsequenzen gezogen werden, als der
Vf. es tut. Er hat aber mit ihr ein reiches Material für
eine unvoreingenommene Diskussion über das umstrittene
Dogma geliefert. Dafür wird ihm gerade auch
der nichtkatholische Benutzer seines Werkes dankbar
sein.

Erlangen Walthor v. T,oowonirli

Schauf, Heribert: Das Leitungsamt der Bischöfe. Zur Text-
geschiehto der Konstitution „Lumen Gentium" des II. Vat ikanischen
Konzils. München-Paderborn-Wien: Schöning)!
1975. 200 S. gr. 8° = Annuarium Historiae Conciliorum,
hrsg. v. W.Brandmüller u. R.Bäumer, Supplcmentum, 2.
Kart, DM 32,—.

Innerhalb der insgesamt bedeutsamen Kirehenkonsti-
tution des II. Vatikanischen Konzils hat dessen 3. Kapitel
über „Der hierarchische Aufbau der Kirche, insbesondere
das Bischofsamt" besondere Beachtung gefunden
. Da in diesem Kapitel versucht worden ist, die
Aussagen des I.Vatikanums über den päpstlichen Primat
im Blicl< auf das Bischofskollegium weiterzuführen
und 7Ai ergänzen (und zu modifizieren?), überrascht es
nicht, daß der längere und intensive Vorbereitungsprozeß
, der zur endgültigen Textfassung in der Kirchenkonstitution
geführt hat, das engagierte Interesse vieler
Konzilsväter und Konzilsberater gefunden hat. Heftige
Auseinandersetzungen und zähes Hingen haben sich bis
in den Abstimmungsvorgang hineingezogen. Auch die in
später Stunde von „höherer Stelle" hinzugefügte „Nota
Explicativa Praevia" als Anweisung zur Interpretation
des 3. Kapitels hat die Gemüter auf dem Konzil und danach
nicht wenig bewegt.

Es ist das Verdienst Heribert Schaufs, der an den Vorarbeiten
zum S.Kapitel selbst maßgeblich beteiligt war
und (in MThZ 22, 1972, 95-118 und AkathKR 141
[1972] I 5-147) bereits mehrere Arbeiten zur Textgeschichte
dieses 3. Kapitels veröffentlicht hat, daß er
mit dem vorliegenden Band eine Fülle von Texten zugänglich
macht, die die einzelnen Stadien der Textgeschichte
(von 1961 bis 1964) beleuchten. Sein Buch ist
also im wesentlichen eine Quellensammlung mit kurzen,
vergleichenden und interpretierenden Zwischenbemerkungen
des Vf.s Dabei wird nicht jede neue Fassung
eines Entwurfs wieder abgedruckt, sondern es werden
nur die Veränderungen oder Neuformulierungen erwähnt
. Auf die theologische Relevanz einzelner Aussagen
, Veränderungen, Ergänzungen usw. wird entweder
nur kurz oder zumeist gar nicht eingegangen. Die Dynamik
des theologischen Ringens in dem dokumentierten
Vorbereitungsprozeß tritt in der Drastellung des Verfassers
selbst nicht hervor. Sie muß aus den lateinischen
Texten selbst herausgelesen werden. Man mag dies bedauern
, aber die Absicht des Buches ist in der Tat bescheidener
. Es will dem, der bereits um diese theologischen
Auseinandersetzungen weiß, nun aber in einer
spezifischen dogmatischen oder kirchenrechtlichen
Untersuchung bestimmten Kntwicklungslmicn, die zu
den endgültigen Formulierungen geführt haben, näher
nachgehen möchte, die nötigen Quellen und Hinweise
an die Hand geben.

Der erste Teil des Buches enthält die Gutachten einzelner
Theologen (1961), die Entwürfe der Unterkommission
„De Ecclesia" der Theologischen Kommission
, soweit sie sich auf das Leitungsamt der Bischöfe
beziehen, Anmerkungen der Mitglieder und Berater der
Unterkommission, die Bemerkungen der Zentralkommission
und deren Beant wort ung bis hin zum ersten
Entwurf (1962) von De Ecclesia.

Der zweite Teil setzt bei Entwürfen einzelner Theologen
und Gruppen ein, unter denen derjenige von G.Philips
besonders einflußreich werden sollte. Es folgen neue
Texte der Kommission (1963), Verbesserungsvorschlägc
der Konzilsväter, „Relationes", Verbesserungsvorschlä-
ge, Veränderungen und Relationes während der Tagungen
der Unterkommission und der Theologischen Kommission
(1964) bis hin zum Text vom Juli 1964, der mit
mehreren Relationes den Konzilsvätern zugestellt wurde
, die dann im September 1964 darüber abstimmten.
Schließlich sind die Modi jener Konzilsväter, die mit ge-