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Ausgabe:

1976

Spalte:

522-523

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Protrepticus und Paedagogus 1976

Rezensent:

Ullmann, Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 1 Ol. Jahrgang 1976 Nr. 7

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kirchlicher Mission gewidmet. Einem hochinteressanten
Thema wendet sich Alois Kehl zu: „Antike Volks
Frömmigkeit and «Ins Christentum". Der Beitrag, der
sich mit (lebet, Opfer, Votivgaben, Kntsühnungsriten,
.Magie und Mantik befaßt, erfüllt nicht alle Erwartungen
, die der reizvolle Titel weckt. Zwei kritische Fragen
seien gestellt: Worauf stützt Kehl seine Annahme, daß
der Pharmakns auch gelötet weiden konnte? (S 322;
vgl. Paulv-Wissowa 19, 1841, wo ausgeführt wird, daß
Ovid fälschlich Tötung annahm). Und weiter: Ist die
Aussag«! auf S.325, daß im katholischen und orthodoxen
Christentum noch heute das Vertrauen vieler Gläubiger
zu bestimmten Heiligen größer ist als das Vertrauen zu
Gott, nicht etwas zu vereinfachend 1

Carl Andresen liefert mit seiner schönen Studie „Alt-
christliche Kritik am Tanz - ein Ausschnitt aus dem
Kampf der Alten Kirche gegen heidnische Sitte" einen
erhellenden Beitrag zu einem Phänomen, das der Alten
Kirche viel zu schaffen gab. Am Beispiel des Tanzes
zeigt er, wie das heidnische Lebensgefühl nach seiner
Zurückdrängung aus der kidtischen Öffentlichkeit sich
mit den privaten Lebensbezirken verbinden konnte.
Vor allem der Volkstanz wurde im 4. Jahrhundert zu
einer Art Ventil, in dem sich das vom christlichen Staat
und der verstaatlichten Kirche bedrängte Heidentum
Luft machte. Auf S.366 haben sich in den Stellen
angaben leider zwei Fehler eingeschlichen. Johannes
Chrysostomos, In ep. ad Cor. hom. 12 findet Rieh in
MPG 61 (nicht 51. Der gleiche Fehler begegnet schon
B;849). Das Zitat aus einer Predigt des gleic hen Vaters
lind.'( sich nicht in den Homilien zum l.Cor., sondern in
der Ilomilie: „In illud, propter fornicationes uxorem
etc." (MPG 51, 207-218).

Theodor Klauser zeigt in seinem Beitrag „Der Festkalender
der Alten Kirch«! im Spannungsfeld jüdischer
Traditionell, christlicher Glaubensvorstellungen und
missionarischen Anpassungswillen", warum «lie Alte
Kirche den jüdischen Festkalender nicht beibehalten
konnte, obwohl ihr damit in der hellenistischen AVeit ein
wert volles Propagandaniittel zur Verfügung gcstiinilen
hätte. Der Umstand, daß «lie jüdischen Feste von der
Krwartung des Messias sprachen, war unüberbrückbar.
Klauser schildert im Folgenden überzeugend die Entstehung
der christlichen Feste. Der Bihliographie wäre
noch «lie Textsammlung von W. Rordorf „Sabbat und
Sonntag in der Alten Kirche", Traditio Christiana 2,
Zürich 1972, beizufügen.

In «lein nächsten Beitrag „Kultursprache und Volks-
spraehe in der alt« hristlichen Mission kommt noch ein-
'md Karl Holl zu Wort, Er vertritt die These, daß die
Alte Kindie sich abgesehen von seltenen Ausnahmen
(*«B. in Palästina) nur auf die Kultursprachen eingelassen
und «lie Volkssprachen ignoriert hat. Die positive
Folge dieser Haltung war der Sieg des Lateinis« hen
UM Westen und der des Griechischen im Osten. Abel
auch negative Folgen haben sich ergeben: Tausende sin«!
durch Sprachhaliieren vom Christentum ferngehalten
^"i'den (S.S95).

Im letzten Aufsatz des vorliegenden Bandet untersucht
Gerard J.M.Bartelink die „Umdeutung hei'l-
j'ischer Termini im christlichen Sprachgebrauch". Kr
''^spricht drei Kategorien von christlichen Wörtern, die
«Oe profane Vorgeschichte haben oder deutliche An-
Olüpfungspunkte im heidnischen Sprachgebrauch aufweisen
.

Bilm (Schmta) Jimloif Jiriiii«li<-

Clemens Alexandrinus. I: Prolrepticus und Paedagogus, hrsg.
v. O. Stählin. X, durchgesehene Aull. v. U.Trou. Berlin:
Akademie-Verlag 1972. XCI II. :{«5 S. gr. 8 = Die die. Iii
sehen Christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte.
,w. M48—.

Die Bände IT und III der Stählinschen Clemens-Ausgabe
in der Reihe GCS, Stromata und kleinere Schriften
enthaltend, waren, von Ludwig Früchte] bearbeitet,
1960 und 197«) erschienen. Hatte die Drucklegung von
K iinl III nach dem Tod von Früchtel schon von Ursula
Treu besorgt werden müssen, so oblag ihr nunmehr allein
die Herstellung der •'). Auflage des Bandes I.

Mit dem Erscheinen dieses Bandes haben wir eine
«leutsche Parallele zur französischen Neuedition des Paedagogus
in den Sources Chretiennes, die i960, 1965 und
L970 erschienen ist. Auch die französischen Editoren.
EI.-I.Marrou und Cl.Mondesert, halten wie LT.Treu an
dem allgemein anerkannten Stählinsehen Text fest. Wer
sieh für die Abweichungen der französischen Ausgabe
int eressiert, sei auf ihre Besprechung durch van der Nat
in den Vigiliae Christianae 2/1968, S.144 bis 147 hingewiesen
. Im wesentlichen entstehen die wenigen Abweichungen
durch eine Bevorzugung der lectio tradita
gegenüber Konjekturen.

Ms ist eine der Bedeutung der Stählinschen Arbeit angemessene
Folgerichtigkeit, wenn Stählins Einleitung
im vollen Umfang übernommen worden ist. Welcher
Besitzer oder Benutzer der 3. Auflage möchte auf diesen
gediegenen Überblick über Clemens-Testimonien, die
handschriftliche und gedruckte Überlieferung der
Schriften des Alexandriners verzichten?

Im übrigen bietet die Treusche Bearbeitung den
anastatisch reproduzierten Text der 2. Auflage. Lediglich
der Apparat ist neu gesetzt worden, damit in ihm
Stählins eigene Anderungsvorschläge, andere Forschungsergebnisse
eingearbeitet sowie Zitate auf neuere
Ausgaben umgestellt werden konnten. Wo längere Ergänzungen
den für den Apparat vorgesehenen Raum
überschritten hätten, sind sie in einen am Schluß des
Bandes zu findenden Nachtrag aufgenommen worden.
Eine übersichtliche Literaturauswahl orientiert über
neuere Clemensforschung.

Vielleicht ist es nicht überflüssig, Benutzer der neuen
Auflage noch einmal ausdrücklich auf die leicht zu übersehenden
Nachträge zu den Apparaten S. 353ff. hinzuweisen
. Sie sind eine Fundgrube philologischer Details,
besonders interessant und ergiebig «lurch Aufschlüsse
über die Benutzung antiker Philosophie. Man kann liier
unter sachkundiger Anleitung ein Kapitel christlicher
Piatoninterpretation studieren - um nur ein Beispiel
namhaft zu machen.

Aber leider steht zu befürchten, da ß das gegenwärtige
Desinteresse des theologischen Publikums an philologischer
Arbeit sich auch diese Gelegenheit entgehen
läßt, verbreitete Urteilsklischees über das Verhältnis des
Christentums zur antiken Kultur durch fundiertes Wissen
zu ersetzen. Selbst wenn ich verrate, daß es bei dieser
Gelegenheit gelingt, einen archäologischen Beleg dafür
beizubringen, daß die heidnische Glücksgöttin tatsächlich
, wie Clemens Protr. IV.51 behauptet, in Latrinen
abgebildet werden konnte, so wird sich dieses Desinteresse
davon nicht beeindrucken lassen.

So sei hier auf einige Arbeiten aus dem Bereich der
Clemensforschung hingewiesen, die in das 1969 oder
1970, wie ein Teil vermuten läßt -, abgeschlossene
Literaturverzeichnis nicht mehr eingearbeitet werden
konnten. 1968 erschien in Leipzig als Nr. 21 der Erfurter
theologischen Studien die Abhandlung von J.Bernard,
Die apologetische Methode bei Clemens von Alexandrien.
Hier wird der Versuch gemacht, anhand der Werke des