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Ausgabe:

1976

Spalte:

518-521

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Die alte Kirche 1976

Rezensent:

Brändle, Rudolf

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r.iv

Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 7

518

von Silva Candida formulierten und von Gregor Vif.
gesteigerten ein so großer Bruch bestand, daß nicht alle
reform willigen Kardinäle Gregor folgten. Da die Geschichte
der Ostkirche bereits im ersten Band behandelt
wurde, fehlt der Hinweis auf das Schisma mit der
griechischen Kirche von 1054 und damit der Streit um
die Herrschaft in Süditalien und Sizilien, der zu den von
Grane vermißten Wirklichkeiten gehört und manches in
einem anderen Licht erscheinen läßt.

In einer ökumenischen Kirchengeschichte muß die
Darstellung Luthers besonderes Interesse erregen. Dem
römisch-katholischen Vf. kann bestätigt werden, daß er
sich müht, sorgfältig zu berichten. Unter den Voraussetzungen
der Reformation zählt er mehrere auf, wodurch
er einer einseitigen Begründung entgeht. Es gelingt
ihm - wie vielen anderen - aber nicht, sie in ihrem
Zusammenhang darzubieten. Der Vf. will die allgemeinen
Zustände mit erfassen, ohne dadurch die Bedeutung
Luthers zu mindern. Damit wird das Dilemma
der Reformationsforschung deutlich, die teils den Einfluß
auf Luther überschätzt und teils Luther in eine
Ausnahmestellung bringt. Hier steht eine überzeugende
Verbindung von Geschichte und Persönlichkeit noch
aus. Der Vf. legt verhältnismäßig ausführlich den Prozeß
gegen Luther dar. Zu dem die Reformation auslösenden
Ablaß wird aus der Ablaßinstruktion Albrechts
von Mainz referiert, aber nicht auf die Ablaßpraxis eingegangen
, die für Luther entscheidend war. Leider ganz
unwidersprochen wird als Tatsache hingestellt, Luthers
98 Thesen seien nicht angeschlagen worden, obgleich für
diesen Thesenanschlag ebenso überzeugende Argumente
vorgebracht worden sind (Heinrich Bornkamm, Franz
Lau) wie dagegen. Luthers widerspruchsvollen Aussagen
über die Autorität des Papstes von 1520 werden verständlicher
, wenn die sächsischen Räte einbezogen werden
, die des Rechtsweges und der Diplomatie kundig
Luther „berieten", was Luther nicht immer beiseite
schob. Problematisch aber ist, daß die zentrale Beurteilung
Luthers bei der damals äußerst verdienstvollen
Einschätzung von Joseph Lortz stehenbleibt,
Luther habe nur die Irrtümer des Ockhamismus überwunden
und zu einem katholischen Verständnis der
Gerechtigkeit Gottes zurückgefunden. Eine solche Be-
nxteüong ruht auf thomistischen Urteilen über den Ock-
hnmismus und unterschätzt den Gegensatz Luthers zur
gesamten Scholastik, ja, sie läßt die Reformation in
W.ug auf die Theologie als Mißverständnis erscheinen.
Ebenso bleibt das Ausmaß der Reformation unverständ-
'ieh, auch wenn der Vf. aufzeigt, daß die Kurie und die
Päpste (abgesehen von Hadrian VI.) nicht reformwillig
genug waren, um der Reformation den Wind aus den
""Kein zu nehmen, sondern durch ihr Verhalten vielmehr
kräftig hineinbliesen und das Schiff Reformation
•»Ut auf Fahrt brachten.

Diese Einwände sollen nicht die Arbeit der betreffenden
Vf. herabsetzen, sondern nur deutlich machen, wie
'■'esc an der allgemeinen Kirchengeschichtsschreibung
'eilhaben und sich in sie einordnen. Es ist ohne Zweifel
verdienstvoll, eine ökumenische Kirehengeschichts-
Nehreibung zu versuchen. Welch ein großer Gewinn wäre
wenn die kirchengeschichtlichc Bildung in den ver-
^'l'iedenen Konfessionen eine gemeinsame Grundlage
''"'de. Der vorliegende Band stellt daher einen guten
Anfang eines im ökumenischen Zeitalter notwendigen
'.'»ternehmens dar, das sowohl durch noch mehr Über-
p,"«timmung als auch durch mehr Anmerkungen mit abziehenden
Beurteilungen verbessert werden kann.

'''Ip'.lK Hilmar Junghnnii

KIRCH ENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Frohnes, Heinzgünter, u. Uwe W.Knorr fKrsg.]: Die Alle
Kirche. München: Kaiser 1974. XC, 472 8., 1 Faltkte gr.
8° = Kirehengesehichte als Missionsgeschichte, hrsg. v.
H. Frohnes, 1T.-W.Oonsiehon u. G.Kretschmnr, 1. Lw.
DM 49,—.

Unter dem Titel „Kirchengeschichte als Missionsgeschichte
" erscheint im Chr. Kaiser Verlag, München,
eine neue Reihe (Hrsg. H.Frohnes, H.-W. Gensichen.
G. Kretschmar). Der erste der vier oder fünf geplanten
Bände liegt jetzt vor, er ist der Alten Kirche gewidmet.
Die neue Reihe unternimmt den Versuch, die Geschichte
der Kirche als Missionsgeschichte darzustellen, als Geschichte
der Verkündigung des Evangeliums an jeweils
neue Kulturen, Völker, Generationen, seiner Übersetzung
in neue Situationen und Horizonte. Das ist ein
neuer, sehr sinnvoller Ansatz, der das herkömmliche, auf
Europa oder gar Mitteleuropa konzentrierte Bild der
Kirchengeschichte verändern kann. Möglich geworden
ist dieser neue Ansatz auf Grund eines in jüngster Zeit
gewandelten Selbstverständnisses von Kirche und
Mission und ihrer Beziehung zueinander.

Der Band wird eröffnet durch einen knappen Abriß
der Geschichte der Missionsliteratur von Heinzgünter
Frohnes „Missionsgeschichte und Kirehengesehichte".
der als Einführung für die ganze Reihe dienen soll. Der
Längsschnitt bietet nicht nur eine recht umfassende
Übersicht über die Missionsliteratur seit dem 13. und
1 1. Jh. bis in die Neuzeit, sondern vermittelt auch eine
Fülle von Einsichten und Anregungen. Angefügt ist eine
instruktive Bibliographie zur Missionsgeschichte.

Der Sammelband enthält 21 Aufsätze von unterschiedlicher
Länge und Gewicht, verfaßt von 18 verschiedenen
Autoren. Sieben Aufsätze sind aus früheren
Publikationen übernommen. z.T. übersetzt und überarbeitet
, die übrigen Beiträge sind eigens für den vorliegenden
Bund geschrieben worden. Den Abschluß des
Buches bildet eine durch U.W. Knorr zusammengestellte
Bibliographie zu Mission und Ausbreitung des Christentums
in der alten Welt, die dem Interessierten wertvolle
Dienste leisten kann. Ziel des Sammelbandes ist laut
Angabe auf dem Schutzumschlag „nicht die lückenlose
Sammlung von Fakten und Kompendienwissen, sondern
die Vermittlung eines lebendigen Bildes und eines
Problembewußtseins. Zu diesem Zweck sind in sinnvoller
Weise tTbersichtsbeiträge und Spezialarbeiten
kombiniert". Diese Absicht wird m.E. durchaus erreicht
, auch wenn gesagt werden muß, daß die durch die
Herausgeber getroffene Auswahl nicht vor Krit ik gefeit
sein wird. Jeder fachkundige Leser wird das eine oder
andere Thema vermissen. Fragen läßt sich auch, ob
nicht durch eine engere Zusammenarbeit der Mitarbeiter
der innere Zusammenhang der verschiedenen Beiträge
und ihre Beziehung zum Leitthema des Sammelbandes
noch deutlicher hätte werden können. Diese Bemerkuniren
sollen in keiner Weise den Wert des vorliegenden
Bandes schmälern - er ist jedem Interessierten als anregende
Lektüre zu empfehlen - sie weisen aber hin auf
die jeder Auswahl inhärente Problematik.

Die gebotene Kürze erlaubt es leider nicht, die einzelnen
Beiträge gründlich zu besprechen, möglich ist nur
eine recht summarische Übersicht und einzelne kritische
Bemerkungen. Im ersten der fünf großen Abschnitte, in
die die Aufsätze gruppiert sind, sind vier Arbeiten zusammengestellt
, die einen Überblick über die altchristliche
Mission geben: Karl Holls Vorlesung im Berliner
Missionshaus von 1912: „Die Missionsmethoden der alten
und die der mittelalterlichen Kirche", der Vortrag von
Hans von Soden: „Die christliche Mission in Altertum