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Ausgabe:

1976

Spalte:

515-517

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Mittelalter und Reformation 1976

Rezensent:

Junghans, Helmar

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Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 7 616

515

Untersuchungen (VI, S. 211-219). Ein Abkürzungs-
verzeichnis (S.220f.) sowie ausführliche Register der
Stellen (S. 222-243; von Kurtheinz Hennl) und Autoren
(S.244-249; von Peter Stimpel) beschließen das Buch.

Das Hauptverdienst des vorliegenden Werkes besteht
in der methodischen Klarheit, mit der Apg 8 einerseits
und die altkirchlichen Simon-Referate andererseits voneinander
unterschieden werden. Die Perikope Apg 8,9-24
erfährt vorsichtige Deutung im Zusammenhang des
lukanischen Geschichtswerks (S.7f. und 99-126); die
„Große Kraft" (Apg 8,10) ist jüdisch-samaritanischer
Gottesname ohne gnostischen Hintergrund (B. 121), der
Genitiv „Gottes" ein lukanisches Interpretament
(S.214). Simon, der diesen Gottestitel möglicherweise
wirklich auf sich bezogen hat, war ein „spätantiker
Wundermann im Stile eines &eTos «eij«"; seine Gnosti-
fikation hat „mit dem historischen Simon im Grunde so
wenig zu tun ... wie der gnostisehe Christus mit dem
historischen Jesus" (S.214).

Den Ergebnissen Beyschlags wird man zustimmen
dürfen. Im Sinne eines ausgebildeten Gnostizismus ist
Simon Magus so wenig ein Gnostiker gewesen wie Jesus
Christus oder der Evangelist Johannes. Die Religiosität
der antiken Juden und Samaritaner, die den Hintergrund
bildet für wundertätige Wanderpropheten wie
Jesus und Simon, sollte nicht Gnosis genannt weiden.
Hier liegt ein wichtiger Dissensus Beyschlags gegenüber
G. Quispel, der die Gnosis im synkretistischen, vor-
< Ii l istlichen Judentum entstanden sein läßt und diesem
den Gnostiker Simon zuordnet (vgl. S.85-87). Ansonsten
ist Beyschlags Lösung mit dem Entwurf von
Quispel an entscheidenden Punkten verwandt; auch
Quispel rechnet mit einer christlichen Prägung des
Gnostizismus, und auch er erkennt die Hellenisierung
rles spätantiken Judentums als Voraussetzung der von
ihm als gnostisch bezeichneten Denkstrukturen.

Der Simonianismus, den die altkirchliche Ketzerbekämpfung
vor Augen hatte, beruht auf dem „Versuch,
Christus dnrch Simon auf gnostisch zu überbieten"; dies
war in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts n.
Chr. noch möglich (K.217L). Die Übereinstimmungen
zwischen simonianisch-gnostischer und kirchlich-christlicher
Lehre zeigen, und auch darin dürfte Beyschlag
recht behalten, daß beide aus den gleichen Tradit ionen
schöpfen. Der christliche Gnostizismus gehört daher
nicht zum Hintergrund des Neuen Testaments, sondern
in die Anfangszeit der altkirchlichen Dogmengeschichte
(S.219).

Mainz Otto BOchoi

KIRCH EN GESCHICHTE:
ALLGEMEINES

Bäumer, Remigius, Benrath, Gustav Adolf, Ganoczy, Alexandre
, Grane, Leif, Kottje, Reymund, Lenzenweger, Josef,
Moeller, Bernd, u. Harald Zimmermann: Mittelalter und
Reformation. Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag u. München
: Kaiser [19731. XII, 472 S. 8° = ökumenische
Kirchengeschichte, hrsg. v. R.Kottje u, B.Moeller, II.
Lw. DM 39,—.

Ökumenisch erweist sich dieses kirchengeschichtliche
Handbuch zunächst durch die Zusammensetzung der
Mitarbeiter: vier von ihnen sind evangelisch (Gustav
Adolf Benrath, Leif Grane, Bernd Moeller, Harald
Zimmermann) und vier römisch-katholisch (Remigius
Bäumer, Alexander Ganoczy, Raymund Kottje, Josef
Lenzenweger). Dabei wird aber nicht der Weg der Selbst-
darstellung gegangen, sondern zentrale Erscheinungen

der einen Konfession werden von Angehörigen der
anderen dargestellt, so z.B. die Früh- und die Hoch-
scholastik von Grane und die Katholische Reform und
Gegenreformation von Moeller sowie die Voraussetzungen
und die Anfänge der Reformation von Bäumer und
Calvin von Ganoczy. In der Beurteilung von einzelnen
Erscheinungen des Mittelalters und der Reformationszeit
war nicht immer Pionierarbeit zu leisten, sondern es
konnten die Ergebnisse der kirchengeschichtlichen Forschung
der beiden Konfessionen zusammenget ragen werden
, die sich an vielen Stellen einander angenähert
haben. Dadurch brauchte das Zusammengehen auch
nicht dadurch erkauft zu werden, daß man auf Urteile
verzichtete. Wo heute noch unterschiedliche Bewerlun
gen vorliegen, verläuft die Grenze zwischen den verschiedenen
Ansichten nicht immer zwischen den Konfessionen
. In dem vorliegenden Band wird nur selten
ein Kapitel von einem Vertreter der anderen Konfession
kritisch oder erläuternd kommentiert. Manchmal wird
von dem Vf. selbst der uneinheitliche Forschungsstand
aufgezeigt. Erleichtert wurde das Zusammengehen, weil
die einzelnen Kapitel, wenn auch nicht ohne Zusammenhang
, in sich abgeschlossen geschrieben worden sind.
Eine durchgehende Schau des gesamten Zeitabschnittes
von 600 bis 1648 bleibt noch eine Aufgabe für eine öku
menische Kirchengeschichtsschreibung.

Es muß zunächst anerkannt werden, daß es gelungen
ist, auf so engem Raum ein so weites Gebiet geschickt
darzustellen. Beachtung verdient, daß die Theologie-
geschichte dabei erfreulich viel Platz erhalten hat.
Häufig sind Personen und Ereignisse mit wenigen Worten
so treffend charakterisiert, daß der Leser spürt, wie gut
der Vf. mit seiner Materie vertraut ist. Manche Einzelheit
und manche Zusammenhänge konnten nicht dargelegt
werden, an einigen Stellen scheint aber doch kaum
Entbehrliches zu fehlen. Bei der Germanenmission ist
eine ihrer besten Früchte nicht genannt: die Missionierung
und die Mission der Kleingoten. Das irische
Mönchtum wird ohne Hinweis auf die peregrinatio pro
Christo beschrieben, die später im Zusammenhang mit
der Mission nur erwähnt wird. Gregor der Große wird
ein wenig im Stil der Heiligenlegende, dargestellt. Er
wird als großer Missionsstratege herausgestellt, ohne daß
die auslösenden Verhältnisse in Kent genügend zur
Sprache kommen. Ganz vergessen und daher auch nicht
kritisiert wird seine Bedeutung für die Steigerung einer
Volksfrömmigkeit im Mittelalter, die manchmal die
Grenze zum Aberglauben überschritt.

Grane merkt zur Gregorianischen Kirchenreform an,
sie stelle nicht genügend den Unterschied zwischen ihren
Idealen und der harten Wirklichkeil dar und bebe auol
nicht genügend hervor, daß die Reform keine Rückkehr
zur Alten Kirche bedeutete, sondern eine Neuerung darstellte
(109). Eine ähnliche Anmerkung läßt sich zur
Darstellung der Auseinandersetzung zwischen Bonifaz
VIIT. und Philipp dem Schönen machen. Die Bedeutung
der französischen Kanzlei und deren in Montpellier
entstandenen Rechtsauffassungen treten nicht genügend
hervor. Für die Auseinandersetzung von Staat und Kirche
im Mittelalter hätte ein stärkeres Achten auf die Geschichte
beider Rechte tiefere Einsichten erlaubt, vielleicht
sogar eine Grundlage für die Periodisierung abgegeben
. Nicht sehr hilfreich erweist sich die - durchaus
gebräuchliche - Verwendung des Begriffes „Gregorianische
Reform". Er birgt die Gefahr in sich, die gesamte
Kirchenreform des 11. Jh.s zu sehr von Gregor VTI. her
zu beurteilen, der der Vf. auf dem beschränkten Raum
dann auch erliegt. Es wird nicht deutlich, wie Heinrich
TT. und Heinrich TIT. systematisch die Reform ausbreiteten
und bis nach Rom trugen, daß zwischen der
von Leo TX. geförderten Reform und der von Humhert