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Ausgabe: | 1976 |
Spalte: | 499-500 |
Kategorie: | Altes Testament |
Autor/Hrsg.: | Jacobi, Heidi |
Titel/Untertitel: | Grammatik des thumischen Neuaramäisch (Nordostsyrien) 1976 |
Rezensent: | Beyer, Klaus |
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Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 7
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gen in anderen Teilen der alttestamentlichen Erzählungsquellen
, wo man in jüngster Zeit ebenfalls mehr
und mehr ältere Vorstufen von jüngeren Bearbeitungen
zu unterscheiden gelernt hat2. Es ist zu hoffen, daß der
Vf. seine Untersuchungen auf weitere Teile von P ausdehnen
kann.
Bochum Henning Graf Revcntlow
1 Neuerdings mehren sich ja die Stimmen, die wieder mit einer T"ort-
fuhrungderPentateuchqnellenbis weit indasdeuteronomtstlschcOcsehlchts-
werk hinein rechnen.
* Zu erinnern ist an W. Richters eigene Untersuchungen zum Richter-
huch, aber auch an Arbeiten wie die von TT.Schulte, Die Entstehung der
Geschichtsschreibung im Alten Testament, 1972.
Jacohi, Heidi: Grammatik des thumischen Neuaramäisch
(Nordostsyrien). Wiesbaden: Steiner i. Komm. 1973.
XXIII, 288 S. m. 1 Kte 8° = Abhandlgn für die Kunde des
Morgenlandes, hrsg. v. E.Wagner, XL,3. DM 28,—.
Noch heute wird das Aramäische von etwa 50000
Menschen gesprochen. In abgelegenen Gebieten des Vorderen
Orients hat es sich nämlich bei Christen, Juden
und Mandäern halten können, und damit überblicken
wir jetzt fast 3000 Jahre aramäischer Sprachentwicklung
. Dieses sogenannte „Neuaramäisch" (Modern Ara-
maic) zerfällt in mehrere Dialektgruppen, die füreinander
nicht verständlich sind: Ein neuwestaramäischer
Dialekt wird von etwa 4000 Christen in Ma'Iula und zwei
anderen Bergdörfern des Antilibanon etwa 60 km nördlich
von Damaskus gesprochen (A. Spitaler 1038). Das
Neuostaramäische gliedert sich in das Neuwcstsyrische,
das Neuostsyrische und das Neumandäische. Das Neu-
mandäisehe ist nur noch bei einigen Mandäern in Ahwas
und Khorramsahar nördlich des Persischen Golfes
lebendig (R.Macuch 1966). Das Neuwestsyrische (Tu-
röyo) hat sich aus dem bekannten mittelaramäischen
Westsyrisch entwickelt, wenn auch nicht direkt aus dem
Dialekt von Edessa/Urfa, und ist vor allem bei den ja-
kobitischen Christen aus «lern Tur'Abdin in der siidösl-
lichen Türkei in Gebrauch (A.Siegel 1923, O.Jastrow
1907). Die meisten noch lebenden aramäischen Dialekte,
darunter auch das Thumische, sind jedoch neuost-
syrisch. Das Neuostsyrische setzt nicht einfach das bekannte
mittelaramäische Ostsyrisch von Nisibis/Nusay-
bin fort,sondern zeigt auch den Einfluß mesopotamischer
Dialekte. Die Neuostsyrer sind zum kleineren Teil Juden
(T. Garbell 1965), überwiegend jedoch nestorianische
und chaldäische (unierte) Christen (die sich selbst
Assyrer nennen und auch von den alten Assyrern herleiten
) und bewohnten vor den blutigen Verfolgungen
dieses Jahrhunderts, die sie teilweise über die halbe
Welt verstreut haben, ein Gebiet im größeren Umkreis
um das Dreiländereck Iran-Trak-Türkei (Th.Nöldeke
1868, A. J.Maclean 1895, K. G. Tsereteli 1970). Aus den
Neuostsyrischen haben amerikanische Missionare bereits
1840 eine Schriftsprache unter Verwendung der ostsyrischen
Schrift gemacht, in der heute zahlreiche
Druckereien eine ziemlich umfangreiche Literatur verbreiten
(R.Macuch und E.Panoussi 1974); daneben trat
in der UdSSR nach 1917 auch die Lateinschrift (.T. Friedrich
1960).
Seit dem 19. Jh. wird der Erforschung des Neuaramäischen
steigende Aufmerksamkeit geschenkt. Ein geschlossenes
gleichzeitiges aramäisches Spraehsystem
läßt sich nämlich nur am heutigen Aramäisch studieren,
und nur, wenn man sich mit den Aramäern unterhalten
und ihre Erzählungen auf Tonband nehmen kann, erfährt
man wirklich alle Feinheiten der Aussprache. Aus
diesen Gründen ist das Neuaramäische auch zum Verständnis
und zur Erhellung des älteren Aramäisch!
unentbehrlich. I
Auf der Flucht vor den Christenverfolgungen in Türkei
, Iran und Trak haben sich die Uberlebenden des
Stammes Tlmma (richtiger schriebe man im Deutschen :
Tchuma) und anderer neuostsyrischer Stämme nach
1930 am Chabur, einem Nebenfluß des Euphrats, in
Syrien niedergelassen. Sie leben von Ackerbau und Viehzucht
, teilweise mit Hilfe künstlicher Bewässerung, und
sprechen zu Hause ausschließlich Aramäisch, lernen
jetzt allerdings in der Schule Arabisch. Auf drei Orientreisen
sammelte die Vf.in das Material. Ihre Grammatik,
eine bei H. Gätje - Saarbrücken geschriebene Dissertation
, bietet nach einer Einleitung (S.XV-XXII) und
einem Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole
(S.XXIII), wo auch die der genauen Bestimmung der
Laute dienenden Zusatzzeichen hätten erklärt werden
müssen, eine ins einzelne gehende Lautlehre (S.l-81),
eine Formenlehre mit einigen syntaktischen Bemerkungen
(S. 82-249), eine Auswahl von Texten (Märchen,
Anekdoten, Autobiographisches: S.250-285) und eine
Bibliographie (S. 286-288). In der Lautlehre werden auch
die feinsten Aussprachenuancen wiedergegeben, und
zwar nach dem Alphabet der International Plionetic
Association. Sonst werden nur die 40 Phoneme (formenunterscheidende
Laute) mit Hilfe der üblichen, durch
einige Zusatzzeichen erweiterten Lateinschrift unterschieden
. Leider zieht die Vf.in nur selten eine Verbindungslinie
zum älteren Aramäisch, obwohl sich ein
Vergleich mit dem klassischen Syrisch auf Schritt und
Tritt aufdrängt. Dann hätte sie wohl auch bei Wörtern,
die in mehrfacher Gestalt auftreten, wie den Präpositionen
„hinter" und „vor", die alte Langform als Grundform
und die zusammengezogene Kurzform bar qam als
Wechselform angesetzt (S. 228.231).
Am auffälligsten ist der Abstand vom Mittelaramäischen
beim Verbum. Tm Neusyrischen gibt es nämlich
kein Perfekt und kein Tmperfekt mehr, sondern mit
Hilfe der Partizipien und Infinitive werden etwa im
Thumischen 15 einfache und zusammengesetzte aktive
und 12 passive „Tempora" gebildet , deren Anfänge man
allerdings schon im Mittelaramäischen wahrnehmen
kann, wenn das Auge erst einmal durch das Neuara-
mäische geschärft ist. Auch liegt der Wortdruck in der
Regel auf der vorletzten Silbe. Sogar die weitere Entwicklung
zeichnet sich an einigen Stellen schon ab, so
werden aw ay und spiiiert.es d bald vollständig zu ö e
bzw. d geworden sein (S.78).
Diese sorgfältig gearbeitete und auch für NichtLinguisten
noch verständliche Grammatik ist jedem zu
empfehlen der eine heutige Form des Aramäischen
kennen lernen möchte, das einmal eine Weltsprache war.
Heidelberg kimus Beyer
JUDAICA
Kümmel, Werner Georg: Jüdische Schriften aus hellenistisch-
römischer Zeit, hrsg. in Zusammcnarh. m. Oh.TTabicht,
O.Kaiser, O.Plöger. u. .T. Schreiner. 111,1: Unterweisung
in lehrhafter Form. Recker, J.: Die Testamente der zwölf
Patriarchen. TV, 16.3 8. Kart, DM 46,—. IV,ll Poetische
Schriften. Oßwald.E.: Das Gebet Manasses. Woude, A.S.
van der: Die fünf syrischen Psalmen. PV, 47 S. Kart, DM
18,50. V,1: Apokalypsen. Hage, W.: Die griechische Baruch-
Apokalypse. Eckart, K.-O.: Das Apokryphon Ezechiel. TV,
55 S. Kart. DM 20,—. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus
Gerd Mohn 1974. gr. 8°.
Durch das neue Sammelwerk zu den sog. zwischen-
testamentlichen Schriften des nachbiblischen Judentums
(s. ThLZ 101, 1976 Sp.IHff.) von dem nunmehr zu
jedem Band eine Lieferung erschienen ist, erhält der