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Ausgabe:

1976

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Judaica

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problematisch. K.30—31 werden fast vollständig für
authentisch gehalten. Die Ähnlichkeiten zu Texten aus
Jes 40—55 werden durch Anlehnung Deuterojesa jas
an die jeremianischen Heilsworte erklärt. In den
beiden Kapiteln weist H. zwei verschiedene Arten der
Neuinterpretation auf: In K.30 wurden ältere Gerichtsworte
durch Jeremia zu Heilsverheißungen uminterpretiert
, in K. 31 ursprünglich an die zerstreuten
Nordstämme gerichtete Sprüche zu Heilsworten an
Juda umgestaltet. (In A. 2 zu Gh. VIII auf S. 157 lehnt
H. allerdings eine ursprüngliche Beziehung der Texte
in K. 30f. auf das ehemalige Nordreich als unnöt ig ab).
Als die großen „Schlußsteine" der Heilsverkündigung
Jeremias werden 31,21f. (die Verse kündigen eine
Umkehrung der Geschlechtsrollen, eine Neuschöpfung
der Schöpfung, an) und 31,31—34 dargestellt. Den
' Jegenwartsbezug Jeremias sieht H. abschließend
(S. 132—149) darin, daß Jeremia als originale Persönlichkeit
, als Neuerer und unabhängiger Denker
wirkte, stärker als sonst ein Zeil genösse soziale Isolation
erfuhr und in singularer Weise die Beziehung zu
Göll als Problem erlebte und erlitt.

An den. Text angefügt sind Literaturverweise und
ein Anmerkungsteil, der so knapp gehalten ist, daß
das unabdingliche Hinundherblättern nicht lästig
wird. Ein Stellenregister wäre auch für diesen schmalen
Band nützlich gewesen.

Die Darstellung beruht naturgemäß weitgehend auf
den Vorstellungen, die H. bereits in seinen zahlreichen
Aufsätzen zur Sache vorgelegt hat. In der Regel
weist II. sorgfältig darauf hin, wenn er vom Konsens
der Kommentare abweicht, und begründet dabei
seine Auffassung relativ eingehend. Rez. bedauert, von

eiher ganzen Anzahl dieser Thesen ebensowenig Überzeugt
worden zu sein wie vorher. Um nur einiges zu
nennen: Die Datierung der Berufung auf etwa, 009
und die Deutung des Datums von 1,2 (027 v. Chr.) auf

das Geburtsjahr Jeremias beruh! offenbar auf einer
Reihe von ungesicherten Thesen. Die Darstellung
Anathoths als Sitz der Mose- und Samuel-Tradition
gründe! auf einer wenig wahrscheinlichen Kombination
verschieden gewichtiger Anhaltspunkte. Das angebliche
Selbstverständnis Jeremias als zweiter Mose ist nach

Ansieht des ReZ. aus sekundären Texten erschlossen,

ist also eher ein Fremdverständnis, und zwar das der

deul eronomist ischen Redaktion des Buches. Mit deren

Existenz scheint aber H. nicht zu rechnen. Grundsätzlich
zu bedauern ist das Fehlen eines Kapitels,
das den Qüellenwer! des Buches und seiner Schichten
für die Erhebung der Lebensumstände und der Verkündigung
des Propheten diskutiert. Der in die speziellen
Probleme des Jeremiabuches nicht eingeübte

Lese?- muß sich mit gelegentlichen Bemerkungen wie
„späterer Zusatz" U. ä. zufriedengeben. Aber auch für
den Fachmann stellt sieh etwa die Frage, ob die nicht
behandelten Texte (z.B. die Zeichenhandlungen in
K. 13; 18; 19) aus Platzmangel oder aus sachlichen
(Jrunden (zweifelhafte Authentizität) ausgelassen sind.
Es bleibt der Eindruck einer sehr flächen ha ft en Sicht
des Buches Jeremia. Vielleicht wird er durch das
andere, mit dem angezeigten Band wohl etwa gleichzeitig
erschienene Werk H.s „Tin; Architecture of
Jeremiah 1 — 20" (Lewisburg, Pa. 1974) korrigiert.
Nach Kenntnis dieses Buches wird man in eine eingehendere
Diskussion der Thesen H.s eintreten können,

Berlin Winfried Thiel

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JUDAICA

Tht'okraliii. Jahrbuch des Institut um Judaicum Delitzschia-
num, hrsg. v. K. II. Hengst..rf. I: 1907—1969. Leiden:
Brill 1970. VII, 223 S. gr. 8". I.w. hfl. 04,—.

Franz Julius Delitzsch (1813- 1890) ist nicht nur
ein hervorragender Alttestamentier und lutherischer
Theologe der neulutherischen Erweekungsbewegung
gewesen, sondern zeit seines Lebens auch ein leidenschaftlicher
Verfechter der Forderung, daß der Christ
das jüdische Phänomen in Geschichte und Gegenwart
wissenschaftlich erforschen und studieren müsse. Nur
über die genaue Kenntnisnahme dieser historisch-theologisch
und geistesgeschichtlich bedeutsamen Größe
meinte er, mit den Vertretern des Judentums in ein
sachliches Gespräch kommen zu können, sie mit. dem
Christentum bekannt, machen und womöglich für das
Christentum gewinnen zu können. Diesem Ziel diente
.bis von ihm begründete Seminar des Institutum
Judaicum (1880). Das Institut wurde nach seinem
Tode nach ihm benannt. Im Laufe der Jahrzehnte
haben hervorragende Gelehrte und Wissenschaftler in
dieser Bildungs- und Forschungseinriehttmg gearbeitet.
Seit 1948 bat dieses Seminar1 seinen Sitz in Münster/
West f. und w ird von K. H. Hengstorf betreut, der in
seiner Person ein Stück Tradition dieser Arbeit protestantisch
-wissenschaftlicher Theologie verkörpert.
.Nun ist cs ihm in Verbindung mit- einem Herausgeber

kreis, dem christliche und jüdische Gelehrte angehören,

gelungen, ein Publikationsorgan zu schaffen, in dem
Arbeiten veröffentlich! werden, die entweder in dem
genannten Institut selber entstanden sind oder in

Verbindung mit der an diesem Institut betriebenen

Forschung stehen (Vorwort). Der ei'ste Band dieses

Jahrbuches liegt vor und vereinig! Arbeiten aus den
Jahren 1907 1969. Der Name der Zeitschrift wird

com Herausgeber wie folgt begründet : „Theokra! ia ist
ein Wort, das zuerst bei dem jüdischen Historiker
FlaVUlS JoSephuS (Colli raApionem 2,1 (if>) erscheint und
in einer besonderen Weise zum Ausdruck bringt, was

als Anliegen Christen und .luden verbindet. Wenn es

diesem .lahrbuch als Titel dient, so deshalb, weil
dieses nicht zuletzt als eine Plattform für Zusammenarbeit
auf einem < lebiet gedacht ist, auf dem jüdische
und christ liclie Gelehrte sich von einer (I.'schichte her.
die einen festen Bezug auf das hat. was jenes Wort
nieint, notwendig immer wieder begegnen" (Vorwort).

Der erste Band des Jahrbuches gliedert sich in drei
Abteilungen: [.Aufsätze, II. Mis/ellen und III. Bibliographie
. Die Aufsätze beschreiben thematisch einen

weilen Spanmmgsbogen, was ja wohl auch dem breiten
Forschungsspektrum des Münsteraner Instituts entspricht
. So beschäftig! sich Abraham Schabt mit den
.Eroberungen des Alexander Jannäus in Moab' (3 60),
Roland Bergmeier mit der .Loyalital als Gegenstand
paulinischer Paraklese' (51 —63), wobei es dem Autor

um Untersuchungen zu Hörn 13,1 ff. und Josephus
B. J. 2,140 geht. Ihn interessiert vor allem der religionsgeschichtliche
Hinteigrund. Heinz Schreckenberg
fügt ,Einige Vermutungen zum Josephustext' hinzu
(64—75). Der Herausgeber ist mit einem Crundsatz-
artikel zu Problemen, die bei der Bearbeitung rabbi-
nischer Texte gegeben sind, vertreten (.Grundsätzliche
und methodische Überlegungen zur Bearbeitung von

rabbinischen, insbesondere tannaitischen Texten', 70
bis 87). Er setzt sieh darin u. a. kritisch und würdigend
Hill Prinzipien auseinander, die einst Cerhard Kittel

aufgestellt hat. .Mittelalterliche jüdische Grabsteine
aus Schlesien (Breslau-Brieg)' beschreib! Bernhard

Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1970 Nr. 1