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Ausgabe:

1976

Spalte:

476-478

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Finger, Kurt

Titel/Untertitel:

Handbuch zum Glaubensbuch 3 1976

Rezensent:

Schack, Eckhard

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Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 6

476

man mit der „religiösen Frage" die „gemeinsame Basis
für Sinnsuche", die Gesprächsbasis für alle Schichten der
jungen Generation als gegeben ansieht. Damit ist dieser
Ansatz als apologetischer gekennzeichnet! Die Autoren
verstehen sich zwar als Erzieher, die für den christlichen
Glauben in evangelischer oder katholischer Gestalt wirken
, aber sie möchten eine Entwicklung annehmen und
interpretieren, „die außerkirchliche religiöse Erziehung
zu einer realen Aufgabe macht" (S. 22). „Ontologisch abgesichert
" (S. 44) ist der weite (und abstrakte!) Begriff
von Religion durch die Konzepte der Anthropologen M.
J. Langeveld (Sinnerfassen im Miteinander-Leben S. 25)
und E. H. Erikson (Erfahren des „Urvertrauens" S. 188);
sie bestätigen die Sinnsuche als allgemeine anthropologische
Notwendigkeit. „Religion" wurde somit „aus der
theologisch-kirchlichen Isolierung" und aus dem theo-
zentrisch-normativen Verständnis herausgenommen und
als menschliches Existential bestimmt, freilich ohne das
„prophetische Prinzip" verlieren zu wollen. Theologie
wird hier nur als „anthropologisch gewendete" zum
Zuge kommen können, anders wird sie sich in der religiösen
Erziehung und Bildung nicht überzeugend „ope-
rationalisieren" lassen (S. 44).

Der vorliegende Band vermittelt die Einsicht, daß religiöse
Bildung und Erziehung ein „mehrdimensionales
Arbeitsfeld" mit unterschiedlichen Aspekten darstellt:
die wichtigsten Faktoren und Beziehungen werden zunächst
als „Problemfelder religiöser Erziehungswirklichkeit
" bedacht (leider vorerst mehr im Stile eines Traktats
als im Sinne einer einigermaßen abgesicherten Kurz-
Analyse). Wenn das „Kulturklima" der säkularen Gesellschaft
, die Massenmedien und die informellen Gruppen
heute tatsächlich einen großen Einfluß auf den Heranwachsenden
ausüben, dann wäre allerdings zu fragen,
ob der Ansatz bei einer ontologischen Wertorientierung
(Sinnfrage) wirklich zur Lösung hilft; denn nach R. Oer-
ter interessieren sich nur wenige Heranwachsende für
die Sinnfrage schlechthin (S. 184), aber um so mehr für
orientierende Hilfe in ihrer Lebens p r a x i s. Ließe sich
nicht auf dem Bedürfnis des Heranwachsenden nach auseinandersetzender
Tätigkeit in seiner Umwelt eine
Frage-Motivation aufbauen? Besonders für die Überlegungen
zur Lage des Religionsunterrichts an den beruflichen
Schulen könnte solcher Bezug aufschließend sein
(vgl. S. 375).

Weil der Kontext „emanzipierte Humanität" Programm
ist, erhält die entfaltete „Theorie der religiösen
Bildung und Erziehung" (2. Teil) ihre Akzente durch den
ständigen Bezug zur Problem- und Erfahrungswelt der
Heranwachsenden. Besondere Schwerpunkte bilden hier
der Abschnitt über die „Bedeutung der Erfahrung" von
E. F e i f e 1 und der kriterisch-analytische Beitrag von G.
B a u d 1 e r über das „Sprachproblem in der Religionspädagogik
".

Vom Standpunkt der kirchlichen Unterweisung aus,
die nicht apologetisch die Sinnfrage für die Wertorientierung
in der Gesellschaft wachhalten muß, erscheint es
dem Rezensenten als verwirrender und abstrakter Umweg
, zuerst „religiöse Erfahrung" aufzuzeigen, bevor
das „Erfahrungsmodell Jesus von Nazareth" (S. 99) eingeführt
wird. Ein „operationalisierter Christus" (vgl.
S. 321; das ist ein Christus, von dem genau bestimmbare
pädagogische Konkretionen abgeleitet werden können)
wäre geeignet, die nötige Weite für die Frage nach der
menschlichen Lebenspraxis zu schaffen und eine gemeinsame
Gesprächsbasis für Heranwachsende innerhalb und
außerhalb der Kirche zu gewinnen. Im soziokulturellen
Bezugsrahmen kirchlicher Unterweisung in der DDR bedeutete
die positive Aufnahme des Religionsbegriffs
außerdem eher eine Gesprächsbarriere angesichts der
Radikalkritik an jeglicher Religion. G. Stachel, der
die Gefahr eines „Unterrichts im Lebenskontext" im

möglichen Verlust des „Eigentlichen" sieht, erwägt den
Vorteil der schulunabhängigen Katechese in Frankreich
und in USA, eine Katechese, die kerygmatischen Anspruch
und Lebenskontext verbindet (S. 151). Daß es im
deutschen Sprachraum ebenfalls seit über 20 Jahren eine
schulunabhängige Katechese gibt, die zumindest seit den
letzten Jahren in dieser Richtung verfährt, wird leider
nicht erwähnt. Zweifellos wird man im 3. Band zu dieser
Frage ausführlicher Stellung nehmen. Es bleibt noch zu
erwähnen, daß der von diesem Handbuch gemeinte Religionsunterricht
keineswegs ohne Engagement getrieben
werden soll, es gilt vielmehr als Ziel, in einem ständigen
Vorgang der Klärung Entscheidung vorzubereiten
(S. 244).

Der letzte Teil („Die Theorie des Religionsunterrichts")
des Buches gibt schließlich Auskunft über die Position im
religionspädagogischen Gespräch. Kl. Wegenast skizziert
einen neuen Ansatz in der Theorie des Religionsunterrichts
(Abschnitt 3.4), nachdem die vier Grundtypen
(Kerygma-, hermeneutischer, problemorientiertcr und
therapeutischer Unterricht) kritisch gewürdigt und die
drei gegenwärtigen Schultheorien (hermeneutische,szien-
tislische und ideologiekritische Theorie), denen sich der
Religionsunterricht nicht unbesehen auszuliefern hat, gekennzeichnet
worden sind. Er begründet den Religionsunterricht
nicht von der Schule her, sondern von der
Tatsache der Anwesenheit i n der Schule her bestimmt er
die Aufgabe, Hilfe für Schule und Schüler beim Verstehen
und Bewältigen heutigen Menschseins anzubieten.
Konkretisierungen der Aufgaben in den einzelnen Schulstufen
schließen sich an. Von großem Wert sind die Ausführungen
zur „typischen Pathologie" des Religionslehrerberufs
am Schluß des Buches von R. Leuenberge
r; sie stehen wohl in der religionspädagogischen Literatur
einmalig da.

In allem ist der erste Band dieses religionspädagogischen
Werkes ein wirkliches Handbuch für Unterrichtende
, die situationsorientiert den Lebenskontext der
Heranwachsenden zur Sprache bringen wollen und kirchenengagiert
sind. Die einzelnen Abschnitte bieten abgeschlossene
allgemeinverständliche Fachbeiträge, die
aber untereinander verbunden sind. Wer das Buch zusammenhängend
lesen will, wird sich etwas um die klare
Übersicht mühen müssen; aber Einführungen zu den vier
Teilen und Zusammenfassungen (auch die Untergliederungen
am Seitenrand) erleichtern die Orientierung. Indem
die Darstellung des sozialen und anthropogenen Bc-
dingungsgefüge mit Informationen und kritischer Kommentierung
gekoppelt ist, kann dieses Handbuch als Arbeitsbuch
für die Ausbildung gelten und füllt somit eine
gegenwärtige Lücke aus.

Potsdam Dieter Reiher

Finger, Kurt [Bearb.]: Glaubensbuch 3, hrsg. vom Inter-
diözesanen Katechetischen Fonds. Unter Mitarb. der
Interdiözesanen Lehrbuchkonferenz, Sektion Pllicht-
schulen, und des Katechetischen Institutes Wien. Klagenfurt
: Carinthia; Wien: Herder; Wien: Herold; St.
Pölten: Niederösterreichisches Pressehaus; Salzburg:
Otto Müller; Feldkirch: Quelle; Graz: Styria; Innsbruck
: Tyrolia; Linz: Veritas [1972]. 159 S. m. zahlr.
Abb. gr. 8°.

Finircr, Kurt: Handbuch zum Glaubensbuch 3. Eine methodische
Handreichung. Freiburg—Basel—Wien: Herder
[1972J. 631 S. m. Abb. 8" = Religionsunterricht -
Information und Verkündigung, hrsg. v. H. Fink u. E.
J. Korherr. DM 38,-.

Das Glaubensbuch 3 ist Teil einer alle Altersstufen begleitenden
Schulbuchreihe, die orientiert ist am Rahmenplan
für den römisch-katholischen Religionsunterricht in