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Ausgabe:

1976

Spalte:

457-460

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Price, Henry H.

Titel/Untertitel:

Essays in the philosophy of religion 1976

Rezensent:

Beintker, Horst

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Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 6

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Dieser Hauptteil bietet nun, geschickt ineinander verwoben
, einerseits eine sorgfältige, zuweilen geradezu
penible Exegese von Bonhoeffers alttestamentlichen Exegesen
und exegetischen Reflexionen, andererseits eine
— in der Form solcher Interpretation vollzogene — Darstellung
der Bewegung, die in dem Thema: das Alte Testament
als Buch von Christus eingefangen ist. In dieser
Bewegung geht es zuerst um das „Verstehen des Alten
Testamentes von Jesus Christus her", zuletzt um „Das
Verstehen des Neuen Testamentes vom Alten her", und
in der Mitte dieser beiden gegenläufigen Bewegungen
steht die Aussage „Christus im Alten Testament", eine
Aussage, die Vf. sehr vorsichtig abwägend, sie nur heuristisch
und mäeutisch benutzend, jedoch gerade nicht linear
zur Grundthese seiner Arbeit werden lassen möchte
(vgl. S. 82): „.Christus im Alten Testament' bedeutet
dann, daß das Alte Testament als Buch von Christus diesem
ganz und gar gehört, weil sich an ihm das
ganze Alte Testament erfüllt".

Den Schlußabschnitt des Buches, in dem Vf. nach dem
Ertrag seiner Arbeit für das Verständnis der Aussagen
Bonhoeffers über die „mündige Welt" fragt, empfinde ich
als den schwächsten. Ich bin davon enttäuscht, weil ein
Autor, der so präzise auf Bonhoeffers Texte hört, so frei
von Konventionen das nachzeichnet, was Bonhoeffer gedacht
und gemeint hat, hier zurückfällt in allzu gewohnte
, um nicht zu sagen gewöhnliche Kategorien, wenn er
die ganze Fülle dessen, wozu Bonhoeffers Verständnis
des Alten Testamentes in Verfassers eigener Darstellung
angeregt hat, nun in die alten Schläuche von der „Dimension
", „in der sich Jahwe besonders offenbart hatte,
die Dimension der Geschichte" (S. 129) und von „einer
wahren Geschichtlichkeit" gießt. Das bleibt, finde ich,
hinter der Tiefe der Begegnung Bonhoeffers mit dem
Alten Testament und hinter der Gründlichkeit der Begegnung
des Verfassers mit Bonhoeffer zurück.

Empfinde ich dies als Schwäche, so etwas anderes als
Lücke, auf die ich auch nur abschließend kurz hinweisen
kann, nicht ohne anzumerken, daß diese Lücke auch in
meinen eigenen Bonhoeffer-Arbeiten sichtbar ist: Gerade
wenn man so konzentriert weniger Bonhoeffers
Schriftlehre als vielmehr seinem konkreten Verhältnis
zur Schrift konfrontiert wird wie in diesem Buch, merkt
man, in wie hohem Maße sich Bonhoeffers Schriftverständnis
entwickelt und bewegt auf der Basis und im
Gegenüber zu Luthers Schriftverständnis. Am deutlichsten
vielleicht im Verständnis der Psalmen, aber man
denke z. B. auch an Stellen wie WA 40/1, S. 437, wo Luther
Gott zu Christus sagen läßt: „Tu sis Petrus ille ne-
gator, Paulus ille persecutor, ... David ille adulter,
Peccator ille, qui edit pomum in Paradiso, Latro ille in
cpuce, in Summa: tu sis omnium hominum persona qui
feceris omnium hominum peccata, tu ergo cogita, ut sol-
vas et pro eis satisfacias ...", zeigt sich das. Es wäre lohnend
gewesen, hier Vergleiche anzusetzen; in ihnen
^äre nur um so deutlicher geworden, was Vf. erfreulich
uberzeugend sichtbar werden läßt, ohne es ostentativ
zu zeigen, daß Bonhoeffer zwar nicht in den Rahmen von
so etwas wie Offenbarungspositivismus, aber auch nicht
lr> den Rahmen des ethisch-anthropologisch-soziologisch
'""ientierten Modernismus gehört, sondern auf die Linie
ünker Orthodoxie.
Berlin Hanfried Müller

Pr'cc, H. II.: Essays in tbe Philosophy of Religion. Based
°n the Sarum Lectures 1971. Oxford: Clarendon Press;
London: Oxford University Press 1972. VII, 125 S. 8".
Lw. £ 2.25.

Für die Grundlagenproblematik der Theologie im gan-
^°n, speziell für den Glauben wie für die Gottesfrage und
die Frage außerirdischer Existenz, bekommt die religiöse
Erfahrung als solche wieder zunehmende Bedeutung.

Die als „Versuche in der Religionsphilosophie" gemeinten
Vorlesungen gehen ihr z. T. unter parapsychologischen
Fragestellungen nach. Der Verfasser, bis 1959 Professor
für Logik in Oxford, war zweim:;' Präsident der
Gesellschaft für „Psychical Research", iletzt 1960/61.
Insofern hat seine wissenschaftliche Erörterung reli-
gionsphänomenologischer Fragen als Beitrag und anregende
Information für eine theologische Stellungnahme
zu allgemein vorkommenden Erscheinungen, die
Beziehungen zum Glauben bringen, besonderes Gewicht;
auch wenn der christliche Glaube auf Jesus Christus als
Grund der Glaubensbeziehung zu Gott entscheidend
orientiert ist, bezieht er allgemeine Forschungsbeiträge
in fundamentaltheologische Selbstbesinnung ein.

Wie die erste Vorlesung ..Principium sapientiae timor
Domini" (formuliert nach Spr. 9,10: Anfang der Weisheit
ist die Furcht des Herrn!) gleich zeigt, stellt P. sich selber
den biblischen Gedanken; und er gewinnt ihnen tiefe
Einsichten ab. Dabei verbindet er Religionsphänomeno-
logie mit Religionskritik und wendet er die Kriterien
der üblichen religionsphilosophischen Fragestellung an.
Die emotionalen Haltungen, Liebe auf der einen und
Furcht auf der anderen Seite, faßt er zusammen und
sieht sie Gott gegenüber fast eins werden. Bei der Interpretation
von Hebr 12,6 und 1 Joh 4,18 stellt P. fest, „daß
Furcht uns irgendwie verringert, ,makes us feel
small'", daß wir aber auch „durch sie irgendwie erhöht
werden, oder sogar erhöht werden, gerade weil wir geringer
werden" (5). Dadurch erhält timor dei, doch auf
eine persönliche Gottesbeziehung gemünzt, eine qualitative
Veränderung zur Ehrfurcht. Die Furcht, die biblisch
gemeint ist, schließe Liebe nicht aus.

Religionskritisch gesehen erweist sich eine Gesellschaft,
die die Bibel wie jede wertvolle Literatur zum Anlaß des
Nachdenkens nimmt und mit ihr lebt, gegenüber einer
ihre Texte bloß als Glaubensnorm gelten lassenden
Gesellschaft nach P. als „religiöser". Gleiches gilt für die
Frage, ob Gottes Existenz für die Sittlichkeit Bedeutung
hat. Nicht die allgemeine, aber mehr formale Überzeugung
von einem gerechten Gott fördere sittliches Handeln
, wie auch die Erfüllung göttlicher Gebote dies nicht
ausmache, sondern „ein moralisches Wesen" sei eines,
„das die ziemlich ehrfurchteinflößende Kraft hat, für
sich selbst zu entscheiden, ob eine Handlung richtig oder
falsch ist. Dies vielleicht ist ein Teil von dem, was wir
meinen, wenn wir sagen, wir sind nicht nur Gottes Geschöpfe
, sondern auch seine ,Kinder'" (20).

Die theoretische Begründung von Religion aus ursprünglicher
Furcht reflektiert P. nicht, dagegen prüft er
vom Sprachgebrauch und Sachverhalt her „Fürchten"
und „Angsthaben" in einzelnen Analysen und läßt erkennen
, daß der Glaube an einen gerechten Gott, der
Unrecht ahndet, einen „großen erzieherischen Wert"
besitzt (11). Gleichwohl hält er die Bindung der festgelegten
Moral an Gott für einen Fehler, sie sei überdies
„a grave disservice to theology itself" (13). Hier sieht
man P. auf Schleiermachers Wegen.

Der Prozeß der religiösen Entwicklung einer wichtigen
Grundvoraussetzung im Deismus und dann auch im
Christentum wird veranschaulicht an dem Satz „Gott ist
gerecht". Eine voll entwickelte theistische Weltanschauung
könne ihn nicht verneinen. Freilich werde der Satz
im Christentum mit der neuen Nachricht überhöht, daß
..Gott barmherzig ist" (16). P. liest sie aber nur als Fortsetzung
des religiösen Entwicklungsprozesses. Die religionsphilosophisch
vorgenommene Analyse bleibt in
ihrem Schema gefangen. P. kann trotz des glücklichen
Umstandes, daß er als Philosoph die biblischen Texte
so nimmt, wie sie sachlich reden wollen, mit logischen
Schlüssen die personale Mitte der Bibel in dem in Christus
offenbaren Gott nur zum Glied eines religiösen Entwicklungsprozesses
machen. Immerhin führt das sozu-