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1976

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 6

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Vorrangstellung auch die Auslegung des vierten Gebotes
bestimmte. Von hierher dürfe das Verständnis des vierten
Gebotes nie ein Abgott werden. Luther halte auch die
Obrigkeit selbst von dem Gehorsam gegenüber diesem
Gebot nicht ausgeschlossen. Gott gäbe diesem Amt nicht
Ehre, Macht und Rechte zum Selbstzweck; wäre das anders
, so würde das zur Vergötzung der Obrigkeit führen
können. Die Beachtung des vierten Gebotes sei auf der
ganzen Linie umschlossen durch die clausula Petri (Apg
5,29). — Selbst wenn Vercruysses Referat in der folgenden
Diskussion als eine gewisse Englührung des Gesamtkomplexes
, der durch die Themastellung gekennzeichnet
sei, kritisiert wurde, ist doch an der exakt herausgehobenen
Stelle beispielhaft für das Ganze Wesentliches
deutlich geworden.

Von Heiko A. Oberman vorgetragen und danach diskutiert
(S. 195—198) wurden während der Tagung erste
Ansätze zu einem Sachregister der großen wissenschaftlichen
Lutherausgabe (Weimarer Ausgabe, bisher über
100 Bände), deren Erschließung auf diese Weise wesentlich
erleichtert werden wird. In einem 93 Seiten umfassenden
Extraband lagen den Kongreßteilnehmern
Probeartikel zum Sachregister der WA zu den Begriffen
sol, ratio, erudio und Aristoteles vor. (Sonderdrucke aus:
Archiv für Begriffsgeschichte XIV, 2, u. XV, 1. Bouvier
Verlag Herbert Grundmann, Bonn 1971).

Die zweite Arbeitsform des Kongresses bestand in der
Abhaltung von Seminaren, deren Berichte im Schiußteil
des vorliegenden Bandes (S. 199—219) enthalten sind.
Die verhandelten Themen charakterisieren Gegenstände
in der Lutherforschung, die in der Gegenwart stark beachtet
werden. Deshalb seien sie nachstehend aufgeführt
, ohne daß es in diesem Rahmen möglich sein könnte
, auch noch über die Berichte zu berichten: Luther und
der Nominalismus, Luther und Erasmus, Luther und
das Konzil von Trient, Luther und Calvin, Reformation
und Gesellschaft, Luther und die Patristik, Luthers 1.
Psalmenvorlesung, Ubersetzungsprobleme, Luther und
Karlstadt. Während der Seminarsitzungen hatten die
Spezialforscher Gelegenheit, in kurzen Voten ihre neuen
Thesen zur Sache vorzutragen und diskutieren zu lassen
, so daß die „Seminar Reports" ihrerseits den Charakter
instruktiver Forschungsberichte tragen.

Dem Herausgeber ist für den ansprechenden Berichtsband
sehr zu danken! Er beteiligt auch den Nichtteilneh-
mer auf äußerst sachgemäße Weise am Kongreßgeschehen
und gibt damit Aufschluß über den Problembereich
der Arbeit an Luther, den wir offenbar in vieler Beziehung
nicht hinter, sondern vor uns haben.

Berlin Joachim Kogge

Capek, J. B.: Milton Agonistes (CommViat 18, 1975 S. 27
bis 50).

Duchrow, Ulrich: Confessio Augustana VII und die Entwicklung
zur Pastorenkirche (Una Sancta 30, 1975 S.
183-196).

Kaltenbrunner, Gerd Klaus: Die Aktualität Jakob Böhmes
(1575-1624) (StZ 100, 1975 S. 827-838).

Krusche, Werner: Zum 450. Todestag von Thomas Müntzer
(KuD 21, 1975 S. 315-321).

Otter, Jifi: ökumenische Aspekte der Böhmischen Konfession
aus dem Jahre 1575 (CommViat 18, 1975 S. 13
bis 26).

Wendelborn, Gert: Luther und Müntzer (CommViat 18,
1975 S. 57-75).

Zeller, Winfried: Lutherische Orthodoxie und mittelalterliche
Scholastik. Das Thomas-Verständnis des Johann
Georg Dorsch (Theologie und Philosophie 50,
1975 S. 527-546).

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Jcdin, Hubert [Hrsg.]: Handbuch der Kirchengeschichte.

Bd. V: Die Kirche im Zeitalter des Absolutismus und
der Aufklärung, hrsg. v. W. Müller, Q. Aldea, J. Beckmann
, L. Cognet, P. J. Corish, O. Köhler, H. Raab, B.
Schneider, B. Stasiewski. Freiburg—Basel—Wien: Herder
1970. XXX, 670 S. gr. 8°.

Nach der Rezension der Bände I, III (1—2) und IV des
Jedinschen Handbuches (s. die Hinweise in ThLZ 100,
1975 Sp. 206) folgt hier die Besprechung des — wiederum
recht voluminösen — fünften Bandes, dessen zeitlicher
Umfang von der Ermordung Heinrichs IV. von Frankreich
(1610) bis zur Aufhebung des Jesuitenordens durch Papst
Clemens XIV. (1773) reicht, also jene beiden schicksalsschweren
Jahrhunderte zwischen Konfessionalismus und
Aufklärung umfaßt, in denen die Kirche ihre bis dahin
selbstverständliche geistige und politische Weltgeltung
endgültig verloren hat.Ubrigens ist ein Teil dieses Zeitraums
, nämlich der 30jährige Krieg und seine geschichtliche
Umgebung, bereits von Jedin in Band IV (Kap. 48
bis 50) vorweggenommen worden. Demgemäß behandelt
der vorliegende V. Band in zwei Hauptteilen einmal
,.Die Führungsstellung Frankreichs" (mit den Untertiteln
„Das kirchliche Leben in Frankreich" von L. Cognet
, „Das Papsttum zur Zeit der französischen Hegemonie
" von B. Schneider SJ, „Der Ausgang des konfessionellen
Zeitalters — Fortschritt und Stillstand der
Weltmission" von H. Raab, Q. Aldea SJ, P. J. Corish, B.
Stasiewski und H. Beckmann SMB), sodann das Thema
„Staatskirchentum und Aufklärung" (mit den Unterabschnitten
„Die Begriffe" — der Titel ist wenig einleuchtend
— von H. Raab und O. Köhler, „Das kirchliche Leben
unter dem Einfluß des Staatskirchentums und der Aufklärung
" von L. Cognet, H. Raab, B. Stasiewski und W.
Müller, sowie nochmals das Papsttum „unter dem steigenden
Druck des Staatskirchentums" von B. Schneider),
alles in allem 30 Kapitel, dazu Literaturhinweise und ein
umfängliches Register.

Wie in den bisher bereits besprochenen Bänden (Band
VI, 1—2 steht noch zur Besprechung an. Band 11,1 ist 1973
nachgekommen), wird der Leser des Ganzen auch diesmal
mit einer stupenden Fülle von geschichtlich-kirchengeschichtlichem
Material konfrontiert, von dem ein nicht
unbeträchtlicher Teil, zumal in den Beiträgen der ausländischen
Mitarbeiter, in vergleichbaren deutschen Werken
so nirgends zu finden ist. Selten wird man in einem
deutschen Standardwerk ein ähnlich umfassendes Gesamtbild
vom Ausmaß etwa der jansenistischen Bewegung
in Frankreich (aber auch darüber hinaus, s. Register
!) finden, wie es der 1970 verstorbene Louis Cognet
hier, bis in die Einzelheiten und Einzelschriften hinein,
an die Hand gibt. Ebenso positiv ist ferner hervorzuheben
, daß die verschiedenen Verfasser auch in diesem
Band ihr besonderes Augenmerk wieder auf die Fragen
der „Spiritualität" und des Gottesdienstes gerichtet haben
. Und auch hier erfährt man mancherlei Neues bzw.
bisher weitgehend Unbekanntes, so z. B. — abermals bei
Cognet — die große Bedeutung des augustinisch orientierten
Kardinals Berulle und seine Wirkung auf St. Cy-
ran neben und im Unterschied zu dem sonst allein genannten
Cornelius Jansen. (Doch scheint mir die Behauptung
, daß sich St. Cyran und Jansen „in zwei verschiedenen
geistigen Welten entwickelten und der Augustinis-
mus für beide nie (!) den gleichen Sinn hatte", S. 32, doch
übertrieben.) Ansprechend wirkt schließlich auch der
weitgehende, z. T. sogar gänzliche Verzicht auf allzu
deutliche apologetische Unter- wie Obertöne, die in anderen
Bändchen zuweilen zu hören waren, dies zumal bei
einem Abschnitt der Kirchengeschichte, an dem es, zumindest
historisch, wenig zu beschönigen gibt. Zwar hält