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Ausgabe:

1976

Spalte:

443-447

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Luther and the dawn of the modern era 1976

Rezensent:

Rogge, Joachim

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Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 6

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in ein anderes Gebiet der Scholastik einzudringen. Das
gelingt dem Herausgeber gut. Er hat dem lateinischen
Text eine deutsche Übersetzung gegenübergestellt, jeder
Kundige wird ihm das danken, der Nicht-Spezialist erst
recht. Ist solche Übersetzung doch nicht nur Hilfe zum
Verstehen, sondern Deutung. Der Übersetzer strebte terminologische
Konstanz an, in Klammern gesetzte Ausdrücke
erschließen den mitunter knappen Text hilfreich.

Über 100 Seiten der Ausgabe bieten einen fortlaufenden
Kommentar. Dieser Kommentar ist so flüssig geschrieben
, daß er auch für sich lesbar ist und einen treffenden
Eindruck von dem Gedankengang des Duns Sco-
tus vermittelt. Bei diesem Kommentar bewährt sich
Kluxens hochschulpädagogische Erfahrung. Er machtauf
die besondere Bedeutung bestimmter Begriffe aufmerksam
; er zeigt, welchen Stellenwert bestimmte Aussagen
im System des Duns einnehmen; er skizziert kenntnisreich
die philosophiegeschichtlichen Voraussetzungen,
die gewisse Thesen ermöglichten. Wiederholt erfährt der
Leser, wie in diesem Traktat Metaphysik und nicht
Theologie getrieben wird. Der jeweilige Beweisgang des
Duns wird im Kommentar nachgezeichnet, dabei finden
sich gegebenenfalls Verweise auf Spezialuntersuchungen.
Wer mit der verläßlichen Hilfe dieser Ausgabe sich durch
das nicht leicht lesbare Werk des Duns hindurcharbeitete,
sieht sich vielfältig belehrt. Danach wird ihm ein Sachindex
von drei Seiten gute Dienste leisten, wenn er Ausführungen
zu ausgesuchten Themen sich wieder vergegenwärtigen
will.

Die vorliegende Einführung wartet auf einen beharrlichen
Leser.

Rostock Peter Heidrich

Bataillon, Louis-Jacques: Bulletin d'histoire des doctri-
nes medievales. Le quinzieme siecle (RSPhTh 59, 1975
S. 295-316).

Congar, Yves: Les Fausses Decretales, leur rcception,
leur influence (RSPhTh 59, 1975 S. 279-288).

Loenertz, R.-J.: En marge du Constitutum Constantini,
Contribution ä l'histoire du texte (RSPhTh 59, 1975 S.
289-294).

McGinn, Bernard: Renaissance, Humanism, and the Interpretation
of the Twelfth Century (JR 55, 1975 S. 444
bis 455).

Vidläk, Milos: Soziologische Aspekte der Beteiligung der
Waldenser am Hussitentum (CommViat 18, 1975 S. 77
bis 88).

KIRCHENGESCHICHTE:
REFORMATIONSZEIT

Oberman, Heiko A. [Ed.]: Luther and the Dawn of the
Modern Era. Papers for the Fourth International Con-
gress for Luther Research. Leiden: Brill 1974. XIV,
219 S. gr. 8° = Studies in the History of Christian
Thought, ed. by H. A. Oberman, VIII. Lw. hfl. 48.-.

Vom 22. bis 27. 8. 1971 fand in St. Louis, USA, der 4. Internationale
Kongreß für Lutherforschung statt. Etwa 250
Wissenschaftler aus allen Kontinenten nahmen daran
teil. Der Tagung waren bereits drei Kongresse ähnlicher
Art vorangegangen. Der erste fand 1956 in Dänemark
(Aarhus) statt (Berichterstattung darüber in dem Sammelband
: Lutherforschung heute, Berlin 1958), der zweite
1960 in Münster (Westfalen) (Luther und Melanchthon,
hrsg. von V. Vajta, Göttingen 1961) und der dritte 1966
in Finnland (Järvenpää) (Kirche, Mystik, Heiligung und
das Natürliche bei Luther, hrsg. von I. Asheim, Göttingen
1967; siehe dazu ThLZ 95/1970 Sp. 219-222). Die Titel
der nach den Kongressen erschienenen Sammelveröffentlichungen
, die Referate und Berichte wiedergaben, signalisieren
in etwa die Schwerpunkte dessen, was jeweils
verhandelt wurde.

Für den Kongreß in St. Louis fällt es nicht ganz leicht,
eine Sammelbezeichnung zu finden. Vielleicht ist das
Thema der Eröffnungsvorlesung, die Gerhard Ebeling
aus Zürich gehalten hat, noch am ehesten geeignet, als
Überschrift zu gelten: „Luther and the Beginning of the
Modern Age" (S. 11—39; inzwischen deutsch veröffentlicht
in: ZThK69, 1972, S. 185-213). Man wird jedoch
dem Präsidenten des 4. Internationalen Lutherforschungskongresses
, Jaroslav Pelikan, in seiner Vorwortbemerkung
beipflichten können, daß im ganzen der während
der Tagung geleisteten Arbeit ein nützlicher „Forschungsbericht
" (S. XI) vorliegt, der unseren heutigen
Erkenntnisstand bezüglich der mit Luthers Reformationswerk
zusammenhängenden historischen Fragen anzeigt
.

Ebeling zeichnet Luthers Wirkungen in der Geistesge-
schichte der Neuzeit nach und hebt dabei besonders auf
Hegel ab, dessen Verständnis er sich zunächst ausführlich
zuwendet. Hegel habe zum ersten Mal Luthers hohe Bedeutung
für die Geschichte des neuzeitlichen Denkens
betont und den heilsgeschichtlichen und eschatologischen
Aspekt dieses Denkens markiert. Der Zürcher Systemati-
ker setzt sich in diesem Zusammenhang kritisch mit
Troeltsch auseinander, der Luthers mittelalterliche Bindungen
besonders unterstrichen hatte. — Im zweiten
Teil seiner Vorlesung stellt Ebeling allerdings auch den
Gegensatz der Theologie Luthers sowohl zum Mittelalter
als auch zur Neuzeit heraus. Luther gehe nie ganz
ein in den Geist einer Zeit. Vom Mittelalter und von der
Neuzeit trenne den Reformator sein biblisches Sündenverständnis
. Daraus erwüchsen Differenzen natürlich
auch an anderen theologischen Hauptpunkten, wie sich
leicht zeigen ließe. So hätten Inanspruchnahmen Luthers
etwa durch Karl Marx, der den Reformator als den
ältesten deutschen Nationalükonomen sieht (S. 29), oder
durch Erik H. Erikson, der in Luther einen Vorläufer
von Sigmund Freud zu erkennen meint, immer nur ein
sehr begrenztes Recht. — Ebeling weist darauf hin, daß
die Theologie ohne Luthers Sündenbegriff in der Gefahr
stehe, zum Moralismus zu entarten. Ohne sein Sündenverständnis
verliere Luthers Beziehung zur Neuzeit
ihren spezifischen Charakter, ob man nun hinsichtlich des
Persönlichkeits- bzw. des Freiheitsgedankens die Moderne
in Luther verwurzelt sehe oder nicht.

Von dem Tübinger Kirchengeschichtler Heiko A. Oberman
wurde der zweite Hauptvortrag gehalten (S. 40 bis
88), dessen stark erweiterte Fassung in den vorliegenden
Sammelband aufgenommen wurde. Oberman trat bisher
durch zahlreiche Forschungen zum Verständnis Luthers
aus mittelalterlichen Traditionen hervor, besonders
durch sein Buch: „Spätscholastik und Reformation",
Bd. 1, 1965. Er referierte seinem Forschungsgegenstand
entsprechend über die Anfänge oder „headwaters" der
Reformation. Obwohl die Verbindungen zwischen Zürich
, Genf und Wittenberg im Fortgang der Reformation
nicht unterschätzt werden dürften, sei doch der reformatorischen
.Flutwelle' (S. 40) im ganzen durch Luther der
entscheidende Impuls gegeben worden. Oberman verkennt
nicht, welche Voraussetzungen der Theologie Luthers
innewohnen und welche Bewegungen später zum
Teil angezogen, zum Teil ausgesondert wurden, aber Luthers
Initialzündung behalte ihren hohen Rang. In diesem
Zusammenhang werden die Namen von Staupitz,
Karlstadt, Sickingen, Müntzer und Erasmus genannt. —
Nach subtilen Erörterungen, die vornehmlich die Bedeutung
Augustins und des spätmittelalterlichen Augustiner
-Generals Gregor von Rimini für Luthers Frühtheologie
herausarbeiten, kommt Oberman zu dem Ergebnis
: „We have the optimal Chance ... to do justice to the