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Ausgabe:

1976

Spalte:

433-434

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Orella, J. L. u. a.

Titel/Untertitel:

Resurreccion de Cristo y de Los Muertos 1976

Rezensent:

Nagel, Walter

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433

Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 6

434

Orella, J. L., Goitia, J. de, Salas, G. Lorenzo, Basurko, J.,
et J. Plazaola: Resurreccion de Cristo y de Los Mu erlös
. Bilbao: Universidad de Deusto; Bilbao: Mensajero
1974. 237 S., 8 Taf. z. T. färb. gr. 8° = Publicaciones de
la Universidad de Deusto. Teologia — Deusto, dir J. L.
Orella Unzue, 5.

Die Theologen der Universität Bilbao veröffentlichten
in kurzer Zeit unter der Bezeichnung „teologia deusto"
bisher sechs umfangreiche Arbeiten, von denen der 5.
Band „Auferstehung Christi und Auferstehung der Toten
" hier zur Anzeige ansteht. Die Edierung wurde durch
die Situation nach dem Vaticanum II ermöglicht. Im Oktober
1972 billigte die Internationale Theologische Kommission
fünfzehn Sätze über „Die Einheit des Glaubens
und den Pluralismus der Theologie" (S. 7 f.). Im Hintergrund
ist Bischof Anoveros von Bilbao zu vermuten, der
durch seine offene Unterstützung nationaler Minderheiten
, d. h. der Basken, bekannt ist.

Fünf Mitglieder der Fakultät wollen mit ihren Beiträgen
ihre Einheit im Glauben und zugleich den Pluralismus
ihrer Theologie darstellen. Das gilt für die Beiträge
untereinander, aber auch für die Gesamtheit der Beiträge
gegenüber einzelnen Dokumenten oder Arbeitspapieren
des Konzils.

Der Neutestamentier, Jose de Goitia, sammelt und
analysiert mit Sorgfalt und Verständnis die Berichte zur
Grablegung, zum leeren Grab und zu den Erscheinungen
des Auferstandenen, um überraschend im Geschichtswerk
des Lukas den Schlüssel zur heute allein möglichen
Christologie und Ekklesiologie zu finden. Er kündigt einen
weiteren umfangreichen Band an, der die hier abgedruckte
Arbeit (S. 11—124) fortführen soll. Man wird abwarten
müssen, ob dann die hier gegebenen Bemerkungen
revidiert werden dürfen. Der Hermeneutiker, Lorenzo
Salas, sehr engagiert, will die Formeln des NT
und der Tradition nach „heute erkannten, anerkannten
und gültigen Normen" interpretieren (S. 125—148). So
bewußt er die „historischen Züge" dabei bewahren will,
ermutigt er doch Schritt um Schritt seinen Leser, die
„Imperative der gegenwärtigen Stunde anzunehmen"
(S. 128f.). Diese ist „total vom politischen Leben" geprägt
. Die Kirche muß sich darinnen völlig einsetzen,
oder sie wird zugrunde gehen. Denn wir sollen „Gott in
der Geschichte von heute suchen, weil der Mensch der
Bibel Gott in der Geschichte und durch die Geschichte
entdeckt hat" (S. 129). Das wird zum Impuls, unser Leben
in der Geschichte umzustellen, um „in aktiver Hoffnung
den mit der Auferweckung Jesu gegebenen Verheiljungen
zu antworten. Dann wird der Gläubige auferstehen
wie ER" (S. 148).

Salas sieht in der Auferstehung Jesu einen für die gesamte
Menschheit wichtigen Tag, der unerhörte Möglichkeiten
der Weltveränderung gibt (S. 148 Anm. 50 mit
Zitierung von Karl Marx).

Der Liturgiker Javier Basurko behandelt die Totenmesse
und die mit den Exequien verbundenen Riten
(S. 149 —171). Er steht besonders kritisch gegen das Konzil
und das dort erarbeitete Ritual, so sehr sich dieses
;>uch dem Pluralismus öffnet (S. 156-164, S. 166). Die Liturgie
muß nach seinen Worten Beziehung zum täglichen
Lebender feiernden Gemeinde haben, sie hat „un rol social
" zu erfüllen. Deshalb dürfen die liturgischen Formeln
keinesfalls mehr apokalyptisch (= teleologisch-escha-
tologisch) sein, sondern dürfen lediglich einen prophetischen
Inhalt haben. Gewiß sollen die Exequien Trost und
Beistand in Leid und Unglück bringen, aber sie müssen
»die Linie des Protestes gegen Leid und Unglück und
Segen das bestehende System eine umstürzlerische und
Unruhe stiftende Einstellung" zeigen (S. 170 Anm. 50

mit Polemik gegen Moltmann, der es unterlasse, zum
Kampf gegen die entmenschlichenden Gewalten der Gesellschaft
aufzurufen).

J. T. Orella, Redaktor des Bandes und Verfasser des
Vorwortes, behandelt auf S. 173—182 den die spanisch
sprechende Bevölkerung Europas und Amerikas in höchstem
Maße erregenden Verzehr von Leichen nach einem
Flugzeugabsturz in den Anden im Dezember 1972. Im
Anschluß an Augustin (de civ. 22,12) und an ein bisher
unbekanntes Ms. von Aegidius von Rom wird moral-theo-
logisch und dogmatisch dahingehend entschieden, daß
die Auferstehung der Toten durch eine Zerstörung des
menschlichen Körpers gleich welcher Art nicht ausgeschlossen
würde, weil die erste Schöpfung Gottes ihre
Gültigkeit behalte.

Orella fügt Thesen und Arbeitsbericht eines Dialogs
von dreißig Professoren der Universität aus allen Fakultäten
vom 20. 2. 1973 hinzu (S. 183-200). Er bedauert darinnen
die den Sachverhalt nicht genau deckende Unterscheidung
von „Geschichte" und „Historie" (unter Nennung
der deutschen Worte). Denn Geschichte habe stets
Realitäten mit objektiver Basis (S. 190). Die Auferstehung
Jesu sei „in der Zeit" erfolgt, deshalb müsse das
christliche „Bewußtsein" (im Spanischen das gleiche Wort
wie „Gewissen" !) von immanenter Dynamik, Bewegung
und Fortschritt erfüllt sein, freilich offenbleiben für die
Transzendenz. Unvermittelt endet er ähnlich wie Salas,
die Auferstehung Jesu sei die große, die Menschheit
einende Symphonie, der Glaube daran der erste schöpferische
und revolutionäre Akt (S. 200).

Juan Plazaola beendet die Reihe der Aufsätze (S. 201 bis
215) und gibt sieben Bildtafeln von europäischen und
amerikanischen Kunstwerken, die den Auferstandenen
zum Gegenstand haben. Da seine Darstellung in die neue
Einstellung des Hl. Stuhls gegenüber der Biennale einmündet
und die Kunstwerke neuesten Datums sind, verdient
dieser Aufsatz eine gebührende Beachtung.

Der Band verlangt unseren Respekt und unser Nachdenken
. Er will der Kirche in der Separationsbewegung
der Basken und in der damit verbundenen gesellschaftlichen
Neuorientierung (Sozialismus, Progressivität)
ihren Platz bewahren. Unverkennbare Einseitigkeiten
sollen angemerkt werden. Sosehr auch die Bereitschaft
zu begrüßen ist, gegenüber den politisch gesellschaftlichen
Aufgaben, die die Umwelt stellt, offen zu sein, sosehr
muß vor der Versuchung gewarnt werden, Gott in
der „Zeit" und in der Geschichte zu sehen und ihm nach
den hier geltenden Regeln zu dienen. Das gilt auch, selbst
wenn die Existenz der Kirche davon abhängen sollte (S.
128 f.). Nicht zufällig ist es wohl, daß das Leben des
„auferstandenen Christen" auf die Einsicht und den Gehorsam
(S. 148) gegenüber den Regeln des irdischen Jesus
zusammengestrichen ist. Weite Bereiche nt.licher
Theologie fehlen oder sind nur am Rande berührt, z. B.
die Sakramente und der ganze Sachverhalt 1 Kor 15,
12-58.

Die Mitarbeiter dieses Bandes haben die Literatur
vielfach nur aus zweiter Hand, in Ubersetzungen oder
durch Zufall in die Hand bekommen und benutzt. In der
ausgiebigen Erörterung der Varianten zu Joh 19,38 (Plural
oder Singular) ist offenkundig nicht bei den Quellen
nachgesehen worden (S. 18), sonst wäre aufgefallen, daß
Ephrem der Syrer als ältester Zeuge des Diatessaron den
Singular mit gutem Grunde anführt. Die Zitate sind
„Glückssache", besonders die aus deutschen Texten.
Das einzige LXX-Zitat, aus Hos 6,2 zu 1 Kor 15,4 auf
S. 110, ist fehlerhaft.

Bremen Walter Nagel