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Ausgabe:

1976

Spalte:

418-420

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Braun, Rainer

Titel/Untertitel:

Kohelet und die frühhellenistische Popularphilosophie 1976

Rezensent:

Bertram, Georg

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Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 6

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Zuverlässigkeit des Werkes erheblich beeinträchtigen
und zumindest bei Abfassung des sehr genauen Autorenregisters
hätten auffallen müssen.

Die kritischen Bemerkungen über die technische Redaktion
sind vor dem Hintergrund des Urteils über den
inhaltlichen Wert der einzelnen Kapitel zu sehen, das im
allgemeinen recht positiv ausfallen kann. Die meisten
Abschnitte bieten eine umfassende, klar gegliederte und
alle wichtigen Beiträge mit wenigen Ausnahmen in den
Blick nehmende Darstellung des bisherigen Weges der
formgeschichtlichen Forschung auf ihren verschiedenen
Sachgebieten, wobei, wie schon im Vorwort des Herausgebers
anklang (s. o.), eine vorsichtig abgewogene Haltung
eingenommen wird. Die Verfasser sind durch eigene
Beschäftigung mit den von ihnen behandelten Gebieten
gut vertraut und verstehen es, das Auf und Ab der För-
schungsgeschichte anschaulich zu schildern. Wünsche auf
Berücksichtigung zusätzlicher Literatur (außer den laufenden
Neuerscheinungen) sind nur an wenigen Stellen
dringlich: so zum „Heiligen Krieg" (102) des Beitrages
von M. Weippert, ZAW 84, 1972, 460-493, sowie von F.
Stolz, Jahwes und Israels Kriege, ATANT 69, Zürich
1972; zur Geschichtsschreibung (73) G.Hölscher, Geschichtsschreibung
in Israel, 1952, sowie H. Schulte, Die
Entstehung der Geschichtsschreibung in Israel, BZAW
128, 1972. Im allgemeinen ist ein erstaunlich umfangreiches
Schrifttum verarbeitet, Zufälliges und nicht unbedingt
Repräsentatives nur auf Randgebieten, wie zur
nachreformatorischen und frühneuzeitlichen Schriftauslegung
(17). Am schwächsten wirkt der letzte Beitrag
(mit nicht wenigen Selbstzitaten), teilweise sicher auch
deshalb, weil das Gebiet der Weisheit noch immer zu den
vernachlässigten in der alttestamentlichen Forschung
zählt. Die gegenwärtige Situation wird dabei mit Recht
(im Gegensatz zu dem durch manche „Einleitungen" entstehenden
Eindruck) durchaus kritisch gesehen: die Problematik
, die in der Schwierigkeit einer genauen methodischen
Abgrenzung der Formgeschichte gegenüber benachbarten
Methoden liegt (z. B. der Redaktionsgeschichte
, neuerdings auch der Stilkritik und sprachlichen
Strukturforschung), die Gefahr, gegenüber ihren notwendigerweise
generalisierenden Blickpunkten das jeweils
Individuelle zu übersehen, damit verbunden auch
die Erkenntnis, daß der „Sitz im Leben" keine feste
Größe ist, sondern daß Leben Wandlung bedeutet und
deshalb sich auch die Formen wandeln, zudem kein Lebensbereich
in sich abgeschlossen ist, sondern wechselnden
Einflüssen von verschiedenen Seiten unterliegt (vgl.
bes. 89ff., 221 ff.). Als technische Auswirkung der methodischen
Unsicherheit auch die Unklarheit in der Terminologie
: Eine einheitliche Verwendung der Begriffe
..Formgeschichte", „Formkritik", „Gattungskritik" usw.,
geschweige denn eine international anerkannte Begrifflichkeit
ist noch immer nicht erreicht (vgl. bes. 175ff.).
Im ganzen gesehen wird man z. Z. keine Darstellung finden
, die in derart umfassender und kritisch fundierter
«eise das gesamte Gebiet formgeschichtlicher Forschung
am Alten Testament beschreibt. Die Dichte der Darstel-
lung macht die Lektüre vor allem für den Fachwissenschaftler
wertvoll, der die behandelte Literatur wenigstens
größtenteils schon kennt. In diesem Sinne ist sie
«ine auch gerade für die methodische Besinnung und
weiterführung fruchtbare Bestandsaufnahme. Als Einführung
auf den jeweiligen Einzelgebieten würde sie erheblich
an Wert gewinnen, wenn bei einer gegebenenfalls
notwendigen Neuauflage die erwähnten technischen
Mängel beseitigt und z. B. durch Rückverweise
auf bereits registrierte Literatur eine größere Geschlossenheit
hergestellt würde. Ein Eingehen auf inhaltliche
Einzelheiten wäre an vielen weiteren Punkten reizvoll,
muß aber aus Raumgründen unterbleiben.

Bochum Henning Gral Reventlow

Braun, Rainer: Kohelet und die frühhellenistische Populär
Philosophie. Berlin—New York: de Gruyter 1973.
XII, 187 S. 8° = Beiheft zur Zeitschrift für die alttesta-
men tl. Wissenschaft, hrsg. v. G. Fohrer, 130. Lw. DM 68,—.

Der Vf. geht von den bisherigen Studien zur Umwelt
des Buches Prediger aus. Diese beschäftigen sich vor allem
mit den möglichen Einflüssen der ägyptischen und
der mesopotamischen Kultur und der orientalischen
Lehr- und Weisheitsliteratur. Dazu wird kritisch Stellung
genommen. Gewiß steht letztlich die Welt des alten
Orients formal und ideologisch hinter manchen Motiven
der Pred-Überlieferung. Aber die historische Wahrscheinlichkeit
solcher uralten, tausendjährigen Einflüsse
ist nicht sehr hoch und schwerlich unmittelbar
nachzuweisen. Zeitlich wie sachlich gehört die Sentenzensammlung
des Pred in die Zeit der frühhellenistischen
Bildung mit ihren gnomischen und popularphilosophi-
schen Gedankengängen, mit ihrem aufgeklärten Menschenbild
und ihrem individualistisch-empirischen Ansatz
. So wird einleitend eine Uberschau von dieser Umwelt
gegeben, und die Untersuchung setzt diesen Hintergrund
voraus. Unter dieser Voraussetzung steht die literarische
Analyse, die mit einer sprachgeschichtlichen Untersuchung
typischer Begriffe und Wendungen des Buches
Pred beginnt. So kann der Begriff .Nichtigkeit' bildhaft
konkret oder abstrakt und zugleich anthropologisch
als .Eitelkeit' verstanden werden. Er bezieht sich wohl
auf die Unsicherheit und die Mängel der menschlichen
Erkenntnisfähigkeit. Ähnliches oder Entsprechendes ist
für andere Beispielworte nachweisbar. Die Frage ergibt
sich, wieweit hellenistische Deutung der hebräischen
Termini des Pred anzunehmen ist. So ist die Mühsal des
menschlichen Lebens nach Gen 3,17 schöpfungsgemäß.
Das steht hinter Pred 1,13 wie hinter 3,10 und wohl auch
hinter 2,26. Diese wie auch andere alttestamentliche Motive
finden gewisse Parallelen in der hellenistischen
Umwelt. Den Hauptteil der ganzen Arbeit nimmt die
Motiv- und Kompositionsanalyse der Einzelsentenzen
beim Pred ein. Sie werden nach Themen sachlich geordnet
. Das geschieht um der Übersichtlichkeit willen, ohne
daß daraus literarische oder überlieferungsgeschichtliche
Folgerungen gezogen werden sollen. Auf den einleitenden
Prolog folgt die Behandlung der einzelnen Sentenzen
in einer sachlich begründeten Reihenfolge. Als Ausgangspunkt
erscheinen die pessimistischen Aussagen
über die Erfolglosigkeit der menschlichen Bemühungen
mit der Frage nach dem Wert der Weisheit und dem Ertrag
der menschlichen Tätigkeit. Von daher ergeben sich
die Grundfragen des menschlichen Geschickes, das das
Dasein bestimmt. Die dahin gehörenden Sentenzen werden
unter den Stichworten Mensch und Zeit, der Mensch
und die Verhältnisse seiner Umwelt, Mensch und Todesgeschick
und menschliches Dasein und die Gottheit aneinandergereiht
. Es folgen Sätze über die relativen Möglichkeiten
der menschlichen Existenz und ihre sinnvolle
Nutzung. Auf Sätze über den relativen Wert der Weisheit
folgen solche über die Möglichkeiten des Lebensgenusses
und des Tätigseins. Wie allgemein anerkannt,
schließen zwei redaktionelle Epiloge das Werk des Pred
ab. Die einzelnen Abschnitte enthalten je die Übersetzung
der Sentenzen, die Motivanalyse und eine Stil- und
Kompositionsanalyse. Das Ergebnis dieser Darlegungen
wird in einer Zusammenstellung der besprochenen griechischen
literarischen Parallelen zum Pred und ihres
Vorkommens im griechischen Denken und einer Zusammenfassung
der Hauptgesichtspunkte dargeboten. Deutlich
hat sich gezeigt, daß die frühhellenistische Bildung
besonders mit ihren pessimistischen Neigungen bestimmend
auf den Pred eingewirkt haben muß. Denn diese
Gedankengänge haben z. Z. des Pred in der geistigen
Diskussion die literarische philosophisch-rhetorische Bildung
führend beeinflußt, wie sie auch in den Stilformen