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1976

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Altes Testament

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1!)

Theologische Litcraturzeitung 101. Jahrgang 1970 Nr. 1

20

Gral, Fritz: Eleusis und die orphische Dichtung Athen«
in VOrhellenistlgeher Zeil. Berlin-New York: de Gruyter
1974. XII. 221 S. gr. 8° Religionsgeschichtliche Vor-
suche und Vorarbeiten, hrsg. v. V. Burkert u. C. Colpe,
83. Lw. DM OS.—.

Über das verworrene und verwirrende Gebiei der

eleusinischen Mysterien einerseits, der Orphik anderseits
ist zu allen Zeiten viel geschrieben und spekulier!
worden. Insbesondere über die Beziehungen zwischen
diesen beiden Größen gab es die weit est gellenden

Vermutungen. Sie führten zur heftigen Reaktion
Lobecks, der in seinem „Aglaophamus" (Königsberg

1829) für eine radikale Trennung plädierte. Diese

Skepsis wurde zur communis opinio, gegen die sieb
Gegenstimmen nicht durchsetzen konnten. Eine von
diesen gehörte Fritz Wehrli, der- 1934 in seiner Arbeit
Über „Die Mysterien von Eleusis" (AKW III. 77 104)
die Vermutung aussprach, daß die OrphlSChen Dichtungen
die Kulttatsachen von Eleusis getreulich spiegeln
könnten.

Der Anregung Wehrlis folgend, rollt, sein Schüler
Graf in einer gründlichen Studie (Diss. phil. Zürich
1971/72) die «Unze Frage erneut auf. Er setzt sich
dabei intensiv mit, der umfangreichen Literatur auseinander
, hält sich aber vor allem an die Primär quellen.
Diese Zeugnisse sind freilich lückenhaft, der Interpretation
bedürftig und ihrerseits schon weitgehend
Interpretation. (!. beschränkt sich mit gutem Grund
auf die Zeit bis zum 4. Jh. v. Chr. und sieht von der
später weiterwachsenden Orphik ab. Die Aussagen
bei den N'euplat onikern und den Kirchenv ätern, die
auf den älteren Zustand gehen, zieht er natürlich
heran.

Zwei Ziele will G. erreichen: n) „eine umfassende
Darstellung dessen, was in einer solchen orphisch-
eleusinischen Dichtung gestanden haben könnte", b)
„eine sichere Datierung dieser Dichtung; gerade sie
kil.lt sieh aufgrund neuerer Arbeiten zur attischen
Vasenmalerei jetzt durchführen". Die Auswertung
der bildlichen Darstellungen S. 187 f. zählt Kxkurs
1 17 Nummern auf ist neu und wertvoll. (Es wäre
schon gewesen, hätte der Verlag Bildtafeln oder wenigstens
Strichzeichnungen der wichtigsten Vasenbilder
beigehen können.)

In 5 Kapiteln verfolgt G. sein Thema. Kap. I,
„Die orphische Dichtung und Eleusis" (S. 1 - 39), führt
Forschungsstand und Problematik vor und hebt
insbesondere die schon früh bezeugte Tradition hervor,
die den weisen Sänger Orpheus zum Gründer der eleusinischen
Mysterien macht. Kap. II, „Eleusis und
Dionysos" (S. 40—78), interpretiert u. a. den Mysten-
ehor aus den „Fröschen" des Aristophanes v. J. 405,
dessen Aussagewert G. entgegen der verbreiteten
Skepsis hoch einschätzt.

Kap. III „Die Jenseitsdichtung" (S. 79- 150), ist
das Kernstück. G. vergleicht ausführlich eleusinische
und orphinische Eschatologie und erwägt besonnen,
aber nicht zaghaft die Möglichkeiten des rituellen
Hintergrundes. Abgelehnt wird eine rituelle Katabase
im Weihehaus zu Eleusis, anerkannt das religiöse;
Erlebnis, das sich in den epischen Katabasenschilde-
rungen artikuliert fand. Kap. I V, „Die orphisohen
Demeter- und Koregedichte" (S. 151—181), gilt vor
allem dem Gedicht von Dcmeters Einkehr in Eleusis,
das G. in die Zeit zwischen den „Triptolemos" des
Sophokles (468) und die „Frösche" des Aristophanes
datiert. G. verweist auf den Seher Lampon, der gerade
in dieser Zeit in Athens Religion und Politik eine
bedeutende Rolle spielte. „In der Umgebung eines

solchen Mannes kann eine sakrale Dichtung, welche
altes mythisches und rituelles Gut mit neuen sophistischen
Ideen und den Ansprüchen der athenischen

Außenpolitik verband, wohl beheimatet sein" (S. 181).
Kap. V, „Die orphisch-eleusinische Dichtung

Athens" (S. I «2 I SO), faßt zusammen. Orphik ist
ein Sammelbegriff, der ganz disparale Gebilde zusammenfaßt
. Die attischen Orphiker unterscheiden
sich deutlich von der sonst igen Orphik, etwa durch das
Kehlen einer Seelenwanderuugslehrc. Sic schufen keine
Poesie versteckter Winkelkulte abseits von der zeitgenössischen
Umwelt, sondern verlralenj' mil ihren
Mit teln die Ansprüche At Ileus, Heimat von < !ct reidebau
und Kultur zu sein. Entstanden vom späten (i. bis zum

4. Jh. v. Chr., geschaffen in einem Kreise von Männern,
der- sich mit Athen und seinen Mysterien verbunden
fühlte, wnr das Anliegen (lieser Dichtung, ..das eleusinische
Ritual und den eleusinischen Mythos, beide
Jahrhunderte alt, interpretierend der jeweiligen Gegenwart
offenzuhalten'* (S. 180). Damit greift die neueste
Forschung Über Lobeck hinaus auf den alten I1'. CreUZer

zurück, dessen „Symbolik und Mythologie der alten

Volker" (1. nicht zu fällig auf der zweit en und ih r letzten
Seit e zi ierl.

Von den Exkursen ist Nr. III, „Baubo undjihr
Anasyrma" (S. 191 199), hervorzuheben. Der Vergleich
von Clem. Protr. 2,21,1 und Arnob. Adv. mit.
5,25 zeigt , da 3 AmobiuS „mehr Weiß, als er den Worten
des Clemens entnehmen konnte". Ein gutes Literaturverzeichnis
und sorgfältige Register der Stellen, der
Namen und Sachen sowie der griechischen Begriffe
erschließen die Arbeit.

G. hat sich in ein schwieriges Gebiet mit Mut und
Umsieht eingearbeitet. Wenn seine Ergebnisse z.T.
über Vermutungen nicht hinausführen, so liegt es an
der Kompliziertheit der Materie. Mit häufigem „vielleicht
" und „wohl" kommt G. auf dem schmalen Weg
zwischen Hyperkritik und optimistischer Konjektur zu
einem Bild der Dinge, das in sieh stimmt und einleuchtet
. So könnte es gewesen sein.

Eine allgemeine Erwägung zum Schluß: Mysterien«
kulte, cschatologische Spekulationen, gnostisehe Syst
ernkonstruktionen — solche Erscheinungen gelten
weithin als Speziflka der Religionsentwicklung seit der
hellenistischen Zeit. G.s Darstellung kann da eine
heilsame Erinnerung daran sein, wie vieles bereits in
der „klassischen" Zeit Seite an Seite mit der Polis-
religion der olympischen Götter einerseits, der rationalen
sophistischen Aufklärung andererseits von diesen
Formen der Religiosität vorhanden war.

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ALTES TESTAMENT

Bonnard, P.-E., Prof.: Lt weond lsni>. Bon disoiple et leurs
editeurs Isafe 40—66. Paris: Gabulda 1072. 560 S. gr. 8"
= litudes Bihliqucs.

Der Lyoner Bibliker legt, mit diesem Buch eine mit
spürbarer Anteilnahme geschriebene, sprachlich ebenso
elegante wie präzise Auslegung der deutero- und frito-
jesajanischen Prophetien vor, der es in erster Linie
nicht um neue Lösungen der litenir- und trndit ionsgeschichtlichen
Probleme, sondern um die Ermittlung
der theologischen Aussagen und ihres Fortwirkens im
Alten und Neuen Testament gebt. Die- Behandlung
Dcutcrojesajas (40 55) nimmt 04 Seiten für die Umleitung
und 228 für die Auslegung, die Tritojesajas
(50—00) für den gleichen Zweck 20 und 154 Seiten in