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Ausgabe:

1976

Spalte:

414-417

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Old Testament form criticism 1976

Rezensent:

Reventlow, Henning

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Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 6

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eine sehr viel fundamentalere Rolle spielen, als dies im
allgemeinen zugestanden wird" (Vorwort). Spätestens
bei dem letzten Aufsatz „Altorientalische Welt in
der alttestamentlichen Theologie" (145—164; Hervorhebungen
von Schm.), der dem gesamten Band den
Titel geliehen hat, wird es deutlich, daß der Vf. mehr als
nur informieren und belehren will, daß es ihm um das
weitergesteckte Ziel eines neuen theologischen und methodischen
Grundansatzes alttestamentlicher (vielleicht
sogar biblischer) Theologie geht, der sich bewußt von G.
v. Rads geschichtstheologischem Verständnis altisraelitischen
Glaubens abhebt, Diese letzte Studie unternimmt
den Versuch, Fragestellungen, Methode und Ergebnisse
der vorstehenden Ausführungen zusammenzufassen
, ihre theologischen Implikationen und Aussageziele
namhaft zu machen und zu fixieren (145). Sie
stellt so etwas wie eine Interpretation der vorher gemachten
Äußerungen dar, urteilt an manchen Stellen
vorsichtiger und zurückhaltender als jeweils am voranstehenden
Ort. Im Hintergrund der hier verhandelten
spezielleren Themen stehen natürlich die Ergebnisse der
beiden ausgezeichneten Monographien des Autors .Wesen
und Geschichte der Weisheit', 1966, und Gerechtigkeit
als Weltordnung', 1968. Schm. kommt von der Erforschung
altorientalischer Weisheit her und hatte es dabei
immer schon mit Fragen der altorientalischen Denkstrukturen
und Weltverständnisse zu tun. Er erkannte
das starke Integriertsein alttestamentlicher Glaubensund
Erfahrungsaussagen in die altorientalische Welt als
Teil dieser Welt und wirbt darum energisch für die Anerkenntnis
gemeinorientalischer Denk- und Verste-
hensstrukturen als hermeneutisches Prinzip für sachgerechtes
Erfassen alttestamentlicher Phänomene. Vor
aller Feststellung israelitischer Speziflka müssen die altorientalischen
Gemeinsamkeiten und Fundamente erkannt
und anerkannt werden. Erst von dorther treten
die Eigenausprägungen Israels richtig in das Blickfeld
des Betrachters.

Diese Grunderkenntnisse werden an speziellen Themen
durchgespielt, so etwa an der Schöpfungstheologie
(»-30), an dem Verhältni s von Jahweglauben und alt-
orientalischem Weltordnungsdcnken (31—63), an Überlegungen
zu Weisheit und Geschichte (64—90) sowie an
Erörterungen zu dem Nebeneinander von sog. .heiligem
Krieg' und Gottesfrieden im Alten Testament (91-120)
und an der Frage nach der .geistigen Heimat' des Propheten
Arnos (121—144). Was hier an Einzelgedanken sowie
an grundsätzlichen Reflexionen ausgebreitet wird, ist
aller Überlegung wert, und man sollte sich nicht an gelegentlichen
extremen Äußerungen stoßen, die wahrscheinlich
oft genug nur zur Verdeutlichung der Position
beitragen und in dem größeren Rahmen einer Gesamtkonzeption
gesehen werden wollen. Diesen Eindruck
kann man beispielsweise bei den Ausführungen zu
der sehr pointiert vorgetragenen These von der ,Schöp-
^ungstheologie als Gesamthorizont biblischer Theologie'
gewinnen, bei denen der Autor in den letzten Anmerkungen
(S. 25-30, Anm. 44-46) sich selber Zurückhaltung
zuspricht und in dem nachfolgenden sowie in dem
schon genannten letzten Aufsatz Erläuterungen zu dem
**Bt, was wirklich gemeint ist. Altorientalisches Welt-
'"'dnungsdenken ist für Schm. nicht der formale Rahden
, .in den Israel sein Proprium gießt, sondern hat für
'hn erstrangige theologische Relevanz. Die „Frage nach
der Möglichkeit einer in sich einigermaßen aufgehenden
Wclt, in der Frieden und Gerechtigkeit herrschen, jeder
SU seinem Recht kommt, eine Übereinstimmung von Tat
und Ergehen besteht und Schuld nicht ungestraft bleibt,
so daß die Welt Bestand haben kann und Leben möglich
£t" (151), ist die Frage nach der heilen Welt, nach dem
Heil der Welt, nach dem Heil der sozialen Gruppen und
ln ihnen nach dem Heil des einzelnen. Dies sind enorm

theologische Grundthemen, nicht Prolegomena der israelitischen
Religion: „Wo heile Welt geschaffen wird,
erfährt man Gottes gnädiges Handeln; wo der Mensch
sich gegen die Grundordnungen vergeht, erhebt sich
Gottes Zorn" (154). Diese Grundeinsichten haben natürlich
Konsequenzen, etwa für die Überprüfung des gängigen
Bildes von der Frühzeit Israels, für die Frage nach
dem Spezifikum Israels, für das Problem der natürlichen
Offenbarung. Schm. sieht in der israelitischen Religion
von ihren Anfängen her bis in die frühe Königszeit hinein
keine so wesentlichen Unterschiede zu den übrigen
altorientalischen Religionen, wie dies gemeinhin erklärt
wird. Für ihn sind es spezifische Ausprägungen gemeinorientalisch
typischer Strukturen' (154). „Wer den Gang
der israelitischen Glaubensgeschichte sachgerecht verstehen
will, muß daher den polyvalenten, gemeinorientalischen
Anfang und die in seinem Gefolge ausgeprägten
Weiterführungen in einem begreifen müssen. Diese
letzteren sind zu beschreiben als das Ergebnis der Integration
neuer Erfahrungen in den Horizont der vorgegebenen
Denkmöglichkeiten" (156). Schm. liegt sehr viel
an dem Begriff der Integration'. Ihm kommt in seinen
Darlegungen die Funktion eines ,hermeneutischen Ansatzes
' zu (162, Anm. 10). In diesem Begriff soll die ,enge
Bezogenheit des Glaubens auf Welt und Welterfahrung'
angedeutet und in das Bewußtsein gerückt werden. Die
theologische Wahrheit ist nach Schm. nur ,im gesamten
(überlieferungs-)geschichtlichen Prozeß' faßbar, „der
sich in diesem Kontext als durchlaufender Integrationsprozeß
darstellt. Als solcher konnte er sich nur vollziehen
in Form geschichtlicher Auseinandersetzung und
Strittigkeit: in der Form der Auseinandersetzung und
des Streites um die Art der Integration neuer Erfahrung
" (156). Man wird wohl über den hier gebrauchten
Begriff der Integration weiter nachdenken müssen, vor
allem im Blick auf die Frage, wohinein integriert wird,
die Frage nach Ort und Ziel der Integration. Und mit
dieser Frage ist dann doch dringlich das Problem der israelitischen
Speziflka zu lösen aufgegeben, die darzustellen
Aufgabe alttestamentlicher Theologie ist. Darüber
besteht zwischen Vf. und Rz. keine Meinungsverschiedenheit
, man darf von Schm. dazu sicher weitere
Überlegungen erwarten. Ihm kam es in diesem Zusammenhang
im wesentlichen darauf an, hinzuweisen, daß
alttestamentlicher Glaube und altisraelitische Welterfahrung
fest in altorientalischen Denk- und Vorstellungsstrukturen
verankert sind und daß dieser Tatbestand
nicht allein eine hermeneutische, sondern auch
eine theologische Bedeutung hat. Dies ist ihm überzeugend
gelungen.

Leipzig Siegaicü Wagner

i

Hayes, John H., Ed.: Old Testament Form Criticism.

San Antonio, Texas/USA: Trinity University Press

[1974]. XIX, 289 S. gr. 8° = Trinity University Mono-

graph Series in Religion, 2. Lw. $ 8.—.

Eine Reihe jüngerer amerikanischer Alttestamenller,
von denen einige auch schon durch Veröffentlichungen im
deutschsprachigen Raum bekannt geworden sind, sowie
ein Deutscher, der sich früher längere Zeit in den Vereinigten
Staaten aufgehalten hatte, sind die Verfasser
der Kapitel dieses Handbuches, das es sich zur Aufgabe
gesetzt hat, „to examine the results of past form critical
research and to sketch the basic issues which characterize
contemporary OT form critical studies" (Vorwort des
Hrsg., XVII), also eine Art Gesamtdarstellung des heutigen
Standes formgeschichtlicher Arbeit am Alten Testament
in seinen verschiedenen Bereichen zu bieten.
Wichtig erscheint der Hinweis des Herausgebers, daß die
Formkritik nur eine unter verschiedenen exegetischen
Methoden sei, die man bei der Bibelauslegung verwen-