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Ausgabe:

1976

Spalte:

398-400

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Zwanger, Helmut

Titel/Untertitel:

Sage und Mythos in Karl Barths Kirchlicher Dogmatik: ein Beitrag zum Verständnis Barthscher Hermeneutik 1976

Rezensent:

Zwanger, Helmut

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397

Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 5

398

Es verstellt sich angesichts dieser Situation von
selbst, daß eine erneute Untersuchung der ostjordani-
sehen Landvortcilungstraditionon. auf die sich die Arbeit
aus Raumgründen beschranken muß. bei den Kr-
gebnissen Noths einzusetzen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen
hat.

So fruchtbar die Abkehr von der sterilen Diskussion
um hexateuchische Quollenfäden im Josuabuch für die
Interpretation der Landvortoilungsüborlieforung war,
so problematisch waren die Konsequenzen der einseitigen
Hinwendung zu territorial- und überlioforungs-
geschichtlichen Fragestellungen für die Einsicht in die
theologischen Motive, die hinter der Zusammenstellung
und stufenweisen Ausgestaltung dor alttostainontlichen
Landvortoiluiigsüborlioferungon stoben. Von hior aus
erhoben sich auch Bedenken gegen den allgemein geübten
Brauch, schwerverständliche geographische
Einzehuigaben entweder als versprengte Elemente der
als alt erkannten und aus ihrem Kontext ausgegrenzten
Dok umente zu betrachten, ohne ihre jetzige isolierte
Stellung zu begründen, oder sie mit Hilfe von ad hoc
Postulierten historischen Vorgängen zu erklären, für
die anderweitige Indizien fehlen.

Den Blick auf literarische Abhängigkeitsverhältnisse
vorstellte in wichtigen Fällen auch der Versuch,
Noths Theorie von einem die Bücher Deutoronomium
•Jis 1. Könige umfassenden „deuteronomistischen Ge-
sehichtsworkes" (Dtr) und die damit verbundene Einschätzung
von Dtn 1 — 3 (4) als dessen Einleitung auf
die Interpretation der Landnahme- und Landvortoi-
lungsüberlioforungon anzuwenden. Ebenso wie einst die
Exegese dor in den Themonkreis dieser Überlieferungen
gehörenden Texte iin Banne der Hexatcuchquellon-
scheidung gestanden hat, schuf nunmehr die — in
neuerer Zeit zunehmender Kritik ausgesetzte — An-
"ahmo des von Noth rekonstruierten Überlioferungs-
workos ein Präjudiz für die Klärung des Verhältnisses
von Dtn 2,20—3,17 zu Jos 12,1 —5 und 13,8—13.15—32
sowie von Num 33,50—34,29 zu Jos 14—19.

Bei dor bestehenden Ausgangstage empfiehlt es sich
ttus methodischen Gründen, auf die vorgängige An-
"alnne geschlossener literarischer Einheiten ebenso wie
ftuf die Ausgrenzung eines älteren Quellenbostandes
bei jenen Erzählungsstücken, boi denen man gemeinhin
''ontatcucliliiden eingewoben weil.!, zu verzichten, um
die Analyse nicht durch Vorentscheidungen zu be-
'»sten, die in einem größeren Zusammenhang getroffen
wurdi.n. Zugleich ergibt sich die Aufgabe, die Einzel-
aussagen der mit der Land Verteilung im Ostjordanland
'»'faßten Erzählungsstücke (Num 32; Jos 13,8 ff.) auf
ihre Selbständigkeit zu überprüfen, sie gegebenenfalls
"nf ihre literarisch früheste Bezeugung zurückzuführen
u"d von da ans ihre Entfaltung innerhalb des alttesta-
'»entlieben Schrifttums zu verfolgen. Erst auf der
Grundlage dieser bislang noch unzureichend geleisteten
jjterar- und redakt ionskritischen Analyso kann die Aber*
liefeiungs- und torritorialgeschichtliche Fragestellung
"'»setzen.

Eine von diesen Grundsätzen ausgehende Analyse
*ird zuerst die Frage zu klären haben, in welchem Vcr-
'"ütiüs die territorialen Aussagen der beiden Überliofc-
'""gsberoiclie von Landtiahme und Landverteilung EU-
''uiander stehen. Denn da die Kongruenz zwischen dem
''obcrteii und dem an die Stämme verteilten Land zu
logischen Voraussetzungen der Landvcrteilungs-
'"'»•'•lieferung gehört, ist es nur natürlich, daß beide
''"'inenkreise sieh im Zuge der redaktionellen Bearbeitung
vielfältig wechselseitig beeinflußt haben.

Diesen Überlegungen gemäß gliedert sich die Arbeit
".' drei Hauptabschnitte, von denen dio ersten beiden

Hl°n mit den Uberlieferungen von der Landnahme und

der Landverteilung im Ostjordanland befassen, während
dor dritte Hauptabschnitt dio litorarkritischen Einzelbeobachtungen
zu einom rodaktionsgeschichtlichon Gesamtbild
der Entstehung des Komplexes Num 22—34
und der redaktionellen Arboit im Übergang vom Land-
liahmcbericht des Josuabuches (Jos 1—12) zum Bericht
von dor Landvortoilung an die Weststämme (Jos
14—19) zusammenfügt.

Am Endo der Untersuchung steht das Ergebnis, daß
die alt testamentlichen Überlieferungen über Landnahme
und Landverteilung im Ostjordanland Elomonte
des sukzessiv zu dor schon in der priesterschriftlichen
Ausgestaltung vorliegenden Pontatoucherzählung hinzugekommenen
Zuwachses darstellen. Boroits der Text-
komplex Jos 14—19 ist orst unter dem Einfluß des
später als P entstandenen Abseimittos Num 34,1 — 13ba
verfaßt und sekundär um das ihm vorangestellte Textstück
Jos 13,15 — 28.32 erweitert worden. Desgleichen
dürfte Num 32 ebenso wie die Landnahmoerzählung
Num 21,21 — 31 orst nach Abfassung von Num 33 — 34
in den jetzigen Kontext eingeschoben worden sohl. Im
besonderen ergibt sich aus dor Übernahme von Elementen
der Grenzbeschroibung in Num 34 nach Jos 15,
daß es ein aus der Kichterzoit stammendes System dor
Stammesgronzon (Alt) nicht gegeben hat.

Als ältere, in die Darstellung der Verteilung des Ost-
jordanlandos eingearbeitete Dokumente erwiesen .sich
dagegen die in Num 32,34 — 38 mitgeteilte Ortslisto von
Gad und Kuben, dio wahrscheinlich dio Siodlungsvor-
hältnisse im südlichen Ost jordanland zur Zeit Davids
und Saloinos widerspiegelt, sowie das in Jos 13,15 bis
28.32 als Ersatz für eine Ortsliste verwandte Itinerar
eines transjordanisehen Verkehrsweges und schließlich
eine in zwei Teile zerfallende Gebiotsbeschreibung
(16.2üa), deren Hintergrund wir in den politischen Verhältnissen
zwischen dem 9. und 0. Jh. vermuteten.

Wim die untersuchten Texte über dieso ihren Grundstock
bildenden Überlieferungselemento hinaus mitteilen
, ist das Ergebnis umfänglicher redaktioneller
Bearbeitung mit dem Ziel, die fragmentarischen und
bisweilen widersprüchlichen .Nachrichten der aus anderen
thematischen Zusammenhängen herangezogenen
Dokumente untereinander auszugleichen und zu voreinheitlichen
und sie des weiteren durch den Rückschluß
aus verstreuten Kinzelangaben zu den Sied-
lungsverhält nissen der Richter- und frühen Königszeit
(z.B. Ri 8,11; 10,3 — 5; 11,33; 1 Kön 4,13; 8,(15) auf
die territorialen Begebenheiten zur Zeit der Soßhaft-
wordung der Stämme zu vervollständigen.

Damit erweisen sich die Überlieferungen von Landnahme
und Land Verteilung im Ostjordanlaud als Zeugnisse
einer naehexiliscben. u> Krmangehnig oinschlä-
gigen Quellenmatorials weithin auf Rückschlüsse, Kombinationen
und Harmonisierungsversuche angewiosonon
Geschichtsschreibung, der es zu allererst um die Rückbesinnung
auf dio Anfänge der Geschichte Jahwes mit
seinem Volk geht. Man wird diesem ihrem besonderen
Charakter nur dann gerecht worden, wenn man sie primär
nicht als historische Quellen auszuwerten, sondern
als literarische Zeugnisse aus dor Zeit dos naehexiliscben
Noubeginns zu begreifen vorsucht.

Zwangcr, Holmut: Sago und Mythos in Karl Marths Kirchlicher
Dogmatik.Ein Beitrag zum Verständnis Jiarthschor
Hormoneutik. Diss. Tübingen 1974. III, 172 S.
In der bisherigen Barth-Rezeption spielte dio Di-
stinktion Sage — Mythos eine wenig oxplizite Rolle.
Von Andeutungen abgesehen, z. B., daß Barths Hormoneutik
eine symbolistische Spracht heorie impliziere
(F.-W. Marquardt), wurde der Ertrag der Distinktion
Sage — Mythos für das Verständnis der Barthschen