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Ausgabe:

1976

Spalte:

376-377

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Suenens, Léon Joseph

Titel/Untertitel:

Hoffen im Geist 1976

Rezensent:

Kirchner, Hubert

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Theologisehe Litoraturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 5

376

Der ■ weite Teil der Untersuchung springt ins 19. .Iii.
und ist don Trinitätsspokulat innen dos Wiener Philosophen
und Theologen Anton Günther (1783—1863)
und des Münchner Gelehrten Jakob Frohschammer
(1821 — 1893) gewidmet. Beide sind vom Idealismus
stark beeinflußt. Günther schließt von der erschaffenen
Dreiheit Natur-Geist-Mensch (wobei dor Mensch die
Synthese von Natur und Geist ist) auf dio Dreiheil in
Gott. Dabei nähert er sieh allerdings einem Tritheisnius.
weil er den immergöttlichen Personen Persönlichkeil
im empirisch-psychologischen Sinn beilegt. Frohschammer
geht von der Dreieinheit in allem Seienden aus
(z. B. die drei Dimensionen im natürlichen Sein; Stoff',
Form und Kraft im Organischen; Sein, Erkenntnis und
Wille heim Menschen), um dann eine enl sprechende
Dreiheit im Absoluten /.u skizzieren.

Die Bücher Günthers und Frohschamroers winden
indiziert. In dem Brevo Pius IX. „Gravissimas inter"
vom 11. Dezember 1862 und daran anschließend im
Vatikanum I wird gegen Frohschammer das ubernatürliche
vor dem Zugriff der Philosophie geschützt,
Vf. stollt aber fost, daß diese lehramtlichen Äußerungen
den philosophischen Beweis der göttlichen Dreieinigkeit
nicht geradewegs verwerfen, wenngleich dies in
den älteren katholischen Handbüchern der Dogmatik
immer wieder behauptet wurde. Vf. möchte deshalb
zwischen der „ökonomischen" und der immanenten Tri-
nität so unterscheiden, dal! erstere zu den der Philosophie
unzugänglichen offenbarten Heilswahrheiten gehört
, letztere aber als zugrunde liegender Lebensvollzug
Gottes philosophisch erkennbar ist.

In diesen offenen Raum stellt Vf. seine cigeno philosophische
Seinslehre: „Zeit und Existenz". Die Seins-
analyse kommt zu dem Ergebnis, daß Wahrheit, Gut-
bei1 und Schönheit transzendentale Eigenschaften des
Seins sind, wobei Schönheit die innere Einheit von
Wahrheit und Gutheit ist. ..Erst das Gesamtgefüge
dieser Dreiheit läßt das Wirklichsein des Seienden als
es selber in seiner Erkennbarkeit und Erstrebbarkeit
begreifbar werden." Dies schlägt auf den einen Grund
des Seienden zurück: „Sein Wirklichsein ist identisch
mit dem Dreieinigsein." Damit ist die normale, an
Wilhelm von Auxerre anknüpfende Argumentation korrigiert
.

Die sich anschließende ethische Grundlegung kann
an der inneren Struktur des Seins anknüpfen und eine
Tugendlehre (Gerechtigkeit, Tapferkeit, Klugheit,
Sammlung und Maß) entwerfen.

Aus der Sicht mancher evangelischen und wohl auch
katholischen Theologen mag der historische und philosophische
Ertrag des Vf.s fernliegend erseheinen, weil
er keine politischen oder therapeutischen Bedürfnisse
stillt. Aktualität ist indessen nicht immer ein Gradmesser
für die Wichtigkeit einer Fragestellung. Deshalb
wird man mit Interesse wahrnehmen, daß Vf. die Grundfrage
nach dem Verhältnis von Gott und Sein unbekümmert
um die Metaphysikmüdigkeit der Umgebung in
Angriff nimmt und einen philosophisch-theologischen
Entwurf wagt, der aus dem Gespräch mit der Antike,
der Scholastik, dem Idealismus und dem Existentialismus
herauswächst.

Einwände weiden sich weniger gegen die dogmengeschichtlichen
Prolegoinena richten — sie sind ein
innerkatholisches Unternehmen, mit dem sich der Vf.
des Freiraumes für seine trinitarische Metaphysik versichert
. Vielmehr ist zu fragen, ob die christliche Lehre
von der Trinität überhaupt noch im Sinne einer inner-
göttlichen Struktur verstanden werden kann. Ist sie
nicht ein Versuch, die Bedeutsamkeit Jesu und die
Heilsmacht des im Glauben wirksamen Geistes näher

zu bestimmen V Und verbietet nicht die Einschränkung
des Er kenne US auf das Menschlich.Endliche, wie Kant
sie beschrieben hat, eino Übertragung der im Endlichen
nachweisbaren Dreierstrukturen auf Gott J

Auch wor einen anderen Weg suchen muß, dem
Gottesgedanken nachzugehen, wird dem Vf. für soiue
klaren Thesen, die ihre Herkunft nicht verleugnen,
dankbar sein, denn sie bringen ein Moment in das Gespräch
ein, das man nur zu leicht vergißt. Dio abendländische
Tradition läßt sicli nicht so leicht ins Abseits
schieben.

Oldenburg Rolf Schäfer

Siii'iieiis, Kardinal Leon-Joseph: Hoffen im f.Mst. Ein neues
Pfingsten der Kirche, übers, von R. Vogel. Salzburg:
Otto Müller [1974]. 226 S. 8°. ö. S. 105,—.

Das hier anzuzeigende Buch stollt eine in verschiedener
Hinsieht bemerkenswerte Neuerscheinung dar.
Nur drei Aspekte seien vorstellend näher charakterisiert
:

Es ist zunächst in hohem Maße aktuell. Die beidon
schon im Titel besonders herausgehobenen Stichwörter
„Hoffnung" und „Geist" bezeichnen je für sich sc hon
Mittelpunkte aktueller theologischer Überlegungen. In
ihrer Zusammenschau sind sie ein Programm. Der Verfasser
, päpstlicher Beauftragter für die Pfingstkirchen,
versucht, in Aufnahme von Aussagen dos II. Vatikanischen
Konzils dio Hoffnung auf ein „neues Pfingsten''
zu artikulieren, die von vielen Seiten gehegt und von
manchem, voran den mannigfachen charismatischen
Gruppen, auch in der katholischen Kirche schon praktiziert
wird. Er leiht besonders diesen Gruppen nicht
nur seine gewichtige Stimme, sondern versucht zugleich,
ihr Anliegen als ein Gesamtanliegen in der Kirche zu
erweisen: „Alle Christen sind erklärtermaßen charismatisch
. Was sie unterscheidet, ist das mehr oder weniger
lebendige Bewußtsein dieser notwendigerweise gemeinsamen
grundlegenden Wirklichkeit" (111). In diesen
und wiederholt ähnlichen Sätzen ist das Anliegen des
Autors hinreichend zusammengefaßt, zugleich aber
auch zumindest angedeutet, welche Brisanz in vielen
der hier vorgetragenen Überlegungen angesammelt ist.
Denn es geht ja nicht nur darum, diese „grundlegende
Wirklichkeit" zu beschreiben; sie soll bewußt gemacht
werden. Und das bedeutet: Es geht sofort auch um
praktische Konsequenzen, es geht um nicht mehr und
nicht weniger als um Gesichtspunkte einer „ständig
notwendigen Reform" der Kirche im Zeichen des
„neuen Pfingsten" (7).

Und insofern ist das Buch nicht nur aktuell. Es
dürfte auch in manchen Partien als unbequem empfunden
werden, denn noch immer erwies sich der Geist
als ein im besten Sinne „aufregender" Faktor in der
Kirche. So dürfte es auch jetzt manchem nicht ganz
leichtfallen, dem Autor zu folgen, wenn er jene charismatischen
Gruppen nahezu paradigmatisch in den
Vordergrund rückt, oder wenn er in weiteren Folgerungen
den von Karl Rahner vorgezeichneten Wegen
der Kirche in die Diaspora nachgeht, wenn er in Rückbesinnung
auf die Urkirche nach dem eigentlichen
Christen und dem ursprünglichen Bild der Kirche fragt,
wenn er dieses in der christlichen Brüderlichkeit erkennt
und dabei die juridischen und institutionellen
Gesichtspunkte als sekundäre Verfestigungen zurückstellt
, wenn er im Geiste ein kritisches Argument gegenüber
einem starren monologischen Verstehen von Kirche
und Christsein erkennt und direkt definiert : „Christentum
bedeutet Gemeinschaft" (137), oder wenn er nach
Beispielen sucht für die bislang allzu seltene „Vereini-