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Ausgabe:

1976

Spalte:

374-376

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Simonis, Walter

Titel/Untertitel:

Zeit und Existenz 1976

Rezensent:

Schäfer, Rolf

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Seite 1, Seite 2

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Theologisch«! Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 5

374

Bungen": Tierische« und menschliches Lehen sind da-
diirch miteinander vorhnndon. floß jeder Organisinns
einen Weg finden muß, auf dem die Begrenzungen de*
Lehens üherwunden werden können, die die Organische
Existenz bedrohen. Bowker will damit den Begriff der
natürlichen Selektion in einer Form anwenden, die die
Integration von individuellen, sozialen und bewußt-
seinsmäßigen Komponenten erlaubt. Dies scheint ihm
möglich, wenn innn das Individuum unter dem Gesichtspunkt
betrachtet, daß es Kontinuität erstrebt.
Religion nun siedelt sich nach Bowker in der Nähe
von solchen Begrenzungen an, und zwar, um sie zu
(Überwinden. Sie ist Ausdruck des Bewußtseins, unterschiedliche
Begrenzungen in je angemessener Weise zu
Überwinden.

Nahezu zwangsläulig sehließt sieh ein Kapitel über
den Tod als ehen solche Begrenzung des menschlichen
Leherns an. Daß dazu auch breite Ausführungen zur
Kontroverso üher Krdhestattung und Kremation gehören
, ist für uns schon weniger selbstverständlich, für
empirisches Denken aber sachgemäß — und gewiß eine
kritische Anfrage an abstrakte theologischo Erörterungen
zum Tod.

Wenn Religion Begrenzungen zu überwinden sucht,
kann sie nach Bowker besehrieben werden als eine Aktivität
, die einen Weg sucht über solche menschlichen
Begrenzungen hinweg. Dazu gehört dann die Orient ie-
rung auf ein Ziel. In Abgrenzung von Lcvy-St rauss
betont Bowker, daß der dieser Aufgabe dienende
Mythos nicht dadurch völlig verstanden werden kann,

'laß man seine Struktur beschreibt.

Als weitere Versuche, den Ursprung der Religion
*u er kl Aren, behandelt Bowker den Freudschen sowie
■an Suseerlsehen Ansatz.

Als Beispiel für die Auseinandersetzung des Autors
mit empirischem Material soll abschließend auf das
Kapitel über Drogen im Zusammenhang mit seinem
l'heina hingewiesen worden. Halluzinogene werden in
'•'■r westlichen Hemisphäre als Mittel, Gott zu erfahren,
erörtert, um es bei diesem Euphemismus zu belassen.
»n einer Zeit von fünfzig .lahren könne die Arbeit von
fünfzig „Theo-Botanikern" die gegenwärtigen Theorien
"'''•'• den Ursprung der Religion als eine sozusagen vor-
kopernikanischo Astrologie erweisen, hat Mary Barnard
Behauptet. Bowker spitzt die Aussage im Titel ihres
Aufsatzes leicht zu: Gott entstand in einem Blumen-
t"l'f- Bowker beweist in der weiteren Erörterung, daß
"| diese uns fremden Theorien (und Praktiken) zur
Kenntnis genommen hat, die das bekannte Wort von
Oer Religion als Opium vor dem Hintergrund einer morbiden
Gesellschaft aktualisieren. Kr verweist darauf,
'■aß in der christlichen Tradition Erfahrung als Selbstzweck
kritisch gesehen wird und daß man den Kähmen
'" "chten muß, in dem solche Erfahrungen vorkommen,
^'f mi man zu einem Urteil über deren religiösen Stellen-
Wor1 gelangen will. Jedenfalls spiele physiologisch-
Psychische Erregung dabei nicht die maßgebende Kolle.

Der VT. führt den Leser in Gebiete einer Art von
thoologia naturalis ein, die nicht übergangen werden
s<,|ltcn. Wenn wir die Auseinandersetzung mit ent-

**eidenden Beit rägen zur Gottesfrage aus der jüngeren

*•« vermissen, liegt dies an der Beschränkung in der
Aufgabenstellung. Wir dürfen die vom Autor angekün-
Ul«<" Studie über die „theistischen Traditionen" erwarten
, die diese Lücke schließen könnte.

"•riüa Jens Langer

SiinoiliK, Walter: Trinitiit und Vernunft. UnterHuehungon zur
Möglichkeit einer rationalen Trinitfttslehre bei Anselm,
Abaclard, den Viktorinern, A. Günther u, J. Froh-
scliainmor. Frankfurt/M.: Knecht 1972. VIII, 208 S. gr. 8°
= Frankfurter theologische Studien, hrsg. v. H. Bacht,
F. Lentzen-Deis, (). Semmelroth, 10.

: Zeil ii ml Kvistl'IIZ. Gruiidziigo der Metaphysik und
Ethik. Kevelaer: Butzon & Berckor [1972]. XI, 170 S.
gr. 8" m Eichstiitter Studien, hrsg. von der Kirchlichen
Theologischen Hochschule in Bayern, Sitz Eichstätt,
N. F. VII. DM 28,—.

Die beiden angezeigten Bücher des Würz banget
Dozenten sind zwar ganz verschiedenen Theinon gewidmet
, berühren sich aber in einem wesentlichen
Punkt und sind dadurch aufeinander bezogen.

Die doginengeschichtliche Darstellung „Trinitiit und
VernUnft" besteht aus zwei Teilen, von denen dor orsto
der Frühscholnstik, der andere dein 19. Jahrhundert
gewidmet ist. Joder Teil reiht einige Skizzen aneinander
, in denen nach einer biographischen Einführung
die Krage untersucht wird, inwiefern der behandelte
Autor der Vernunft einen unmittelbaren Zugang zur
TrinitÄtslehre einräumt. In beiden genannten Perioden
kommt diese natürliche Erkenntnis der Trinität nach
kurzem Anlauf zum Erliegen, Das systematische Anliegen
des Vf.s, das hinter den dogmengeschichtlichen
Referaten steht. ist schließlich darauf gel iebt et, ob jeder
vernünftige Zugang zu dem Geheimnis der Trinität
oder ob nur einzelne Feldwege abgeschnitten sind.

Anselm von Canterbury setzte zwar im Stroit gegen
Roscolin, der durch seine Dialektik zu einer Art Tri-
theismus gekommen war, den Glauben vor die Vernunft
. Dor Glaube ruht auf der Offenbarung und bedarf
keiner Sicherung durch dio Vernunft. Aber damit ist —
wie Vf. gegen eine ganze Reihe erlauchter Interpreten
deutet das Problem für Anselm nicht abgeschlossen.
„Daß der Glaube zunächst und grundsätzlich immer
auf anderen Fundamenten stehen und von dort auch
seine Sicherheit beziehen soll, hindert nach Anselm
nicht, daß die Vernunft aus ihren gottgeschenkten
Kräften außerdem auch Wahrheiten dieses Glaubens
in sich einsichtig zu machen vermag." Wenn das Erkennen
zu Gott gehört, dann bildet Gott notwendig in
sich ein Wort. Ähnlich, wenngleich etwas kurz, begründet
Anselm die Notwendigkeit, die Liebe und damit
den Geist anzunehmen. Freilich liegt die Schwäche
von Anselms Darlegung darin, daß er von bloßen Begriffen
(Erkennen, Liebe) ausgeht und deshalb nicht
schlüssig dart un kann, ob dio Liebe der Dritten Person
in Gott oder aber dem göttlichen Wesen zuzuordnen
ist.

Abaelard, Hugo von St. Viktor und Richard von
St. Viktor erschließen gleichfalls t rinitarisehe Strukturen
. Bei Abaelard sieht Vf. darin einen Fortschritt,
daß das Analogieproblem schärfer gefaßt wird als hei
den Zeitgenossen. (Vf. wird seinerseits dio Analogie für
die Erkenntnis des göttlichen Seins heranziehen.) Hugo
und Richard von St. Viktor hauen darauf weiter und
ordnen die Erkenntnis der Trinität dem Bereich ein,
welcher der Vernunft grundsätzlich offensteht.

Die Entwicklung der Scholas! isehefl Theologie nimmt
aber künftig eine andere Richtung. Wilhelm von
Auvergne und Wilhelm von Auxerre sind maßgeblich
für die Antworten der Hochscholastik. Die einzelnen
Dogmen des Christentums können nicht rational begriffen
werden, zumal dadurch die Verdienstlichkeit
des Glaubens beeinträchtigt würde. Insbesondere hindert
der Grundsatz, daß dio göttlichen Werke nach
außen ungeteilt sind, einen Rückschluß aus der Schöpfung
auf die Trinität.