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Ausgabe:

1976

Spalte:

355-359

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Fischer, Karl Martin

Titel/Untertitel:

Tendenz und Absicht des Epheserbriefes 1976

Rezensent:

Barth, Markus

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Theologische Litoraturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 5

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Traditionsstrangs wie auch der anderen muß sich freilich
noch in der weiteren Forschung bewähren, zumal
der gescheite Autor im Detail manchmal etwas spitzfindig
argumentiert. Gegenüber den sonst öfter begegnenden
oberflächlichen Aneinanderreihungen von Texten
und Belegen zu dem viel behandelten Thema trifft
man hier jedenfalls auf eine Untersuchung, die vor der
Niederschrift den Stoff energisch zu durchdringen
suchte. Die Arbeit bestätigt erneut, dal.! der Gedanke
einer leiblichen Auferstehung aller Menschen verbunden
mit einem allgemeinen Gericht erst relativ spät im
Früh Judentum sicher nachzuweisen ist. Leider hat der
Vf. allerdings viele für sein Thema wichtige Texte nicht
herangezogen, obgleich die Gliederung dos Buches aufgrund
von Kap. V den Kindruck einer gewissen Vollständigkeit
wenigstens für die Auferstehungsaussagen
erweckt. So bleibt die Aussage einer wohl allgemeinen
(leiblichen) Totenauferstehung in lHen 51 (das Gericht
erscheint hier als Auslese der Gerechten) unberücksichtigt
; auch lHen 91,10 und 92,3 (Auferstehung der
Gerechten) werden übergangen. Gar nicht herangezogen
sind von der Auferstehung handelnde Texte wie die der
Vita Adae et Evae und der sog. Apocalypsis Mosis zugrunde
liegende Schrift, ferner das nur in Fragmenten
erhaltene Apokryphem Ezechiel (beide vermutlich vor
70 n. Chr.) und Pseudo-Pbilo, Liber Antiquitatum
Biblicarum (zwischen den beiden jüdischen Kriegen).
Auch zur Auferstehungsterminologie in Joseph und
Aseneth hätte man gern etwas gelesen! Deutlich wird
in der Untersuchung, daß die Verfolgungszeit kurz vor
der Mitte des 2. Jh. v. Chr. auf alle Fälle ein wesentlicher
Anstoß für das Aufkommen bzw. Sieh-Durch-
setzen der Auferstehungsorwartung in Israel war (was
in dieser konkreten Gestalt freilich auch schon Volz,
a.a.O. 231 feststellte). Die Erhebung von verschiedenen
Traditionszusammenhängen im frühen Judentum bedeutet
hinsichtlich der Vorstellung eines Lebens nach
dem Tod eine solche Erhellung der zerstreuten und uneinheitlichen
Aussagen, daß keine Arbeit über dieses
Thema künftig diese Untersuchung übergehen sollte,
weshalb hier auch eine etwas ausführlichere Besprochung
angebracht erschien. Besonders wertvoll ist der
Nachweis, daß in ein und derselben Gattung die verschiedensten
tastenden Versuche, im Blick auf ein
Leben nach dem Tod Aussagen zu wagen, gemacht
werden konnten. — Auf einen störenden Druckfehler
im Inhaltsverzeichnis sei noch hingewiesen: in der
Uberschrift von Kap. V muß es „Resurrection" statt
„Persecution" heißen.

Hoidelborg Heinz-WolfRang Kuhn

NEUES TESTAMENT

Fischer, Karl Martini Tendern und Absicht des Epln-sor-

hriefes. flmllUl Kvang. Verlagsanstalt, u. Oöttingen:
Vandenhoeck & Ruprecht [1973]. 220 S. gr. 8".

Das Ziel dieser Untersuchung ist die ..hypothetische
Rekonstruktion der kirchengeschichtlichen Stunde, in
der Epb geschrieben wurde" (S. 19). Soziologisch orientiert
ist die Behandlung von Fragen der Kirchenordnung,
insbesondere des Bischofsamtes; religionsgeschichtliohe
Diskussionen sind den für Christus und die Kirche verwendeten
Titeln gewidmet; unter form- und traditionsgeschichtlichen
Gesichtspunkten worden Hymnen und
l'aränesen erläutert; theologische Urteile über das Verhältnis
des Epheserbriefos zur Kreuzestheologie des
Pa u1us krönen die Arbeit.

Das Buch entwickelt eine Altornativo zu H. Schliers
Epheserkommentar, der die hochkirchlichen Lehren

dieser Epistel dem Apostel Paulus selbst zuschreibt,
und zu K. Käsemann, der in immer neuen Formen sein
Entsetzen über dieses frühkatholisebe pseudonymo Dokument
kundgetan hat. Laut Fischer hat der Kpheser-
brief seinen Sitz im Leben in gewissen Spannungen der
,,nachapostolischen" (d. h. dor noch nicht „frühkatholischen
") Zeit zwischen etwa 65 und 90. Auf der konstitutionellen
Ebene war die missionarische Dynamik
der Kirche durch eine Novität: den monarchischen
Episkopat bedroht, und im Denken und Handeln der
kleinasiatischen Gemeinden erhob sich ein heiden-
christlieher Triumphalismus über die Judenchristen,
der die (zu Lebzeiten des Paulus durch dio Porson des
Apostels, durch charismatische Dienstleistungen und
durch brüderliche Toleranz gekennzeichnete) Einheit
der Kirche aufzulösen begann. Aus zwoi Beobachtungen
erschließt Fischer die Absicht und Tendenz des Ephosor-
briefes: in 2,20 und 4,11 worden keine Bischöfe erwähnt,
und in 1,11—14; 2,1—3.11 — 22; 3,6 wird die unauflösbare
Solidarität der Juden- und Heidenchriston als
Sünder, als Erben der Verheißung und als Glieder dos
Gottesvolkes betont. Der Briof bezweckt daher, dem
Bischofswesen zu widerstehen und den wahren Grund
der Einheit der Kircho aufzuzeigen. Unter dem Namen
des Paulus — und im wesentlichen in sachgemäßer
Zusammenfassung der Theologie des Apostels, wenn
auch in toilweiser Antizipation des Paulusbildos des
Lukas und der Pastoralbriefe — will dor Kphesorbrief
dartun, daß Jesus Christus das einzige Haupt derKircbe
ist, und daß dieses Haupt für immer Juden und Heidon
in seinem Leibe vereinigt. Dabei steht Versöhnung,
nicht Polemik, im Vordergrund.

Eingehende religionsgesohiohtlicho Untersuchungen
bebandeln die Begriffe Haupt, Leib, Kleid und die in
Epb 5,22—33 gefundene Syzygie-Vorstellung. Dabei
werden oft und mit Gewinn Nag-Hammadi-Toxto ausgiebig
zitiert, die zur Zeil des Redaktionsschlusses für
Fischers Werk (Mai 1970) noch nicht veröffentlicht
waren. In Anlehnung an H.-M. Schenk« (Der Gott
„Mensch", 1962), doch auch in Weiterführung entsprechender
Forschung und eine differenzierte Krklä-
rung des Verhältnisses zwischen Ephosorbriof und
Gnosis gesucht. Waren die bisherigen Lösungsvorschläge
je in ihrer eigenen Weise ziemlich grob, indem
entweder jeder gnostische Einfluß auf den Kphesorbrief
einfach abgestritten, oder „dor gnostische Er-
lösormythos" für fast jedo Zeilo des Briefes als maßgebende
Quelle oder Parallele nach Kräften ausgeschlachtet
, oder ebenso eifrig der ganze Brief als detaillierte
Bekämpfung und Widerlegung der Gnosis verstanden
wurde — so bemüht sich Fischor um eino differenzierende
Lösung. Er hält orphische und sfoischo
Traditionen, z. T. in Verbindung mit jüdisch-hellenistischen
oder -apokalyptischen Vorstellungen, für bin*
reichend, die Aussagen des Kpheserbriefes über Haupt,
Leib und Glieder zu erhellen. Andere Kiemente des
Briefes werden der Rezeption von sprachlichen Bildern
, welche nicht notwendigerweise einen ganzen
Mythos als passenden Rahmen voraussetzen, zugeschrieben
. Oder Einflüsse aus dem Bereich dor Mysterienreligionen
werden als wahrscheinlich dargestellt.
Kinzig die Syzygio-Naehvollzugsvorstellung wird in enge
Verbindung mit einem vorchristlichen, gnostisierendon
Sophia-Mythos gebracht — womit der Gnosis wenigstens
eine Einflußsphäre im Rphosorbrief zugesichert
ist.

In der Behandlung der Hymrion und l'aränesen
folgt Fischer der heute üblichen Unterscheidung zwischen
vorchristlicher Urgestalt, hellenistisch-gemeindlicher
Zwischonform und neutesl ainent liebem Kndpro-