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Ausgabe:

1976

Spalte:

305-307

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Demmer, Klaus

Titel/Untertitel:

Die Lebensentscheidung 1976

Rezensent:

Wiebering, Joachim

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Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 4

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die daraus resultierende „menschliche wie auch wirtschaftliche Die theologische Erörterung baut auf diesen anthropologi-

Verwirrung" (S. 214) als unumgänglich hingestellt. sehen Gedanken uuf. „Gnade wirkt geschichtliche Vollendung

Als entscheidenden Hebel zur Frauenbefreiung fordert am der Natur; gnadenhaft gewirkte Entscheidung mithin Völlen-
Schluß des Buches R. Radford Ruether: „Das eigentliche Ziel dung der natürlichen Entscheidungsvoraussetzungen wie
muß eine neue kommunale Sozialethik und die völlige Ab- -strukturen" (92). Daraus ergibt sich eine Steigerung der bisschaff
ung des sozialen Modells von Herrschaft und Unter- herigen Aussagen: durch die Verankerung im Glauben an Gott
drückung sein" (S. 225). Nach der Prognose der Vf.n wird als den Sinngrund erwächst eine „unvergleichliche Gewiß-
sich eine Veränderung in diesem Sinne in Gestalt einer „mes- heit.. . ; denn es kann innerhalb menschlichen Lebens keine
sianische(n) Epiphanie" vollziehen, „die die Werte des die Situation mehr geben, die endgültiger Sinnl.aftigkeit ver-
Wclt transzendicrenden Jahwe mit denen des welterneuern- lustig ginge" (48). Ebenfalls werden erst durch den Glauben
den Baal in einer nach-technologischen Religion der Wieder- volle Selbständigkeit wie auch Selbstlosigkeit der Liitschei-
versöhnung mit der Erde vereinigt" (S. 225). dung möglich, weil die Glaubenserfahrung den einzelnen dazu

llicrvor kann man u. E. freilich nur zurückschrecken. «ich nicht mehr selbst zu bestätigen und selbst zu

ebenso wie vor Ruether's Prophezeiung: „Mit der Revolution rechtfertigen.

der Frauen richtet sich das widernatürliche Babel aus Stahl An dieser Stelle werden jedoch auch die Unterschiede zur
und Beton, das die lebendige Erde begräbt". Nach Ruether reformatorische.. Auffassung herausgestellt. Der erweiterte
wird mit dieser „Revolution" der Geist für den Leib und der Schuldbegriff der rcformator.schen Ethik lasse nie eine einLeib
für den Geist zurückgefordert „in einer neuen messia- deutige Entscheidung zu und mache jede zu einem Kompro-
nischen Epiphanie des Leibes Gottes" (S. 226). Damit ist aber miß, bei dem es nur auf die Gkubens.ntent.on ankomme l<ur
der Gipfel der Häresie erreicht und werden bedauerlicherweise katholisches Denken ist auf diese Weise jedoch die Rechtler-
aucli die zahlreichen positiven Ansätze des Bandes in ihrer tigungstat um ihren Effekt gebracht, „die innere Einheit der
gesamten Wirkung auf den Leser stark beeinträchtigt. Entscheidung gesprengt" (66). Das berechtigte Anliegen der

Kompromißhaftigkeit menschlichen Handelns kommt fur die

Potsdam-Babeliberg Il«e Bcrtinetti Moraltheologie in der Lehre vom „ordo caritatis" und in der

recht verstandenen Kasuistik /.um Zuge, durch die Einsicht
und Erfahrung anderer als Entscheidungshilfe nutzbar ge-
Demmcr, Klaus: Die Lcbcnscntscheidung. Ihre moral-theolo- macht werden. Eine ähnliche, die persönliche Entscheidung
gischen Grundlagen. München-Paderborn-Wien: F. Schö- entlastende Funktion haben auch die Tradition und die durch
ningh 1974. V, 265 S. gr. 8°. Kart. DM 24,—. die Institutionen vermittelte Kontinuität.
Angesichts der wachsenden Entscheidungsunsicherheit in Die Lebensentscheidung des Glaubenden ist die „erste Kon-
moralischer Hinsicht wird in diesem Buch nach Kriterien und kretion der Glaubensentscheidung ; „der Glaubende besitzt
Bedingungen einer Lebensentscheidung gefragt. Darunter wird bereits alle Erfüllung und kann nur noch danach streben, ihr
die unwiderrufliche und endgültige Festlegung des eigenen in seiner Lebensentsche.dung angemessenen Ausdruck zu ge-

I-i , „ . . , . . c- i l -j __ hon" (1341 Darum steht die Lebensc 'Scheidung im Zeichen

'-■cbens auf Grund einer frei verantworteten Entscheidung ver- "cn u"r™ "•■»■ ",c 6

«landen. Das Ziel der Untersuchung „kann nur in einer ver- der Hoffnung, s.e in den wechselnden anturnen des Lebens

tieften und differenzierteren Erkenntnis der Unwiderruflich- auch durch Enltäuschungcn »''"durchlr. n ««können. Wie

keit der Lebenswahl bestehen, ihrer Möglichkeiten, Grenzen Gott sich unbedingt und unwiderruflich fur den Menschen ent-

sowie ihrer Verpflichtungskraft" (5). Das zur Frage stehende Wieden hat, so ist auch dem Menschen als Antwort darauf

Thema soll also nicht problemalisiert, sondern positiv be- eine absolute und unwiderrufliche Entscheidung moghcl. In-

haupict und begründet werden. ««™ °er Glaubende auf die Wahrheit Gottes schaut, wird er

M ,i .- . ., , .. n • von dem Kreisen um das eigene Ich frei und kann an der

Methodisch setzt die Untersuchung mit einer Reflexion der vu" „.,,.?. , . , , v „l0i,„w ,lM

k1,1|-. , ■ , . v • . • u„: „,„,» „m„;,; einmal ergriffenen Wahl festhalten, ohne den Vorbehalt des

Philosophischen Vorentscheidungen ein, wobei statt empin- ,. , o . • , .. . u ,„„ n„„ pi„„i,„„,in

»Acr Anthropologie die metaphysische Besinnung auf den •«<««*«•» Schciternkonneiis ^^T^^^«"^«

IJcrso,,begrilf und auf das Verhältnis von Person und Ge- bedarf auch keiner inncrgeschichthchen H

»Aichte unternommen wird. In einen, zweiten Schritt werden ^llt sich letztlich nur die Präge nach der Recl.lfert gung• m

* in die theologische Grundlegung über Charakter und Re- «er Innerhclike.t und unerreichbaren J^^«

l«tione„ der Glaubensentscheidung eingebracht, und erst im neu Gew.ssens" 16a) So wird die Lebensentscheidu , «

«"Uen Kapitel wird dann „die Lebensenlscheidung im Licht einem Test fur die eschatolog.sche Existenz des Glaubenden,

«er Claubensenlscheidung" erörtert. Der Autor will sich be- der darauf hofft, „daß Wahrheit als Rechtfertigung am Ende

wußt beschränken „auf die formalen Strukturen der Lebens- »eines Lebens stehen wird" (167).

entscheidung, das allen unwiderruflichen Bindungen Gemein- Auch die Lebensentscheidung ist als „inkarnatorischer kom-

sumc" (4), „hnc konkrete Modelle derartiger Entscheidungen promiß" zu verstehen, da die Begrenzungen durch Unvorher-

v"rzustellen. sehbares und Unerwartetes, durch die Erkenntnis der lod-

TVi- ■ . i • • ti_ . l ■ i .„ vprfnllenl.eit und auftretende Krisen des persönlichen Lebens

Lhe endgültige l'estlegung bei einer Lebenscntscheiduug veriaiieniieii u..u •»••«»» r tj>„j

WiH«. ■ i ■ . , „6 f. , •. , i in sie einfl eßen. Daher gilt fur sie ein Ineinander von Ünd-

widerspricht nicht der Geschieht ichkeit des Lebens und ist in s c eiiiii.cucu. v> , . c „ „:„i,„:. „,.„ „„k

k«in geschi,htsentl,ol,enes metaphysisches Prinzip. „Die Un- gült-gkeit und Vorlauhgke.t, eine „Spannungseinhc, von ub-

*i<lerruflicl,keit der Lebenswahl hängt also an der Einmalig- »tantialer Dcf.int.vitat, die in der Lebensen Scheidung nach

und Unwicdcrholbarkeit der Person des Sich-Entschei- Art eines Ausgreifcns vorweggenommen wird, und £«4«0-

de"den" (ü). Sie isl offon flir eine Iluchfolgende Vertiefung t-ger Prozeßha tigkeit die es in der dir eigenen R.sk e the t

und 1 __. i- i . i- ■ u Ii__k„; ITniiä.i- auszuhallen gilt (199). Der Unuberholbarkeit der Lebens-

"« bestimmte Korrekturen, die sich vor allem bei luittau- 1 " , , • o •. i . j- nu v. l

«Anngen ergeben, die die Richtigkeit der Lebensenlscheidung entscheidung auf der einen Seite korrespondiert die Uberhol-

fr«Klich werden lassen. „Eine offenkundig auf falschen Vor- barke.t auf der anderen, nainhch im Zusammenhang des per-

»«Metamg«, ruhende Lebenswahl stellt keinen moralischen sönl.dien Re, ungsprozesses, bei dem es zu einer fortschrei-

^"•pllichtungsanspruch <lar" (28), doch im Zweifelsfalle ist das tenden Einsicht in die eigene Wahrheit kommt,

^halten an der ersten Entscheidung das geringere Übel, als Man muß die Gründlichkeit der Untersuchung sehr ancr-

«• möglicherweise negativen Konsequenzen einer Revision kennen, auch wenn der Vf. dabei zu vielen Wiederholungen

de' Lebenswahl, denn Reife und Selbstbesitz zeigen sich ge- in der Gedankenführung kommt. Die Beschränkung au die

'«de i„ der Weise, wie unerwartete Situationen verarbeitet formalen Strukturen der Lebensenlscheidung hat allerdings

Die Offenheit der Zukunft wird dadurch nicht ver- zur Folge, daß die Darstellung we.th.n etwas kons ru.ert

S!Pll>. denn die Eebenscntschcidung „verbleibt, ungeachtet wirkt, weil der konkrete Bezug auf bestimmte Situationen

A'er Festigkeit, doch innerhalb der Geschichte und unterliegt nicht genannt wird. Der Vf. scheint - schon auf Grund seiner

"«'"gemäß den Wandlungen des fortschreitenden Selbstver- bisherigen Veröffentlicliungcn - vornehm ich an Ordens-

st«'idnisses ihres Trägers" (23). gelübde zu denken, deren Ablcgung eine Lebensenlscheidung