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1976

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 4

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tragende Kapitel behandeln: I. „Konstitution von Personalität
als Wesen", II. „Personalität als konstitutives Element im Naturprozeß
", III. „Personalität als konstitutives Moment im
innermenschlichen Geschichtsprozeß". Herausragende Einzelüberschriften
sind: „Menschwerdung als dynamischer Sinn des
Naturganzen .. .",......als Ziel eines natural-göttlichen Synergismus
", „Strukturen vollendeten Menschseins", „der Endsinn
der Geschichte, das Böse und die Korrektur der Vergangenheit
", „ideenhistorischer Ausblick: origenistische Apokatastasis
und Teilhardismus". In allem spürt man den „Primat des
Ethischen" und Anleihen bei der .„idealistischen' neuzeitlichen
Naturphilosophie, von Schelling bis Hegel angefangen
... bis hin zu Teilhard de Chardin", hierbei „ältere Modelle"
wie den „aristotelischen Naturentwurf" und dessen Teleologie
im Hintergrund (S. 95).

Es ist nicht möglich, in wenigen Worten auch nur etwas
von den äußerst diffizilen Gedankengängen des Buches nachzuzeichnen
. Nicht nur der Gegenstand des Buches, sondern
auch seine Behandlung ist „sehr schwierig". Doch kann man
von bloßen „Gedankenspielereien" (wie der Vf. selbst den härtesten
Einwand hypothetisch vorwegnimmt, S. 13) in der Tat
nicht reden, wenn man gewisse Tendenzen und Konsequenzen
des Buches erfaßt hat:

„Gegenüber allen Meinungen, welche den treibenden Impetus
der Weltgeschichte auf Ursachen von wesentlich nicht-
personaler Natur, womöglich ausschließlich, zurückführen —
wird hier ein grundsätzlicher, grundlegender Primat personaler
Verantwortlichkeit behauptet, und in eins damit der Primat
der Initiative von Einzelnen" (S. 68). Trotz des gewaltigen
Einflusses sog. ,objektiver Faktoren' seien sie es, die
Individuen, die „die eigentlich wellgeschichtlich wichtigen, die
fruchtbaren wie die verhängnisvollen Entwicklungen ... schöpferisch
begründet haben; davon ist kein Bereich menschlichen
Handelns ausgenommen" (S. 69).

Kritisch könnte hierzu die Frage aufgeworfen werden, ob
diese Feststellungen wirklich den Primat des einzelnen
besagen oder vielleicht nur seine Funktion als Exponent
aussprechen. Man könnte auch an vergleichbare Analysen
der Ethik Nicolai Hartmanns erinnern, derzufolge Primat
des einzelnen und Primat der Gesellschaft bzw. Art sich
nntinomisch gegenüberstehen als zwei Totalsysteme, deren
jedes als in sich schlüssig entwickelt werden kann je nach
apriorischer Voreinstellung. Von hier aus könnte relativiert
werden, wenn das kollektive Element in dieser Anthropologie
von Holz als dem individuellen Element organisch eingeordnet
und einverleibt erscheint. Es stellt sich einerseits in der
These von der wesensmäßigen und ursprünglichen Pluralität
des Personalen, eines innerpersonalen Pluralismus, dar, zum
andern in Ausführungen über das stellvertretende, repräsentative
und kompensatorische Handeln des Individuums:

„Uberall ist es prinzipiell möglich, daß sich Konstellationen
entwickeln ..., daß ... eine kleine Gruppe von einzelnen oder
auch nur ein einzelner.. sich .. damit konfrontiert sieht, für
eine unverhältnismäßig große Zahl anderer Individuen an-
tizipatorisch handeln zu müssen. Eine letzte zureichende
innergeschichtliche Fundierung solcher Vorgänge (eine
Anmerkung verweist u. a. auf die „Tat des 20. Juli 1944") . . .
läßt sich . . . gar nicht anders denken, als daß . . . die Gewissenstat
... von der nachfolgenden .. . Menschheit gutgeheißen
wird" (S. 144f.).

Wiederum steckt in diesem Buch kein Evolutionismus derart
, daß das zeitlich Letzte das sachlich Letzte sein müßte und
nicht .jede Epoche unmittelbar zu Gott' sein könnte.

„Es bleibt. . . auch gültig, daß gerade infolge der primären
Rolle der eigentlich personalen Prin/.ipienmomente die Geschichte
im ganzen nur sehr im Groben und Ungefähren als
Vehikel einer ständig fortschreitenden Entwicklung' anzusehen
ist. Der Steinzeitmensch vermag ebenso wie der Ultramoderne
den Durchbruch zu derartiger Existenzialitüt zu vollziehen
, wenn auch die Erscheinungsformen, äußerlich betrachtet
, gelegentlich fnst unvergleichbar verschieden sein werden,
jedenfalls was das anthropologische ,Milieu' anbelangt; —
reine Sittlichkeit in ihrer Äußerung des Helfens, Sich-Kin-

setzens usw. ist demgegenüber, global gesehen, im wesentlichen
gleich" (S. 155).

Daß ,das Leben der Güter höchstes nicht' ist, wird hart,
aber konsequent auch von der Menschheit insgesamt gesagt:
„. . . daß ... unter bestimmten Bedingungen gerade sogar die
Aufhebung eben dieses physischen Lehens, seine Beendigung,
das sittlich Gebotenere sein kann. Dies gilt nicht nur, im übrigen
, für den Einzelfall, sondern kann gelten grundsätzlich
für ganze Gruppen, ja sogar für die Menschheit insgesamt
und überhaupt" (S. 141).

Unbedingt bemerkt werden muß, daß der personalistischc
,Idealismus' dieser Konzeption die Idee des personalen Gottes
in sein System einbezieht — ohne daß dieser Gott den Menschen
aufsaugt:

„Es gilt hier ja gerade nicht die Angst vor einer Vergeudung
menschlicher, humaner ,Energie' an ein sog. jenseits
' . . ., sondern gerade die in der Unendlichkeit seines iu-
telligiblen Wesens als Person gelegene Souveränität.. . vermag
menschliches Wesen und menschliches Handeln schon
von seinem Grund her der ängstlichen Verkrampfung an das
sog. .Irdische' zu entheben . . . Emanzipation und (bedingte)
Theonomie widersprechen sich richtig verstanden nicht nur
nicht, sondern vermögen sich als zwei in ihrer Differenz dennoch
komplementäre Aspekte an ein und demselben Verhältnis
zu erweisen" (S. 110).

B«Hn Hans-Georg Fritzscho

Baumotte, Manfred: Hermann Cohens „Ethik des reinen Willens
" als durchgeführte systematische Theologie (NZSystTh
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Kozäk, J. B.: Stabilizers of the Cosmos (ComViat 17, 1974

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Niewöhner, Friedrich: Isaak Breuer und Kant. Ein Beitrag

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Ogicrmann, Helmut: Zur „christlichen Philosophie" des spülen
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Welte, Bernhard: Was hat die Philosophie in der Theologie
zu tun? (ThQ 154, 1974 S. 303-310).

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

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tischer Rcligionsphilosophic und Theologie zur religiösen
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1. Analytische Philosophie angelsächsischer Provenienz bestimmt
in der Ausgestaltung als Logik, Wissenschaftstheorie