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Ausgabe:

1976

Spalte:

289-291

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Eckstein, Hans

Titel/Untertitel:

Die romanische Architektur 1976

Rezensent:

Strohmaier-Wiederanders, Gerlinde

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Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 4

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ohne hätte er seinem Anliegen mehr gedient, wenn er auch im Hans Eckstein, der ein gründlicher Kenner der romanischen
Bereich dieser Bildzyklen sich stärker an den franziskanischen Architektur, besonders in Frankreich, ist, hat hier den Vcr-
Generalminister des 13. Jh. und die diesbezügliche For- such unternommen, die große Fülle romanischer Formen ge-
schungslitcratur des 20. Jh. gehalten hätte1. So muß der Le- schlössen darzustellen. Dabei geht er davon aus, daß unter
ser in der ersten Hälfte d icses Buches die Bilddeutung als will- der Stilbezeichnung „Romanik" sich in den verschiedenen
kürlich empfinden. europäischen Territorien sehr eigenständige Formen entwickelt
Hinzu kommt, daß die Argumente - wie sollte es bei einem haben. „Befragen wir die romanischen Bauten danach, so erFührer
anders sein? - unmittelbar aus dem Raumaspekt ab- kennen wir sehr bald, daß diese Verhaltensweisen nicht nur
geleitet werden, für den ürtsabwesenden aber im wahrsten in verschiedenen Zeiten unterschiedlich sind, sondern
Sinne des Wortes nicht „einsichtig" sind. Warum soll z. B. die mebr noch durch den geographischen Raum, in dem sie
Vertreibung aus dem Paradies in „östliche" Richtung, d.h. in in Erscheinung treten" (S. 8). „Diese Gegensätzlichkeiten des
Richtung zum Ausgang der Überkirche, ein gewollter Bibli- architektonischen Denkens und Empfindens und die Auswir-
zismus sein (vgl. S. 30) ? Umgekehrt wundert man sich, warum k,ln8> die sie in der Gestalt der romanischen Architektur ge-
S. 201 in dem Bildschema nicht die Deutungsdiagonale: Be- '""den haben, ist das eigentliche Thema dieses Buches"
gräbnis Christi - Begräbnis des hl. Franziskus - festgehal- (S- 10)- Dieses Thema nun entfaltet der Autor anhand von
ten wird, die durch die Gegendiagonale: Kreuzigung Christi - west"' sü<|- und ostromanischen Bauten. Der eigentlichen Stil-
Stigmatisation des hl. Franziskus einfach gefordert wird. Im beschreibung stellt er Kapitel über die Bezeichnung „romaübrigen
ist es kaum Zufall, daß die einleuchtendsten Bild- I,Isch' vorau- über dle kulturellen, gesellschaftlichen und poli-
interpretationen dann gegeben werden, wenn sie sich an die t,schen Grundlagen und über die technische Organisation der
»Legenda maior" oder sonstige Bonaventura-Texte halten wie romanischen Bauunternehmen („Bautrupps, Baumeister, Bau-
z. B. im Fall der Vision von Rivotorto (S. 152ff.) oder des herren"). Die romanische Architektur wird dargestellt in ihreu
Quellwunders auf dem Wege nach La Verna (S. 172f.). - Der einzelnen Bestandteilen und deren Strukturierungen. Glied«-
bekannte Franziskusforscher Dr. Kajetan Esser OFM hebt runK der Mauern, Gestalt der Wand, Innenräumc und Kup-
in seinem Geleitwort die schematischen Zeichnungen zu den Peln- formen der Chöre und Krypten, Formen der Westmas-
Bildprogrammen der Unter- und Oberkirche mit Recht hervor. slve und deren Tiirme und schließlich die Gruppierung der
Er hätte dem Werk jedoch noch besser mit dem Rat gedient, Baukörper. All das wird sehr exakt mit reicher Beispielaus-
diese Schemata auch zu orten - bei einer, aus der räumlichen waM beschrieben, wobei die Unterschiede der geographischen
Ortung argumentierenden Bildinterpretation eine dringend Bereiche (west-, süd- oder ostromanisch) sehr genau heraus-
henöligte Verslchcnshilfe. Zusätzlich zum Geleitwort hätte gestellt werden. Vor allem die westromanischen Bauten wer-
Kajetan Esser sich um die Publikation durch Korrekturlesen den ausführlich behandelt. Im Schlußkap.tel wird dann noch
«och verdienter gemacht: der Name des durch ihn auf solche die I!auskulptur untersucht. Die Romanik kommt so in wirk-
Weise wie ein „aller Franciscus" ausgetriebenen Druckteufels ■* allen 'bren Elementen zur Darstellung. Dazu veranschau-
(s .Teufelsaustreibung aus Arezzo S. 159) könnte wahrlich als llchen ,m fext ln allen Kapiteln gute Skizzen und Grundrisse
-Legion" bezeichnet werden. Mag auch sehr vieles auf das d,e behandelnden Arch.lekturelemente was angesichts der
Konto der italienischen Druckerei gehen, so hätte der wissen- Fülle der gebotenen Einzelheiten sehr hilfreich ist. Außerdem
sehaftlich ausgewiesene Ordensbruder doch technische Hilfe G,bt es noch elnen Kuten Bildte.l der analog zu den einzelnen
leisten können (Zitierweise, Richtigstellung falsch gebrauchter Kapiteln gegliedert ist. Zu den Abbildungen ist noch ein Ver-
Fremdwörter) zeichnis angelegt, das die wichtigsten Erläuterungen gibt, ob-
(, . wohl im Text bereits auf die jeweiligen Abbildungen verwie-
Solche Kritik kommt aber zum Schweigen angesichts der sen wird informationen werden also reichlich gegeben, obwohl
ncrrlichcn I'arbaufnahrncn, die schlechthin revolutionierend üh]l(J}0 Umfang der DuMont-Dokumcnte aus Platzgrün-
s»'u Sie entstanden nicht bei nächtlichem Kunstlicht, sondern den eine gewisse RafTung erfordert.
wurüen für die Glasfenster und Fresken bei Tageslicht durch

Paul Sessner-Dachau gewonnen, während die Joche des In- Aber die Slärkc dieses Uuches ist ""ff«* seine Schwäche,

«enraumes zusätzlich durch neuartige Tagcslichtlcuchten der Dle Einzelheiten dominieren zu sehr. Man vermißt eine Zu-

Einna CONSTEM-München erhellt wurden. Eben diese Auf- sammenschau der romanischen Architektur oder ein Verknüp-

nohmen machen die von P. Ruf OFM vorgelegte Untersuchung fcn der vielen analysierten Einzelheiten. So erhält das Buch

auch für die kunsthistorische Forschung zu einem wichtigen einen stark kompendienhaften Charakter, worauf der Leser

Arbeitsinstrument, wobei sie die Beifügung der Bonaventura- sich erst einstellen muß. Aber die geschilderten zeitlich und

»exte nur begrüßen kann. Der weite Kreis der Franziskusver- geographisch begründeten Unterschiede kommen dabei doch

ebrer sichert aber diesem schönen Bildband den buchhändle- nichl so zur Gellung, wie es die Absicht des Autors ist. Vor

r'sclien Erfolg allem die zeitlichen Entwicklungen kommen zu kurz, zuweilen
werden sie in ihrer Bedeutung für die Ausbildung des

G*Mingon Carl Andreien Stils sogar etwas heruntergespielt. Z. B. heißt es S. 145:

"---- „. . . Bei den frühen ostromanischen, ,ottonischen' Bauten ist

Sci«V?- l' B- A Gorkon. Theologie <loi Wort«. Da. VerhSUnl. von der Aufhau der Massen ... eher asketisch nüchtern." Kann

H m 8 und '"karnation bei Bonaventura, DOueldorf 1963, oder man das einfach so konstatieren? Warum ist denn das so, was

fSÄ'Xr LÄX^ÄS bedeulel ,,as in ienem Zeitab»cbnitl ln dieser Gegend? Darauf

om 1071, vgl. dazu: ThLZ 97, 1972, «7-450. müßte eben doch eingegangen werden.

Uberhaupt sind die Iiistorischen Bedingungen der Romanik,

P also die gesellschaftlichen, kirchen- und thcologiegeschicht-

e^stcin, Hans: Die Romanische Archilcktur. Der Stil und liehen Voraussetzungen, entweder schematisch formelhaft dar-

seino Formen. Köln: DuMont Schnuberg [1975]. 312 S. m. gestellt oder so verkürzt worden, daß für den Leser die Bezie-

f5 Abb., 199 Abb. a. Taf. 8° = DuMont Dok umente: Reihe hungen zum Stil nicht leicht herstellbar sind. Es zeigt sich

"■unstgeschichte/Wisscnschaft. Kart. DM 28,—. hier, daß ein Kirchenbaustil — wie es die Romanik im we-

..Die Romanische Baukunst entspricht in ihrer Klarheit und scnllichen ja ist — ohne ausführliche Analyse der frühmittel-

ötrenge unserem heutigen Verständnis von Architektur mehr altcrlichen Theologie- und Frömmigkeitsgeschichte nicht voll

als die anderer Epochen." Mit diesem Satz begründet der Ver- erfaßt werden kann. Zuweilen erscheint es deshalb so, als

'nB M. DuMont die Herausgabe der romanischen Architektur- würde die romanische Epodie von den Begriffen und Erschei-

geschichie von H«HI Eckslcin. In der Tat ist in der Gegenwart nungen unserer Zeit her aufgeschlüsselt (S. 132, oben z. B.).

e'n verstärktes Interesse an der Epoche der Romanik zu spü- Das spürt man auch dann, wenn Ordensbauten behandelt wer-

re", und deshalb ist man dankbar, wenn in der ganzen Breite den. Der Kern monastischcr Organisiertheit (Cluny, Citeaux

dcr Literatur zu diesem Thema eine genaue Analyse des Stils o. ä.) ist oft nicht genug beachtet worden. Ahnlich verhält es

"nd seiner Formen nicht fehlt. sich bei den sogenannten Kaiserdomen oder der Funktion der