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Ausgabe:

1976

Spalte:

283-284

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Luther, Martin

Titel/Untertitel:

D. Martin Luthers Werke 1976

Rezensent:

Zur Mühlen, Karl-Heinz

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diese Linie stärkere Bedeutung als prinzipiell zugestanden. Zwar
sei die Reformation im 16. Jahrhundert „gescheitert", sofern
sie „die Reform der einen, allen Christen gemeinsamen Kirche
bringen" wollte (S. 7), aher Luther war es, der „den Auftakt
zur Reformation geben sollte" (S. 20); zwar lehnte „der späte
Erasmus die Reformation mit steigender Entschiedenheit ab
...nicht als Irrtum und Irrlehre", (wie etwa heute manches
noch für Iserlohs gut katholische „Auffassungen über Kirche,
Papsttum, Konzil und priesterliches Amt" [S. 18] gegen
Luthers Irrtümer spricht), „sondern als ,fatalis tumultus', weil
sie zu Aufruhr, Unsitllichkeit, Intoleranz und Untergang der
humanistischen Studien führte" (S. 17), aber leider „war ein
Sturm, wie Luther ihn entfesseln sollte, den mitverschuldet
wir als katholische Schuld beklagen, kaum noch zu vermeiden
". — Das beleuchtet Iserlohs Position und Intention, die
schließlich ohne Nennung des Begriffs, doch die „Gegenreformation
" als eigentlich siegende Reform versteht, wenn er hier
fortführt: „Daß aber diejenigen, die durch ihre Schwäche und
Korruptheit den Angriff herausforderten, nicht die Kraft hatten
, ihn abzuwehren, liegt in der Natur der Sache. Wenn —
allerdings leider erst Jahrzehnte später — die von innen her
so korrupte und von außen her so schwer angeschlagene Kirche
des 16. Jh.s sich doch aus eigener Kraft und von der eigenen
Mitte her erneuert hat, so ist das ein Phänomen, dem man
wohl nur durch Wertungen wie ,Das Wunder von Trient'
gerecht werden kann" (S. 17).

Die Ubereinstimmung mit seinem Lehrer J. Lortz, dessen
Urteil über Luther als „religiöses" Phänomen er zustimmend
teilt, kommt auch in der mehrfach anklingenden Erwartung
zum Ausdruck, daß Reform der Auftrag der Reformation war,
den sie verfehlte, und daß „das damals Versäumte heute vielleicht
einer besseren Lösung entgegenzuführen" möglich sei
(S. 7). Auch der Hinweis auf Vaticanum II, das Forderungen
„eingelöst" habe, „die unter anderem von Martin Luther ausgesprochen
worden sind", fehlt nicht (S. 116).

Im einzelnen führt Iserloh in gelehrten Untersuchungen
über Traditionszusammenhänge, besonders ausführlich im
Kapitel über Luthers Verhältnis zur Mystik (S. 62—87), Material
für die These vom katholischen Luther an. So versteht
sich der folgende Satz: Im „Festhalten an den Heilstatsachen,
an der Gottheit Jesu Christi und seiner Auferstehung, am Sakrament
der Taufe und des Abendmahls, steht heute der katholische
Christ auf der Seite Luthers gegen viele, die sich auf
den Reformator meinen berufen zu dürfen" (S. 120). Er will
den heimlichen Wunsch nach der Rückführung des lutherischen
Restes in die römische Kirche fördern. Nur fragt sich
eben, ob diese Deutung von „Luthers Reichtum", den es nach
Lortz bekanntlich „in die katholische Kirche heimzuholen"
(S. 115) gilt, übereinkommt mit der Wiedergewinnung des
Evangeliums durch Luther und allem, was daraus sinnvoll
geworden ist und noch werden soll, weil in der Reformation
Luthers Gottes Wirken zum Zuge gegen hierarchische
Überfremdung des Evangeliums Jesu Christi kam.

Jena Horst Beintker

Luther, Martin: Werke. Kritische Gesamtausgabe 41. Bd.;
Revisionsnachlrag. Weimar: Bühlau 1974. 263 S. 4°.
M 58,50.

Der vorliegende Revisionsnachtrag zu Bd. 41 der Weimarer
Lutherausgabe wurde in einer ersten Fassung in der Göttinger
Arbeitsstelle der Weimarer Lutherausgabe unter Leitung
von H. Volz und unter Mitarbeit von G. Hammer und
H. Laubner im Frühjahr 1967 im Manuskript erarbeitet und
von diesen unter Leitung von IL A. Oberman im Tübinger
Institut für Spätmitlelalter und Reformation fertiggestellt. Der
Bd. 41 enthält Nachschriften von 111 Predigten Luthers aus
den Jahren 1535 und 1536. Dabei handelt es sich um sonntägliche
Perikopenpredigten, Reihenpredigten und Predigten
aus besonderem Anlaß (Einführung der Ordination ev. Geistlicher
in Wittenberg, Auftreten der Pest u.a.). Diese Texte

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wurden von G. Rörer während der Predigt nachgeschrieben
und geben den Wortlaut der Rede Luthers oft nur verkürzt
wieder. Abgesehen von einer Überprüfung der von G. Buchwald
besorgten sorgfältigen Auflösung (vgl. die Würdigung von
H.Volz RN 41, llf.) der Kürzelschrift Rörers und der knappen
sprachlichen Erklärungen von P. Pietsch und Ü. Brenner, bemüht
sich der nun vorliegende RN41 vor allem darum, den
sachlichen und zeitlichen Kontext dieser Predigten aufzuhellen
. Dazu bringt er u.a.: Erläuterungen zum deutschen Wortschatz
, Zitatnachweise, Sacherklärungen, Hinweise auf den
Zusammenhang mit anderen Predigten Luthers über den
gleichen Text, Beziehungen zur patristischen und mittelalterlichen
Exegese, Hinweise auf philologische Hilfsmittel der Zeit
und Luthers eigene Bibelexegese und auf parallele Aussagen
aus Luthers Schriften, Briefen und Tischreden aus den dreißiger
Jahren sowie aus gleichzeitigen Werken anderer Autoren.

Ohne zu übertreiben darf man feststellen, daß die im RN 41
vorgelegte Kommentierung über die bereits vorliegenden
RN 3011, 30I1I, 32, 33, 48 hinaus ein ausgewogenes Konzept
zwischen philologischer Worlerklärung und Sarherklärung gefunden
hat. Die erste findet ihren Niederschlag zusätzlich in
einem deutschen Wortregister am Schluß des RN, was auch
für die inhaltlichen Sacherklärungen wünschenswert gewesen
wäre, und das um so mehr, weil die Kommentierung zahlreiche
, aus langjährigem Umgang mit der Weimarer Lutherausgabc
sich ergebende Detailkennlnisse ans Licht bringt. Ein
gelungenes Beispiel der kommentierenden Darbietung der
Auslegungsgeschichte bieten die Erläuterungen zu Luthers
Predigt über Ps 5 (WA 41, 8ff.). Sie bringen aus dem komplexen
auslegungsgeschiclitlichen Hintergrund in knapper Auswahl
das für das Verständnis Notwendige. — Es wäre erstrebenswert
, wenn die gerade im RN 41 dokumentierten Erfahrungen
mit dem schwierigen Problem einer die Interpretation
des Textes ermöglichenden, aber nicht vorwegnehmenden
(Subjektivität!) Kommentierung sich auch für Erläuterungen
zu anderen nicht bzw. nicht ausreichend kommentierten Texten
der Weimarer Lutherausgabe (z. B. für die frühen Predigten
von 1514—1521 in WA 1, 4 und 9) fruchtbar machen
ließen.

Tübingen Karl-Heinz zur Mühten

Fischer, Wolfgang P.: Frankreich und die Wiedereröffnung
des Konzils von Trient 1559—1562. Mit einem Geleitwort
von H.Jedin. Münster/W.: Aschendorff [1973]. X, 358 S.
gr. 8° = Rcformationsgeschichtl. Studien U, Texte, in Verb,
m. R. Bäumer, T. Freudenberger, K. Ganzer, K. Repgen u.
E. W. Zeeden hrsg. v. E. Iserloh, 106. Kart. DM 68,-.

In seinem Geleitwort nennt Hubert Jedin, der Meister der
Konzilshistoric, diese historische Dissertation der Universität
Saarbrücken „einen der wertvollsten Beiträge zur politischen
Geschichte des Trienter Konzils, die in den letzten Jahren
erschienen sind". In der Tat gibt das Buch für die Wenigen
Jahre zwischen dem Frieden von Cateau-Cambresis und dem
Konzil eine minutiöse Schilderung des bewegten und wcchsel-
vollcn Spiels der hohen Politik Europas um das Schicksal des
Trienter Konzils, wobei die Frage nach den Aktionen und
Motiven des französischen Hofes im Vordergrund stellt.

Dabei kann der Verfasser, zum Teil aufgrund neu zugänglichen
Materials, beispielsweise über die Beziehungen zwischen
Frankreich und Spanien, einige Akzente neu setzen. Vor allem
interpretiert er die Politik des Kardin all von Lilliringen und
der Katharina von Mcdici gegenüber den Protestanten als entgegenkommender
, weniger zweideutig und doppelzüngig, als
das gemeinhin geschieht. In der bedrängenden und schließlich
verzweifelten Situation der Krone angesichts des raschen Aufstiegs
der Hugenotten, der häufigen Thronwechsel, der finanziellen
Notlage, der feudalen und klerikalen Opposition sei
für die Führer der französischen Politik der Ausgleich mit den
Protestanten zur leitenden Maxime geworden; die Veranstaltung
des Nationalkonzils und der Colloquien von Poissy und
St. Germain, den Versuch, mit Hilfe dieser Versammlungen

Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 4