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Ausgabe:

1976

Spalte:

262-264

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Baeck, Leo

Titel/Untertitel:

Epochen der jüdischen Geschichte 1976

Rezensent:

Wiefel, Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 4

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jenigen zur Landeskunde Judäas (Slrabo und Plinius maior Damaskus, Plutarch, Apion, Hekataios von Abdera4, Manetho,

nehmen in Bd. 1 den breitesten Raum ein), läßt aber jeden- Diodor.

falls erkennen, wie weitreichend das Interesse am Judentum Für Band II, auf den schon des öfteren in I verwiesen wird
in der späteren Antike war, und in welchem Maße man sich und der die Texte von Tacitus bis zur Spälantike umfassen
vom ausgehenden 4. Jh. v. Chr. an (Theophrast, Hekataios soll, sei es erlaubt, den Wunsch der Anfügung von Registern
von Abdera) um Kunde über sein Land, seine Geschichte und zu äußern: i. der bearbeiteten paganen Autoren; 2. der ab-
seinc Eigenart bemühte. gedruckten Tcxtslellen (deren Verfasser ja nicht immer mit
Die Ausgabe von M. Stern (GLAJJ) führt weit über die von denen der behandelten Autoren identisch sind); 3. der in den
Th. Reinach1 hinaus, nicht nur durch die erheblich größere gesammelten Texten begegnenden und (vor allem) der in den
Zahl der aufgenommenen Texte (bisher 272 Abschnitte von Kommentaren abgehandelten Themen, der Namen usw.5
91 Schriftstellern). Einmal leitet sie schon mit den Vorbemer- Mit dem umfassenden Werk ist ein seit Jahrzehnten mchr-
kungen über den Autor und sein(c) Werk(e), die diese(s) ge- fach geäußertes Desiderium der Wissenschaft vom Judentum'
gebenenfalls in die Geschichte und die Gattungen der antiken in hervorragender Weise erfüllt. Nicht nur — und das ist allcr-
UteratUl einordnen, zum Text hin und fügt ihn des öfteren dings grundlegend — sind die Texte nach den neuesten ver-
aucli bereits in seinen sachlichen Zusammenhang ein. Nöti- fügbaren Ausgaben einschließlich eines durch Stern bearbei-
genfalls wird die Frage der Abhängigkeit bestimmter Partien teten Apparates bequem zugänglich gemacht, sind durch die
von älteren Schriftstellern (etwa Poscidonios) kritisch behau- Übersetzung Anfänge einer Interpretation gegeben. Sondern
delt. überhaupt werden Traditionswege und mögliche Benut- es werden außerdem weithin dem Verständnis dienende Aus-
sung von Vorlagen erörtert. Es folgt gegebenenfalls eine Bi- künfte bzw. Hinweise gegeben, Probleme, vor die die Texte
bliographie, die nach den Jahren des Erscheinens aufgereiht stellen, im gesteckten Rahmen diskutiert und Lösungen anist
. Sodann ist der Text, der nach der jeweils neuesten Edi- geboten. Damit bildet die Edition von Stern die Basis für die
lion2 wiedergegeben wird, mit einem kritischen Apparat ver- weitere Forschung im Bereich der Texte der GLAJJ im weiten
sehen; der Apparat der zugrunde liegenden Ausgabe ist durch- Rahmen ihrer oben skizzierten Bedeutung.

gearbeitet, z. T. gekürzt (stärker z. B. mitunter für Josephus, „ „ ,c , _._

" , . .. ... . , Halle/Saale Gerhard Delling

wenig bei 1 lutarch), z. 1. auch ergänzt mit Material aus anderen
Editionen bzw. textkritischen Veröffentlichungen. Die

Angaben werden auf ein einheitliches Verfahren umgestellt i Textes d'auteurs grecs et romains, Paris 1895, XX, 375 S. (Nachdruck

"nd nötigenfalls verdeutlicht, die Namen der Editoren, Ur- Hildesheim 1963). H. bot bis Plutarch etwas über 100 Textabschnitte.

i,„i . . i ., . , 1 teilweise werden die vollen Titel der Ausgaben genannt,

neoer von Konjekturen usw. ungekürzt angegeben. Die Siglen 3 Die Titel der Schriften werden mit wenigen Ausnahmen voll aus-

der Handschriften sind allerdings nur an Hand der benutz- gedruckt, selbst wenn Abschnitte daraus in GLAJJ aufgenommen sind.

I0 i , - . . . _ . n , * Zu diesem s. neuerdings Ben Zion Wacholder, Kupolemus. A Study

ien Ausgaben aufzulösen, sofern nicht der Passus im Koni- of Judaeo-Greek Literature, Cincinnati t97'i, s. 85-90. w. spricht Jos

nienlar texlkritisch besprochen wird. 1 183—204 dein Hekataios ab; hinter dem Passus stehe die Durstcl-

' lung eines palästinisch-jüdischen Autors um 300 v. Chr.

Die auf den Text folgende Ubersetzung ist übernommen, s Ob es sinnvoll und möglich wäre, auch eine Auswahl der für den

wr.n.. - . ■ , , | i_ rn _• _ i t ;i_ t?*i» •» Themenbereich besonders charakteristischen Wörter zusammenzustellen?

wenn möglich, aus der Loeb Uassical Library. Ks folgt, soweit , Hans Lewy (1901-1945) plante ein Werk, das die Sammlung von

angebracht, ein Kommentar in einer kleineren Type. Mitunter Reinach ersetzen sollte (Stern S. viif). Seinem Andenken ist der vorist
ihm ein Vielfaches von dem Raum gewährt, den der Text liegende Band «ewidmet
beansprucht, z. B. in einer Erörterung der Rechtsstellung der
Juden in Alexandria (S. 399-403, zu Jos Ap 2,38). Die geschlossene
Behandlung bestimmter Themen zu einer Stelle Baeck> Leo: Epochen der jüdischen Geschichte, hrsg. v. H. I.
entlastet den Kommentar zu anderen; Querverweise helfen Stutlgart-Berlin-Köln-Mainz: Kohlhammer [1974...
dem Benutzer vielfältig weiter, auch dort, wo ähnliche Aus- 136 S-- 1 Taf- Sr- 8° = Sludia Dehtzschiana. Abhandlgn u.
sagen an verschiedenen Stellen erklärt werden. Vielfache Ver- Tcxt0 aus dem Inslittitum Judaicum Münster/W., hrsg. v.
weise auf alllestamentliche, sog. naehbiblische, rabbinisclic K- H- Rengstorf, 16. Kart. DM 39,-.

und — häufig im Wortlaut wiedergegebene — griechische bzw. Mit diesem Buch aus dem Nachlaß Leo Baecks liegt fast

lateinische Texte1 führen an das erläuternde Material heran. zwei Jahrzehnte nach seiner Entstehung ein Dokument von

In den Erklärungen wird insbesondere auch die umfassende besonderer Art der Öffentlichkeit vor: es ist die reife Frucht

Sachkunde des Kommentators in den Bereichen der politi- eines vielseitigen Lebenswerkes als Religionsforsclicr und In-

sclien und Kulturgeschichte der hellenistisch-römischen Zelt terpret des Judentums und zugleich ein menschlich bewegen-

sowie der historischen Geographie — neben denen der Reli- des letztes Zeugnis der tragisch zu Ende gegangenen Symbiose

gions- und Geistesgeschichte — hilfreich. Der Kommentar hat von jüdischer Religion und deutscher Gcisteskultur. Leo Baeck

nach meinem Eindruck unter anderem darauf acht, sachun- (1873—1936), religiöser Führer des deutschen Judentums in

kundige Aussagen, Mißverständnisse, Fehlurteile der Texte schwerster Zeit, nach seiner Befreiung aus Theresienstadt im

soweit möglich ihrer Entstehung nach aus ihrer Zeit heraus englischen Exil, hat die hier veröffentlichte Vorlesungsreihe

erläutern. — In die Erläuterungen ist die spezielle Literatur in seinen letzten Lebeiismonalcn vor der Society for Jcwish

(über die in der Bibliographie genannte hinaus) umfänglich Studics in London in deutscher Sprache gehalten. Der Cha-

eingearbeitet, sei es ihren Ergebnissen nach bzw. in Ausein- rakter des Ursprungs ist dem Werk in besonderer Weise

andersetzung mit diesen, sei es mit präzisierten Verweisen. eigen: es handelt sich um die (leicht überarbeitete) Nachschrift

Auch die des 19. Jh.s wird mannigfach herangezogen, gele- einer Bandaufnahme, die den nahezu frei gehaltenen Vortrag

genllith selbst die des 18. Die Titel der Periodica werden aus- aufgezeichnet hat. Die Art der Problembehandlung setzt ein

Bedruckt, soweit sie nicht im Abkürzungsverzeichnis p. xv- zu geistiger Mitarbeit befähigtes Publikum voraus, die Hörer

Xv"i aufgeführt sind. waren Rabbiner aus kontinentalcuropäischen Ländern, durch

Das Werk ist insgesamt großzügig angelegt (auch in der die Katastrophe nach England verschlagen, dazu zahlreiche

füunilichen Anordnung des Drucks). Eine Reihe von Texten, Gäste, auch christliche Freunde des Judentums. Der Leser

die es gleichzeitig mit mehreren Autoren zu tun haben, wer- darf s'0'1 glücklich schätzen, gleichsam dabeizusein, wenn

dpn jeweils für jeden Schriftsteller wiederholt (mitunter han- dcr Meister die Summe seiner Lebensarbeit und Lebensweis-

d^'t es sich um das einzige Textstück, in dem er in GLAJJ heit darbietet.

egegnet). Gerade so wird der Uberblick über das Vorkom- Für den jungen jüdischen Gelehrten stand das Lebensthema

rnen von Äußerungen über das Judentum in der Geschichte fest, als er (damals noch Rabbiner in Lissa) 1901 als Gegen-

, Paganen Literatur erleichtert. Tatsächlich ist zu zahlrei- stück zu Harnacks Wesen des Christentums sein Wesen des

'en Autoren nur ein kurzer Passus anzuführen (der — je- Judentums vorlegte, in dem er die Einheit der jüdischen Tra-

We|ls einzige — Text von 38 Schriftstellern umfaßt je 2—10 dition jenseits der Unterschiedenheit der geschichtlichen Epo-

JCiIcn). Am meisten Raum beanspruchen nächst den beiden chen behauptete. In diesem Sinne ist auch hier von Epochen

oben Genannten (in einer climax descendens) Nikolaus von jüdischer Geschichte die Rede, obwohl das inhaltliche