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Ausgabe:

1976

Spalte:

253-254

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Bleeker, Claas Jouco

Titel/Untertitel:

Hathor and thoth 1976

Rezensent:

Luft, Ulrich

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253

Theologische Literaturzeitung 101. Jahrgang 1976 Nr. 4

254

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Blcckcr, C. J., Prof. Dr.: Hathor and Thoth. Two Key Figures
of the Ancient Egyptian Religion. Leiden: Brill 1973. X,
171 S., 4 Taf. gr. 8" = Studies in the Hislory of Religions
(Supplements to Numen), XXVI. Lw. hfl. 42,—.

Bleeker behandelt in dieser Studie zwei Götter Altägyptens,
die er ausdrücklich als dominante Gottheilen versteht. In der
Einleitung macht er den Leser mit seinen Voraussetzungen
bekannt. Für ihn sind sowohl Hathor als auch Thot die einzigen
Gottheiten, die Ubermacht und Anmut vereinen. Hemmend
für ihre Stellung wirkte sich aus, daß die Ägypter praktische
Denker waren entgegen dem Logos der Gnosis. Außerdem
waren sie konservativ im Glauben. Die Einheit der
Götter besteht aus vielen Aspekten, die teilweise sogar gegensätzlich
wirken. Dem Verständnis der polytheistischen ägyptischen
Religion setzt die mangelnde philologische Aufhellung
der Texte schnell Grenzen. Ägyptische Gottheiten dürfen wir
nicht als Ressortgötter verstehen. Sie sind geschiehtslos aufzufassen
. Eine dominante Rolle spielte die Göttin Maat, die
stark vom Mythos bestimmt wird. Bleeker setzt sich kritisch
mit der myth-ritual-school auseinander, denn Hathor war
mythcnlos und dennoch wurden ihr umfangreiche Rituale
zelebriert. Hathor gehört zu den Gottheiten der „proereation",
Thot zu den Göllern, die für die Erhaltung der Weltordnung
wirken.

Im ersten, umfangreichen Teil behandelt Bleeker die Göttin
Hathor. Nach den traditionellen Darstellungen der Göttin geht
er auf den Namen ein, neben dessen übliche Deutung „Haus
des Horns" er eine neue Interpretation, ausgehend von der
Himmelsgöttin, „mein Haus ist der Himmel" stellt (S. 48).
Hathor scheint als Urgöttin eng mit dem Fruchtbarkeitsgott
Min verbunden (S. 29). Es folgt eine Aufzählung der Darstellungen
von Hathor als kuhgestaltige Göttin und als Baumgöttin
. Für Bleeker ist Hathor in erster Linie keine Mutter-
gotlhcit, sondern die Betonung liege auf dem stimulierenden
Charakter ihrer Schöpfertätigkeit. Die wichtige Rolle der To-
•engöltin wird unter dem Aspekt der Allmächtigkeit verstanden
selbst angesichts der Osirianisierung männlicher Wesen.
Bleek er geht dann auf die Bedeutung der Hathor als Himmelsgöttin
ein, was für ihn das Zentrum dieser Gottheit ist.
Unter diesem Aspekt wird auch dio Verbindung zum Sonnenauge
verstanden. Die besondere Beziehung des Königs zu
Hathor beruht in ihrer Fürsorge um den lebenden König als
Mutter des Re, des mythischen Königs. Hierbei ist anzumerken
, daß nach meiner Sicht die Königsrolle des Re sich erst
•m Lauf der Geschichte entwickelt hat. Breiten Raum widmet
Bleeker der Herrin des Tanzes, der Musik und des Gesangs.
Kurz werden auch die Attribute der Hathor gestreift, und
danach geht er auf ihre Beziehungen zu verschiedenen Göttern
(Horns, Ihi, Harsomthus, Re, Ptah, Min, Osiris) und zu
'len Göttinnen (Jusas, Nebct-Hetepet, Maat, Seschat, Isis,
Nephlhys, Sachmet, Bastei) über, die er so qualifiziert: „The
re'ationships between Hathor and the above mentioned gods
■ad goddesses were sometimes coincidcntal, but mainly they
eonvey u certain affinity of temperament. Howevcr, we must
n°t he templed into thinking that these associations and even
"Icntificntions imply that Hathor is absolutely identical with
*he divinilies in question . . ." und schließt: „In actual fact,
however, she is in cssence incomparable and striking" (S. 70).
Bleeker beschreibt Hathor als im wesentlichen mythenlos und
geht durin auf die Beziehungen zu den nordwestlichen und
südlichen Ländern ein. Bei der Darstellung des Kultes werden
die Orte, der tägliche Kult, die persönliche Verehrung und die
großen Feste beschrieben. Das Kapitel 4 bringt eine Zusammenfassung
der Ergebnisse.

Im zweiten, wesentlich kürzeren Teil beschäftigt sich Bleeker
mit Thot. Schon der Name bietet philologische Schwierigkeiten
. Kr faßt ihn als „Bote" auf: „He is the secretary of Re
""d • •. Iiis messenger whe promulgates the laws of ,the Lord
M the AU'" (S. 107). Die kryptographe Schreibung könnte
*ernichter bedeuten. Die Ibisgestalt wurde dem Thot wegen

der Reinheit des Vogels gegeben, und für die Affengestalt
führt Bleeker aus, daß „the ape most resembled man as homo
sapiens, and so they associated it with Thot, the deus sapien-
tissimus", so allerdings nur als Möglichkeit. Im Gegensatz zu
Hathor umwoben Thot eine Menge Mythen, was Bleeker mit
der Mondgotlrolle verbindet. Bleeker beschreibt Thot als
Friedensstifter in der Hilfe für Re und das Gölterpaar Horus
und Seth. Einen wichtigen Platz nimmt Thot auch in der
Tefnutlegende ein. Er war feindlich und auch freundlieh gegenüber
Osiris, half dem Horus, schuf Gesetze, die das Geschaffene
ordnen, leitete Rituale wie das große Abydosfest, das
Rudolf Anthes kürzlich neu interpretiert vorgelegt hat (FS
Ägyptisches Museum Berlin 1974). Auch in der königlichen
Sphäre spielte Thot eine eminente Rolle. Dem Toten steht er
in allerlei Beziehung bei, wobei ein gewichtiger Punkt die
Verkündigung der Rechtfertigung ist. Thot scheint überall im
Lande präsent gewesen zu sein, allerdings fehlen für Thot Ri-
tualtexle. Das einzige, was wir von Feierlichkeiten um Thot
wissen, ist das Spiel von der Uberwindung der Feinde des
Re. Wichtig war auch die persönliche Verehrung z. B. der
Schreiber. In einer Zusammenfassung trägt er noch einmal
alle Gesichtspunkte zusammen: Profundes Wissen, das ihn
zum Lehrer der Gölter macht, das ihn für des Königs Leben
sorgen läßt, das ihn zum Kullurheros der Menschheit werden
ließ, das ihn zum Friedensstifter unter den Göttern qualifiziert
, gleichzeitig immer die gerechte Sache vertretend als
Hüter der Maat z.B. im Totengericht. So verwundert es niemanden
, daß Thot unter den Ägyptern hoch geehrt wurde.
In einem abschließenden Kapitel führt Bleekor noch einmal
vor Augen, was ihn bewogen hat, Hathor und Thot als die
„two key figures of the Ancient Egyptian Religion" anzusehen
.

Bleeker, der seihst viele Studien zur ägyptischen Beligions-
geschichle vorgelegt hat, scheint wie kein zweiter berufen, sich
dieser Thematik anzunehmen. Der Ägyptologe wird seine Methode
, die deutlich aus der älteren Lehrmeinung hervorgeht,
nicht ohne Skepsis betrachten, denn unterschiedslos stellt
Bleeker Zeugnisse der ältesten wie der jüngsten Geschichte
nebeneinander, wenn er auch zugibt, daß viele Stadien während
dieser 3000 Jahre durchlaufen wurden. Sicher wird jeder,
der sich mit diesen Göttern befaßt, zu dem Buch von Bleeker
greifen, um «ich von dort Anstöße und Anregungen zu holen
aus dem schillernden Bild der zwei Götter, das Bleeker uns
entworfen hat.

Berlin Ulrich Luft

Castclli, Enrico: Le Sacre. Etudes et Recherches. Actes du col-
loque, organise par le Centre International d'Etudes huma-
nistes et par lTnslitut dßtudes philosophiques de Rome.
Rome, 4-9 Janvier 1974. Paris: Aubier [1974]. 492 S. gr. 8°.

Von beiden oben genannten Instituten wurden bereits
13 Kolloquien über die Problematik der „Demythisation" unter
Leitung von E. Castelli veranstaltet. Dieses 14. Kolloquium
, dessen Akten im vorliegenden Bande veröffentlicht werden
, behandelt die Idee des Heiligen von den verschiedensten
Gesichtspunkten aus.

Eingeleitet wird die umfangreiche Veröffentlichung mit
einer „Commemoration" für Carlo Kerenyi, der 1973 starb.
Magdalena Kerenyi schrieb Erinnerungen an ihren Gatten
und an sein Arbeilen nieder, und R. Panikkar charakterisiert
Kerenyi und sein Verhältnis zur altgriechischcn Glaubenswelt
mit folgenden Worten: „II croyait dans les dieux sans etre
polytheiste. II etait une incarnation vivante de la religion de
la Grece ancienne" (S. 18).

Von den 31 Beiträgen dieses Bandes nennen wir nur einige,
um deutlich zu machen, welche Fülle von Problemen und Lösungsversuchen
in diesem Sammelwerke enthalten sind: E.
Castelli, Un aspect du Sacre: la rememoration; H. Bouillard,
La categorie du Sacre dans la science des religions; G. Va-
hanian, Du Sacre ä l'Utopie; U. Bianchi, Quelques remarques
concernant l'usagc des mots „Religio" et „Sacre"; C. Brunaire,