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Ausgabe: | 1975 |
Kategorie: | Systematische Theologie: Ethik |
Titel/Untertitel: | Neuerscheinungen |
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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 2
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lieber auf ein so einfaches Gebot wie Gen 9,6 zurückziehen
sollte. Als Heilmittel gegenüber den Komplexität
moderner Gesellschaft werden die Strafnormen einfacher
Stammesverbände angeboten und damit eine Primitivi-
sierung der Gesellschaft in Kauf genommen.
Zum anderen fördert ein solches Buch die steigende
Tendenz in der US-Gesellschaft zur Selbstjustiz. Da die
staatlichen Organe nicht in der Lage sind, die Kriminalitätswelle
zu brechen, wird der gerechtfertigt, der selbst
zur Waffe greift und sich seine eigene Gerechtigkeit sucht.
Eine Fülle von Filmen verherrlichen gegenwärtig in historischer
(Wildwest) oder moderner (Polizist, Detektiv)
Gestalt den einzelkämpferischen Helden, der in einem
korrupten System sein Verständnis von Gerechtigkeit,
das dem von Gen 9,6 recht nahesteht, durchsetzt. Es muß
schärfste Bedenken erregen, wenn ein naiver und vielleicht
gar nicht so naiver Biblizismus solche Tendenzen
zur Primitivisierung und Brutalisierung der US-Gesellschaft
theologisch überhöht und bestätigt.
Frankfurt/Main Yorick Spiegel
Piana, Giannino, u. Carlo Caffarra: Principi di moralc re-
ligiosa. Bologna: Ed. Dehoniane [1972]. 192 S. gr. 8° =
Corso di teologia morale. Lire 2.200.—.
Compagnoni, Francesco: La speciflcita' della morale
Cristiana. Bologna: Edizioni Dehaniane [1972]. 182 S.
8" = Collana Studi e ricerche, dir. da L. Lorenzetti, 17.
Lire 1.800,-.
Es handelt sich hier um Werke, die zusammen gelesen
werden sollten und die sich gut einfügen in die Forschung
über ethische Probleme des Bologneser Verlages.
Die historischen Perspektiven, mit denen die Gedankenführung
verknüpft ist, sind von besonderem Interesse
. Einerseits bemerkt man das Zerbröckeln der mittelalterlichen
Sicherheit, die das Gebot Gottes als Ausgangspunkt
der ethischen Überlegungen betrachtete. Die Religionskriege
werteten langsam den christlichen Glauben
als Fundament der Moral ab und förderten zugleich das
Abgleiten zu anderen, davon unabhängigen Begriffen.
Die heutige Zeit könnte, nachdem sie die Religion als Illusion
verworfen hat, ein Wiederaufleben der Interessen
für die Schöpfungsstrukturen und für eine Theologie der
Hoffnung erleben, aber der Erfolg dieser letzteren ist zumeist
widerspruchsvoll und kann daher nicht Ausgangspunkt
für ein neues Überdenken sein. Ähnlich scheinen
sich die Begriffe Gefühl und Gewissen, die zwar für die
Aggressivität der Vernunft weniger anfällig sind, keine
neuen Gesichtspunkte zu bringen. Bedeutsam ist der Hi n-
weis auf Tillich: seine Vorschläge bieten die Möglichkeit,
stärker auf die Forderungen unserer Zeit einzugehen, die
so empfindsam ist für die Bedeutung der Situation.
Andererseits nimmt sich die historische Forschung
vor, das Besondere der christlichen Moral herauszustellen
. Die Schlußfolgerungen sind nicht sehr ermutigend:
es bleibt meist schwierig, dieses Besondere herauszuarbeiten
, da es weder Einmütigkeit noch konstante Annäherung
in seiner Charakterisierung gibt. Gläubige und
Nichtgläubige fragen nach dem H u m a n u m. Unter er-
steren hat der Christ vielleicht eine tiefere Einsicht, die
ihm von der Gnade zukommt, oder er hat vielleicht eine
entzaubernde Macht gegenüber der Ethik im allgemeinen
oder allenfalls eine klare Motivation, die er in einer
festen Beziehung zu Christus findet. Die Ablehnung einer
Entscheidung zwischen Autonomie und Heteronomie bei
Paulus und das von Thomas von Aquin vertretene neue
Gesetz sind schon in diesem Sinn ausgerichtet. Das Sein
geht dem Handeln voraus und bestimmt es.
Immer in bezug auf das spezifisch Christliche meint
Compagnoni, daß sich vor uns nicht irgendeine Form des
Fortschritts auftue, da nicht jeder Aspekt des H u m a -
n u m mit der Gnade in Einklang gebracht werden kann.
Um zu einer Entscheidung zu gelangen, ist es notwendig
, daß man sich das Ziel der Schöpfung vor Augen hält,
das Wissen des Gläubigen und das Leben der Kirche, die
die Existenz des einzelnen belebt.
In beiden Fällen hat man den Eindruck, daß die Spannung
, mit der die Untersuchung durchgeführt wurde, in
den Schlußfolgerungen abflaut, oder besser gesagt, daß
unsere Zeit uns noch nicht gestattet, die ethischen Probleme
mit Klarheit zu sehen.
Die Verfasser haben sich ernsthaft mit ihrem Thema
befaßt, frei von vorgefaßten Meinungen und von der Vergangenheit
bestimmten Hindernissen. Sie fordern von allen
Katholiken, Protestanten, Theologen und Philosophen
ein klares Wort für unsere Zeit. Die Lektüre bedeutet ein
Teilnehmen an dieser nicht ohne Leiden erarbeiteten
Untersuchung mit Gefühlen der Dankbarkeit für die gebotene
Information sowie für die befreiende Kraft ihrer
Methode.
Rom Renzo Bertalot
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