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1975

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 2

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qualifiziert diese Schlußformel und überhaupt Luthers
Auftritt als Symptom für die Begegnung zweier Welten
und als „charakteristisch für die Haltung und das Wesen
Luthers" (S. 71).

5. Einer weiteren bedeutsamen Wendung Luthers in
seiner Reichstagsrede (Schrift, Vernunft, Gewissen — die
Parole von Worms) geht Erwin Mülhaupt nach, weist
ihre historischen Bezüge auf und lotet ihre Tiefe aus gegenüber
der heutigen „Parole" : „Genuß, Gewalt, Gesellschaft
" (S. 84). Mit solcher Alternative — noch dazu mit
einer so undifferenziert und unkommentiert gebrauchten
Begriffstrias — wird man die Beschäftigung mit dem Geschehen
in Worms wohl kaum verbinden dürfen.

6. Martin Schmidts Studie zum Thema „Das Reich als
Wirklichkeit und Hoffnung" stellt die Disparatheit der
Reichswirklichkeit und -hoffnung bei Dante, in Worms
1521, beim Religionsgespräch im kurpfälzischen Frankenthal
1571 und schließlich im Zusammenhang mit der
bismarckischen Reichsgründung heraus. Es wird gezeigt,
wie die Hoffnung auf ein kraftvolles Reich im Laufe der
Geschichte verspielt und schließlich „zu Beginn der bis-
marckischen Regierung" (S. 111) endgültig zerstört
wurde, und zwar „durch einen provinziellen imperialistisch
aufgeblähten Nationalismus".

Der Aspekte in den verschiedenen Beiträgen sind viele,
unterschiedliche, aber in den meisten Fällen durchaus
anregende. Daß eine Worms-Apperzeption heute homogen
und unkritisch vor sich gehen könnte, ist undenkbar.
Einen Teil der Palette vorgeführt zu haben, ist das Verdienst
des Herausgebers.

Berlin Joachim Rogge

Brandenburg, Albert: Rückkehr aus der Emigration? Luther
neu gesehen - und die Katholizität (StZ 99, 1974
S. 256-273).

Breymayer, Reinhard: Bibliographie zum Thema „Luther
und die Rhetorik" (LingBibl 1973, Heft 21/22 S.
39-44).

Gavigan, J. J.: Union of the Augustinian provinces of

Austria nnd Styro-Carinthia 1653 (Augustiniana 24,

1974 S. 96-131).
Kantzenbach, Friedrich Wilhelm: Bild und Wort bei

Luther und in der Sprache der Frömmigkeit (NZSystTh

16, 1974 S. 57-74).
Klug, Eugene F.: Luther and Chemnitz on Scripture (The

Springflelder 37, 1974 S. 145-164).
Kramer, Fred: Chemnitz on the authority of the sacred

Scripture (The Springflelder 37, 1974 S. 165-175).
Kubalek, P.: Gelasius Pfraum O.E.S.A. Professor der

Theologischen Fakultät der Universität Wien, 1679 bis

1682 (Augustiniana 24, 1974 S. 161-189).
Padberg, Rudolf: Erasmus von Rotterdam im Blickfeld

marxistischer Autoren (StZ 99. 1974 S. 192-200).

GESCHICHTE CHRISTLICHER KUNST

Der Hedwigs-Codex von 1353. Sammlung Ludwig. Hrsg.
von W. Braunfels. 1. Bd.: Faksimile der vollständigen
Handschrift. 2. Bd.: Texte und Kommentare. Mit Beiträgen
von W. Braunfels, J. Kräsa, K. Kratzsch u. P.
Moraw. Berlin: Gebr. Mann 1972. 408 färb. Faks.-S. mit
65 Miniaturen u. 232 S. m. 59 Abb., 2 Ausklapptaf. 2°.
Lw. DM 950,-.

Unter den immer häufiger werdenden Faksimiles mittelalterlicher
Buchmalereien nimmt die Herausgabe der
Bilderhandschrift des „Hedwigs-Codex von 1353", durch
die jetzigen Besitzer Dr. Peter und Irene Ludwig in
Aachen großzügig unterstützt, einen besonderen Rang
ein. Von Beginn an hat man dem Werk große Beachtung

geschenkt. Die Texte der bereits um 1300 verfaßten Legende
, wovon die vorliegenden eine Abschrift darstellen,
und die Illustrationen sind frühzeitig bekannt geworden.
Auch noch andere Abschriften, einige Übersetzungen ins
Deutsche und die Benutzung der Bildfolgen als Vorlage
für andere Kunstwerke haben mit dazu beigetragen, die
Herzogin Hedwig von Brieg zu einer der beliebtesten
Heiligen des späteren Mittelalters und der nachfolgenden
Zeit zu machen, sie sozusagen zur Landespatronin
des ehemaligen Schlesien zu erheben.

Dem Kodex ist in den über 600 Jahren seit seiner Entstehung
ein wechselvolles Schicksal beschieden gewesen.
Zunächst war die Handschrift im Besitz des Auftraggebers
Herzog Ludwigs I. von Liegnitz (gest. 1398), der sie
wohl noch zu seinen Lebzeiten dem damals neugegründeten
Hedwigsstift in Brieg geschenkt hat. Seit der Reformation
, als der Kodex in die Brieger Gymnasialbiblio-
thek gelangte, hat der Band unterschiedliche Eigentümer
gehabt. U. a. besaß ihn im 17. Jh. lange Jahre die Gemahlin
des Feldherrn Octavio Piccolomini. Später nochmals
in klösterlichem Besitz, kam die Handschrift 1876 an die
Stadt Schlackenwerth in Böhmen. Von dort aus wurde
das kostbare Werk über den Kunsthandel an einen österreichischen
Privatbesitzer verkauft. Nach dessen Enteignung
und Vertreibung durch die Naziherrschaft 1938 gelangte
die „Schlackenwerther Handschrift" in die österreichische
Nationalbibliothek. Mit anderen bedeutenden
Handschriften ausgelagert, konnte unser Kodex nach seiner
Rückführung 1947 seinem inzwischen in Kanada ansässigen
Besitzer zurückgegeben werden. 1964 haben ihn
die heutigen Eigentümer über den New Yorker Kunsthandel
erworben.

Die Forschung hat sich dem berühmten Kodex seit langem
mit Interesse zugewandt, in den letzten Jahrzehnten
zunehmend auch polnische und tschechische Wissenschaftler
. Die in der Entstehungszeit der Handschrift liegenden
Probleme sind ja nicht allein von der kunstgeschichtlichen
Seite her zu betrachten, sie berühren auch die Gemeinsamkeiten
der kultur- und gesellschaftsgeschichtlichen
Entwicklung der unterschiedlichen beteiligten Bevölkc-
rungselemente.

Eine erste zusammenfassende Ausgabe mit Zeichnungen
nach den Originalen der Miniaturen und eine Auswahl
aus den Texten ist 1846 von einem altertumsbegei-
sterten Liebhaber besorgt worden, dem österreichischen
Juristen Adolf von Wolfskron, der damals vorwiegend
wohl den bedeutenden kulturgeschichtlichen Wert des
Bandes als einer Quelle zum Studium mittelalterlichen
Lebens in den höfischen, monastisch-geistlichen und bürgerlich
-bäuerlichen Bereichen entdeckte. In der Tat bietet
der Kodex auch heute noch von daher viele Möglichkeiten
für Spezialstudien.

Das Werk war schon zur Zeit seiner Niederschrift, 1353,
ein Sammelband. Er besteht aus insgesamt 204 Pergamentblättern
von etwa 34 X 25 cm Größe. Sie sind sorgfältig
, jeweils in zwei Spalten mit 24 Zeilen beschrieben,
zwischen denen zahlreiche, fein gemalte Initialen auffallen
. Die Texte beginnen mit einer Abhandlung über die
Genealogie der Heiligen, darauf folgen die Legenden W
einer längeren und einer kurzen Fassung — die letztere
diente zur erbaulichen, bei den gemeinsamen Mahlzeiten
im Kloster vorgelesenen Lektüre. Daran schließt der
Schreiber, nach einem kurzen Gebet, die Kanonisations-
urkunde und die Predigt Papst Clemens' IV. anläßl'cn
der Heiligsprechungsfeier für Hedwig in der Dominika'
nerkirche in Viterbo im Jahre 1267 an. Schließlich wird
der Name der Heiligen nach mittelalterlich-symbolischer
Weise erklärt und ausgelegt. Einen weiteren Raum nehmen
die vier Predigten Bernhards von Clairvaux übe1'
die Verkündigung des Erzengels Gabriel an Maria cin'
Den Beschluß, in anderer Handschrift 1363-06 angefüf?1-
bildet ein Brief des Nikolaus von Posen an den Auftrag'