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Ausgabe:

1975

Spalte:

131-134

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Klijn, Albertus Frederik Johannes

Titel/Untertitel:

Patristic evidence for Jewish-Christian sects 1975

Rezensent:

Rudolph, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1075 Nr. 2

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Seaer, David P.: An essay for lutherans pastors on the
charismatic movement (The Springfielder 37, 1974 S.
210-223).

Trock, Carl: 1972. En oversigt (Kirkehistoriske samlinger
1973 S. 267-299).

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Klijn, A. F. J., and G. J. Rcinlnk: Patristic Evidencc for
Jewish-Christian Sccts. Leiden: Brill 1973. X, 313 S.
gr. 8° = Supplements to Novum Testamentum, ed. by
W. C. van Unnik, P. Bratsiotis, K. W. Clark, H. Ciavier,
J. W. Doeve, J. Doresse, C. W. Dugmore, J. Dupont, A.
Geyser, W. Grossouw, A. F. J. Klijn, Ph. H. Menoud,
Bo Reicke, K. H. Rengstorf, E. Stauffer, XXXVI. Lw.
hfl 92,-.

Uber die Rolle und Bedeutung des sog. Judenchristentums
in der frühen Kirchengeschichte wird seit Jahrzehnten
immer wieder diskutiert, und eine einhellige Auffassung
hat sich bisher kaum durchgesetzt. Dies liegt nicht
nur am wenigen Material, sondern vor allem auch an der
unterschiedlich gebrauchten Terminologie'. Der Begriff
„Judenchristentum" ist eine moderne Bezeichnung und
wird daher sehr verschieden definiert, einerseits mehr
historisch, andererseits stärker phänomenologisch. Geprägt
wurde er im Gegensatz zu den „Heidenchristen",
d. h. den aus dem hellenistischen, nichtjüdischen „Heidentum
" gewonnenen Christen. Als Judenchristen können
daher die dem Judentum entstammenden Christen
allgemein bezeichnet werden, die auch nach ihrer Bekehrung
(Taufe) noch ihrem Wurzelboden in verschiedener
Weise verhaftet blieben, d. h, es handelt sich um bestimmte
Lehren und Praktiken, die zur Charakterisierung
ausschlaggebend waren. Das NT (Paulus) läßt uns
darüber nicht im unklaren, um welche Prinzipien es dabei
ging. Welche Ausdehnung und vor allem organisatorisch
-soziologische Ausbildung damit verknüpft waren
und welche Nachwirkungen damit bis in die späteren
Jahrhunderte damit verbunden sind, ist allerdings nach
wie vor sehr umstritten, und die Ansichten schwanken
von einer mehr engen, auf die Jerusalemer Urgemeinde
und ihr begrenzte Fortsetzung am Rande Palästinas bezogenen
Bestimmung bis zu einer sehr weiten, alle frühchristlichen
Dokumente mit „spätjüdischem Kolorit"
einschließenden Definition (J. Daniölou). Aus diesem
Grunde ist es ein sehr begrüßenswertes Unternehmen,
wenn die beiden Groninger Gelehrten die von den Kirchenvätern
(= KV) hinterlassenen Dokumente zur Geschichte
des Judenchristentums in einem Quellenbuch
sammelten und damit wieder einmal einen klaren Ausgangspunkt
zu umreißen suchen'. Mit Bedacht ist offensichtlich
diese „Patristic Evidence" gewählt worden,
denn es ist gerade ein viel diskutiertes Problem, inwiefern
diese Nachrichten seit dem Ende des 2. Jh.s mit der
älteren judenchristlichen (Ur-)Gemeinde in Palästina zusammenhängen
; dieser Zusammenhang wird meist einfach
ungeprüft vorausgesetzt als bewiesen1.

Die zusammengetragenen Quellen reichen von der
Epistola apostulorum über Irenaeus, Tertullian, Hippolyt
, Origines, Hieronymus und Epiphanius bis zu dem
byzantinischen Autor NicephorusCallistes (13. Jh.).Soweit
sie Griechisch, Lateinisch oder Syrisch vorliegen, sind sie
im festgestellten Originaltext nach den z. Z. gängigen
Editionen wiedergegeben (bei Iren, ist allerdings A. Stieren
statt Harvey benutzt worden, was in den betr. Passagen
nichts weiter austrägt) und mit einer gegenüberstehenden
Ubersetzung versehen. Nur für die arabischen
Texte ist bloß die Ubersetzung geboten. Es liegt also
keine neue Editionsleistung vor. Auf die Wiedergabe
eines Variantenapparates wurde durchweg verzichtet.

Die Anordnung folgt der Lebenszeit der Autoren; bei
Pseudoautoren ist das vermutliche Entstehungsalter berücksichtigt
. Eigentlich neue Texte sind nicht enthalten,
außer den bisher zugänglichen Stellen aus dem Kölner
Mani-Codex, die sich auf Elkasai beziehen (S. 245 f. nach
Henrichs-Koenen). Vielleicht wäre es angebracht gewesen
, noch die von S. Pines bei dem arabischen Autor
'Abd al-Gabbär (* 1024/25) entdeckte judenchristliche
Streitschrift aus dem 5. Jh. zu berücksichtigen4. Den sorgfältig
ausgesuchten und wiedergegebenen Texten sind
eine ausführliche Einleitung (s. u.) und mehrere Indizes
beigegeben, wozu ein Bibelstellenregister und ein Namen
- und Sachverzeichnis gehört. Letzteres ist auch unabhängig
vom vorliegenden Buch benutzbar, da es die
Originalpaginierung angibt5. Dafür verdienen die Autoren
einen besonderen Dank.

Eine spezielle Beachtung beansprucht der quellenkti-
tische 1. Teil (3—64), da er dem Buch über eine Quellendarbietung
hinaus ein eigenständiges Gewicht verleiht
und eine hervorragende Anleitung zur kritischen Lektüre
der Quellen bietet. Die Neuaufnahme der altbewährten
Quellenkritik ist uneingeschränkt zu begrüßen (die
Vf. bestätigen dabei vielfach die älteren Vorarbeiten von
Lipsius, Harnack u. a., gehen aber auch ihre eigenen
Wege"). Mit Recht haben die Autoren sich an das gehalten
, was die KV unter Judenchristentum verstehen (bzw.
wie wir es heute bezeichnen); es sind die fünf Sekten:
Kerinthianer, Ebioniten, Nazoräer, Symmachianer und
Elkasaiten. Dem Wert dieser Nachrichten durch Vergleich
der einzelnen Quellen und ihrer Abhängigkeit gehen die
Vf. mit kritischem Scharfsinn zu Leibe. Nur dadurch läßt
sich einigermaßen ein sicheres Bild über das Judenchristentum
auf Grund dieser Quellen zeichnen. Als Ergebnis
wird festgestellt: „As a general conclusion we may say
that Patristic observations on Jewish Christianity have
no great historical value. One writer usually copies his
predecessor or combines what has been written by a
number of earlier writers. Nevertheless, it seems that
every now and then we find an author who possesses
some fresh material. We have tried to distinguish be-
tween traditional and first hand information" (67). Danach
ergeben sich folgende Konsequenzen, denen man
nicht umhin kann zuzustimmen: 1. Das Judenchristentum
der Kerinthianer ist eine Einführung der Häresio-
logen, insbes. des Epiphanius; die beste Quelle, Irenaus,
weiß davon noch nichts und sieht in Kerinth nur einen
kleinasiatischen Erzketzer; auch sein Gnostizismus ist
fraglich (vgl. S. 3ff ). 2. Ebenfalls als Produkt der Häre-
siologen sind die sog. Symmachianer zu bezeichnen; das
Judenchristentum des Symmachus ist zweifelhaft (vgl-
S. 52ff.). 3. Dagegen sind die Nazoräer offensichtlich eine
judenchristlichc Gruppe aus der Zeit des Hieronymus
und des Epiphanius gewesen, die in Beroia lebte; ob die
beiden „Väter" freilich persönliche Kenntnisse von ihnen
besaßen, ist sehr ungewiß (vgl. 44ff.); ihre Hauptquclle
waren offenbar die ihnen zugänglichen Bücher (Evangelium
, Jesajakommentar). 4. Ebenso sicher ist die Existenz
der Ebioniten (nicht natürlich des Ebion!), über die
die besten Nachrichten von Irenäus stammen, die mit denen
des Origenes übereinstimmen. Epiphanius bereichert
zwar das Bild durch Kenntnis von Schriften aus ebioniti-
schen Kreisen (Periodoi Petru. Anabathmoi Jakobu u. a ).
hat aber die ihm deutlichen Widersprüche zu den älteren
Nachrichten durch die Theorie des elkasaitischen Einflusses
zu erklären gesucht (vgl. 28ff.). „The very contrury is
true: the Elkesaites were influenced by Jewish-Christians
who held Christological views similar to those found l*
the .Ebionite'books" (70). Die Elkasaiten sind als eine von
Haus nichtchristliche Gruppe semijüdischen Ursprungs
anzusehen (vgl. 54—67). Die so von Epiphanius angenommene
Entwicklung aus den Nazoröern ist nicht historisch
beweisbar und unwahrscheinlich, da die älteren Angaben