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Ausgabe:

1975

Spalte:

124-125

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Moeller, Walter O.

Titel/Untertitel:

The Mithraic origin and meanings of the ROTAS-SATOR square 1975

Rezensent:

Schneider, Carl

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Theologische Litcraturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 2

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lieh wie im Kol, auf die Kirche bezogen. Sie wird als der
Heilsraum begriffen. Der Eindruck des Perfektionismus
wird durch das Motiv der Erbauung und des Dienstes
korrigiert, wobei die eschatologische Norm Christus
selbst ist. Die in Eph 4,11 genannten Dienstfunktionen
(Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer)
sind nach M. mehr als Charismen. Sie sind für das Wachstum
der Kirche konstitutiv, und als solche sind sie Unterpfand
des gegenwärtigen Erhöhten. In diesem Sinne tragen
sie schon die wesentlichen Merkmale des Amtes
(S. 115-117).

Eph 2,19-22 wird vor allem mit 1 Kor 3,10 f. verglichen,
wobei ein Unterschied in der Auffassung des Fundaments
festgestellt wird. Im 1 Kor ist es Christus, im Eph sind
es die Apostel und Propheten, „insofern ihre Verkündigung
(die Christus zum normativen Inhalt hat) selbst
der normative Inhalt der zur Zeit des Eph statthabenden
Verkündigung ist" (S. 139). Christus ist also die Norm
des Fundaments. Das wird durch den Begriff akrogo-
niaios zum Ausdruck gebracht, der m. E. mit Recht als die
Bezeichnung des Ecksteins — des wichtigsten Steins des
Fundaments — begriffen wird. Die Propheten werden
neben den Aposteln als den direkten Empfängern der Offenbarung
genannt. Die Propheten sind ihre anfänglichen
mittelbaren Träger. Die Offenbarung ist ihnen durch die
Inspiration zuteil geworden. In diesem Sinne sind auch
die urchristlichen Propheten Persönlichkeiten der konstitutiven
kirchlichen Anfänge (S. 142 u. 156, vgl. S. 359).

In der Exegese von Eph 3,1-7 wird vor allem die spezifische
Stellung der Apostel und Propheten als Empfänger
der Offenbarung (Apokalypsis) behandelt. Das Attribut
„heilig" (V. 5) bezieht M. nur auf die Apostel. Er meint,
daß der Pseudonyme Verfasser, gedeckt durch die Autorität
des Apostels, versucht, die durch ihn neu interpretierte
paulinische Lehre „amtlich" zu verteidigen, indem
er in den V. 7-3 seine besondere Sendung begründet. In der
Gemeinde war er wahrscheinlich einer der Lehrer (S. 222).
In der Zusammenfassung der Einzelexegesen versucht M.
nachzuweisen, daß im Eph die kerygmatischen (Apostel,
Propheten, Evangelisten, Lehrer) und kybernetischen
(Hirten) Charismen gegenüber den in den paulinischen
Homologumena miterwähnten ekstatischen, thaumatur-
nischen und diakonischen Charismen stark hervortreten
und daß das ein Zeugnis für die Lebendigkeit und Gewichtigkeit
der apostolischen Tradition ist, die in der
Kirche normativ war.

Der dritte Teil befaßt sich mit der entwicklungsge-
schichllichen Einordnung der Ämter des Eph. Aufgrund
eines Vergleichs mit den Hauptbriefen stellt M. fest, daß
die Trias Apostel, Propheten und Lehrer zum vorpauli-
nischen Gut gehört. In einem Exkurs über die Entstehung
des christlichen Apostelbegriffs (S. 260—278) kommt M. zu
dem Ergebnis, daß man „schon in Jerusalem, sobald man
— durch die Erscheinung des Auferstandenen legitimiert
— zu verkündigen anfing, den jüdischen Autorisa-
tionsterminus .Schaliach' verwendete" (S. 271). In Antiochien
hat man begonnen, „.Apostel' als term. techn.
für den in der Autorität des Erhöhten verkündigenden
Missionar" (S. 275, vgl. 291) zu benutzen. Diesen Begriff
hat Paulus theologisch interpretiert. Apostel ist nach ihm
der, in dessen bevollmächtigter Verkündigung und Auslegung
der schriftlichen (Altes Testament) und mündlichen
Tradition (Evangelium) sich die Christusunmittel-
barkeit ereignet (S. 303 - vgl. Rom 10,17). Da sein Dienst
mit der Aktualisierung der Norm verbunden ist, ist er
mehr als die übrigen Charismen. Auch die Propheten und
Lehrer beschäftigen sich mit dem Evangelium, und sobald
sie als Zeugen dieser Norm von der Gemeinde anerkannt
werden, trägt ihr Charisma auch ein Zeichen der
Amtsautorität (S. 321, vgl. 280). Die anderen Charismen
bezeugen die Norm nur zeichenhaft. Auf diese Weise
entsteht in der Gemeinde eine Leitungsschicht, die insofern
berechtigt ist, inwiefern sie die Autorität durch Ihr
Zeugnis und nicht durch ihr Amt gewinnt. In dieser Hinsicht
läßt sich das in den Pastoralbriefen sich anbahnende
Amtsverständnis theologisch rechtfertigen. - Hier möchte
ich darauf aufmerksam machen, daß die andere neue Monographie
über Eph von K.-M. Fischer (Tendenz und Absicht
des Epheserbriefes, Berlin 1973) im Eph eine leise
Kritik der sich sonst durchsetzenden episkopalen Gemeindeordnung
sieht.

Die breitangelegte Monographie Merkleins ist dadurch
belastet, daß der Eph zur Lösung der Probleme herangezogen
wird, die sich erst später herauskristallisiert haben
. Die Exegese steht da also direkt im Dienste der Praktischen
Theologie. Solche utilitare Exegese ist an sich
nicht unberechtigt. Sie ist jedoch anspruchsvoll, und nur
die Tatsache, daß in der Exegese eine im Vergleich mit
den theologischen Kategorien des Eph „neue" Begrifflichkeit
(Amt, Tradition) benutzt wird, bringt M. manchmal
in Verlegenheit. Wenn er auch weiß, daß man Amt
und Charisma voneinander nicht trennen darf (S. 287.
327) und daß am Anfang der Kirchengeschichte keine ausgeprägte
Institution gestanden hat (S. 382), versucht er
doch, zwischen Amt und Charisma mindestens zu unterscheiden
(S. 280) und die anfänglichen Amtsträger aus
der Gesamtheit der Gemeinde herauszuheben. So werden
auch in Eph 4,7ff. als Subjekt des „wir" nicht die gesamten
Glieder der Gemeinde vorausgesetzt, sondern nur die
Träger der speziellen Gnadengaben, die im V. 11 genannt
werden (mit H. Schlier gegen J. Gnilka). — Daß eine Institutionalisierung
der Verkündigung in der Kirche notwendig
war und ist, ist jedoch kaum zu bestreiten; diese
Tendenz hat M. trotz aller Schwierigkeiten überzeugend
nachgewiesen. Nach der Krise der äußeren Autorität heutiger
Kirchen ist die wirklich funktionierende Entfaltung
und Kontrolle des kirchlichen Zeugnisses aktuell geworden
. Die ökumenische Debatte über die Auffassung des
Amtes und der Ordination ist ein Zeichen der Lebendigkeit
dieses Problems. Und Merkleins Buch stellt da einen
bedeutenden Beitrag dar. Es ist auch insofern bedeutend,
als M. trotz der berechtigten prinzipiellen Verteidigung
des kirchlichen Amtes einige traditionelle (und nicht nur
katholische!) Vorstellungen über das Amt kritisiert. Da
die Apostel die anfänglichen Zeugen der Offenbarung
sind, kann man die apostolische Sukzession im historischen
Sinne, also als Voraussetzung für die Legitimität
des nachapostolischen Amtes, kaum biblisch begründen.
„Es wäre zu prüfen, ob Sukzession nicht in erster Linie
als theologische ... Aussage verstanden werden dürfe"
(S. 400). Gerade die Pseudonymität des Eph, der unter
dem Namen des Apostels Paulus geschrieben ist, benutzt
M. sowohl als Zeugnis für die Autorität des apostolischen
Amtes als auch, obgleich nicht ausdrücklich, gerade als
Zeugnis für seine Einmaligkeit. Leider wird die Bemerkung
über die Pseudonymität, zu der H. Hegermann in
dem Sammelband Theologische Versuche II, Berlin 1970,
S. 47—64, einen bedeutenden Beitrag geschrieben hat,
nicht breiter bearbeitet. - Das Amt soll nach M. unter dem
Stichwort ecclesia Semper reformanda ständig neu auf
seine Funktionalität geprüft werden.

Pctr Pokorny

Moeller, Walter O.: The MHhrak- OriKin and Mcanlngs of
the Rotas-Sator Square. Leiden: Brill 1973. VIII, 53 S.
m. Abb., 7 Taf. gr. 8° = fctudes Preliminaircs aux Reli-
gions Orientales dans l'Empire Romain, publ. par M. I
Vermaseren, 38. Lw. hfl. 24,—.

Man sollte es kaum für möglich halten, daß über das
unendlich oft behandelte und mißhandelte Sator-Arepo-
Quadrat noch etwas Neues zu sagen wäre, und doch ist