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Ausgabe:

1975

Spalte:

122-124

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Merklein, Helmut

Titel/Untertitel:

Das kirchliche Amt nach dem Epheserbrief 1975

Rezensent:

Pokorný, Petr

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 2

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Anmerkung; wo sie von Gewicht sind, müssen sie ohne- gleich — und darum, nicht um die Kirche „an sich" geht
hin in die exegetische Diskussion einbezogen werden) als es letztlich - die Möglichkeit, der Welt des Gesetzes das
auch die Gewinnung eines theologischen Ertrags. Die befreiende Evangelium Gottes zuzusprechen.
Frage nach übernommenem Gut und seiner Bearbeitung Theologisch am tiefsten greift die Auseinandersetzung
führt sogleich auf das Problem der Stellung des Hebr des letzten Aufsatzes (S. 302-330) mit J. Moltmanns The-
zur christologischen Tradition. Vor allem macht G. schon se vom „politisch gekreuzigten Christus", insofern hier
für diese einleitenden Verse deutlich, wie sie mit ihren auch der Gesprächspartner am wenigsten bei einer vorfundamentalen
theologischen Aussagen bereits auf die dergründigen Sozialrevolutionären Ethisierung des Wir-
Paränese zum „Aufsehen auf Jesus" und zum „Festhal- kens Jesu stehenbleibt, sondern vom Kreuz Jesu als der
ten am Bekenntnis" (Hebr 12,2 bzw. 10,23) zielen. Mitte aller Christologie ausgeht. Indem Gräßer ihm-wie

Ein anderer Beitrag („Das eine Evangelium. Herme- ich meine, mit Recht—dieMöglichkeitbestreitet, voneinem

neutische Erwägungen zu Gal 1,6-10") kreist um die Be- rein historisch gedeuteten Kreuz Jesu aus — also ohne

Stimmung des paulinischen Evangeliums, das — entgegen alle theologischen Aussagen über das Kreuz von der Prä-

den Parolen einer rationalempirischen Theologie — auf misse des Osterglaubens aus zu machen — eine „politi-

das Hören des „Wortes Gottes für uns" und damit auf die sehe Hermeneutik des Evangeliums" zu entwerfen, gerät

in solchem Hören geschehende Rechtfertigung des Gott- G. doch zu sehr in Gefahr, andererseits die kritische

losen orientiert. — Bei der Interpretation von Kol 3.1-4 Rückbindung des Osterzeugnisses an das Wirken des ir-

„secundum homines reeipientes" macht G. diese In- dischen Jesus unterzubewerten (s. oben). Gewiß wird

terpretationsmaxime Herbert Brauns fruchtbar für das man mit Gräßer darin einig sein, daß die Heilsbedeut-

Verständnis des Wandels von der paulinischen zur deu- samkeit des Todes Jesu nicht vom irdischen Jesus aus,

teropaulinischen Eschatologie — ohne daß damit mensch- also quasi historisch begründet werden kann; aber der

liches Verstohensvermögcn zum Maß des Wortes gemacht Rückbezug auf das Werk Jesu wird doch unumgänglich

würde. sein, um zu verifizieren, für welche Art von Heil das

Zwei Aufsätze zum Bild von den „Juden" im Johan- Kreuz und Ostern „bedeutsam" sind. So bezieht auch G.
nesevangelium zeigen, daß es sich dabei nicht um so etwas selbst die Kunde vom Werk des irdischen Jesus in die
wie einen „Antisemitismus" handelt, sondern daß der Kritik an Moltmanns Deutung seines Kreuzestodes mit
Evangelist einerseits in den „Juden" die Jesus ablehnen- ein. Überhaupt wird man Gräßer für die kritische Ana-
de Welt überhaupt darstellen will und daß er anderer- lyse der These Moltmanns — dessen Buch „Der gekreu-
seits den Rang des „Gottesvolks" für die an Jesus Glau- zigte Gott" (München 1972) dabei freilich noch nicht bebenden
beansprucht. rücksichtigt werden konnte (Korrekturnachtrag S. 330) —

Der erste Aufsatz („Jesus in Nazareth") behandelt besonders dankbar sein.

Mk C.l-6a unter dem Gesichtspunkt, daß hier histori- Naumburg/Saale Nikolaus Walter

sehe Nachrichten und redaktionelle Tendenz des Evan- _

Solisten nicht in volle Harmonie gebracht sind; der Ab- , Inzwischen M noch hinzuweisen aui: e. Grüßen. Das Heil als
Schnitt wird SO zum Probierstein für das Verständnis Wort. Exegetische Erwägungen ZU Hebr. 2.1-4. In: Neues Testader
thenWi<:rhpn Kon/ontinn rlos Mirlcii<i im "nnzpn ment und Geschichte. (Festschritt für) Oscar Cullmann zum 70.
tncoiogiscnen Konzeption cics iviarKUS im „nnzen. Geburtstag. Zürich und Tübingen 1972, s. 261-274.

Nach G. unterdrückt Mk die Nachrichten hier nicht, weil 'Zwei ähnlich gerichtete Aufsätze hatte Gräßer in dem Heft

s'e in seiner Sicht das anstößige pure Menschsein des „Wort Gottes In der Krise?», Gütersloh 1989, zusammengestellt.
£*eus praesens unterstreichen. Damit hat die Perikope

fü>' Mk einen ähnlichen Sinn wie hernach die Passions- „,.,,,, , _ ...... . , , ,

»Zählung; sie ist eine Station der via crucis. Merklc.n Helmut; Das kirchliche Amt «ad. dem Ephemer
kürzere zweite Teil des Bandes faßt einige der s*rb;ief- München: Kosel-Verlag 1973. 440 S. gr. 8° =
Aufsätze zusammen, in denen sich Gräßer ausdrücklich Studien zum Alte" ""d[*™™ Testameint, hrsg. v. V.
«W neorationalistischen Strömungen in der modernen HamP u' J- Schmld' XXXIII. Kart. DM 92,-.
Theologie und mit der sog. „poltischen Theologie" aus- Das Thema der breitangelegten Würzburger Disserta-
^'nandersetzt*. Hier arbeitet G. mit sachlicher Schärfe tion ist durch die gegenwärtige Krise der traditionellen
■*B notwendigen Primat des Wortes Gottes gegenüber kirchlichen Institutionen mitbestimmt. In diesem Zu-
£llem Zeitgeist in der Theologie heraus. Vor polemischen sammenhang wird der Epheserbrief als anfänglicher
"UsPitzungen scheut er sich dabei nicht. Aber solange von Zeuge der Entwicklung zum Amt untersucht. Es wird
der anderen Seite eine hermeneutisch orientierte histo- vor allem gefragt, inwieweit diese Entwicklung durch die
"sch-kritische Exegese, der es theologisch um das sola scheinbar „unamtliche" paulinische Theologie beeinflußt
^' 'Ptura zu tun ist. mit dem Fundamentalismus der Be- ist.

eg"ng „Kein anderes Evangelium" in einen Topf ge- Der erste Teil, der sich mit den Präliminarien befaßt,

w"rfen wird (S. 258), solange vor allem die Bindung von gewinnt auf diesem Hintergrund eine besondere Bedeu-

.Ifioologic und Predigt an die Bibel als ihren Grundtext tung. Zuerst werden die sprachlichen und literarischen Ar-

j F|age gezogen wird und sie nur noch als antiquiertes gumente für die Echtheit bzw. Unechtheit untersucht mit

nstrument zur Gängelung der autonomen menschlichen demEi'gebnis.daßderEpheserbriefdasWerkeinespseud-

ornunft erscheint (vgl. S. 289 ff., 292ff.), so lange wird es onymen Autors ist, der den älteren und polemisch einge-

t 'cht erlaubt sein, im innertheologischen Streit leisezu- stellten pseudonymenKolosserbrief benutzthat(S.40-41).

,c'en. Dabei meint Gräßer wahrhaftig nicht eine vor- Die Entstehung des Eph wird zwischen die Jahre 80 und

°nmo Distanzierung des Christen bzw. der Theologie 100 gelegt. Der Brief richtet sich nach M. primär an die

ijeKenüber Gesellschaft und politischer Welt (vgl. etwa S. Heidenchristen. Der religionsgeschichtliche Hintergrund

Vielmehr geht es ihm darum, daß Theologie nicht des Gedankens der Syzygie von Christus und Kirche und

nUr G' upponideologie der Kirche erniedrigt wird, die des Haupt-Glieder-Gedankens ist kein Urmenschmythus,

n',r> dann nach Belieben als reaktionär verschreien oder sondern es sind die Vorstellungen des hellenistischen Ju-

2£f 'evolutionär umfunktionieren kann, oder - mit dentums. obgleich der gnostischc Einfluß nicht auszu-

^aßers eigenen Worten (S. 285) - darum, daß eine schließen ist (S.52f.). - Der Verfasser, ein offiziell mit

■1 neologip für die Zeit nicht um das Linsengericht einer Theologie und Tradition befaßter Mann, versucht die

^'tReistthcologle erkauft werden darf". Denn wo das nachapostolische Entwicklung paulinisch zu interpretie-

bp«1 Gottcs aus der Mitte der Theologie und des Glau- ren und zu bewältigen.

dZ»?.rückt- A* droht nicht nur die Kirche ihre Sache und Den zweiten Teil bildet die Exegese von Eph 4,7-16; 2.

unilt ihre Identität zu verlieren, sondern da entfällt zu- 19-22 und 3,1-7. In Eph 4 wird die Leib-Vorstellung, ähn-