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Ausgabe:

1975

Spalte:

114-117

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Schulz, Hermann

Titel/Untertitel:

Das Buch Nahum 1975

Rezensent:

Wagner, Siegfried

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 2

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Der Vf. geht die Aufgabe so an, daß er der Reihe nach
alle vorexilischen Texte, in denen Jahwe mit einem
kriegerischen Geschehen verbunden wird, durchmustert.
Wie weit er dabei den Rahmen spannt, lassen die Überschriften
des Hauptteils erkennen: Vorstellungen religiöser
Kriegführung im Deuteronomium, Die Lade und
ihre Kriege, Landnahmekriege, Exodus als Kriegstat
Jahwes, Der Amalekiterkrieg, Die Richter und ihre Kriege
, Saul und David, Prophet und König im Krieg, Der
Bann, Die Aufforderungen zur Flucht und zum Kampf,
Der Tag Jahwes. Die hierbei erarbeiteten Ergebnisse
werden in dem Schlußteil „Ursprünge, Entwicklungen,
Zusammenhänge, Bedeutung'' zusammengefaßt. Demnach
hat es einen „Heiligen Krieg" als kultische Institution
in Israel nicht gegeben. Denn die einzelnen, als die
ältesten herausgehobenen Überlieferungen — das Mirjamlied
(Ex 15,21), der Bannerspruch (Ex 17,16) und die
damit verbundene Erzählung über den Amalekiterkrieg
(Ex 17,8-15), das Deboralied (Ri 5), die Erzählung von der
Bannung der Städte des Königs von Arad (Num 21,1-3),
der Josuaspruch bei Gibeon (Jos 10,12-13) — weisen keinen
Zusammenhang auf; sie gehören verschiedenen
Stammesbereichen — Ex 15 u. Jos 10 = Haus Joseph; Ri 5
= Sebulon und Naphtali; Ex 17 u. Num 21 = Südstämme
— an und geben verschiedene Typen religiöser Kriegsführung
wieder. Gemeinsam ist ihnen, daß Jahwe als der
Kriegsherr verstanden und daß dieses Verständnis aus
unmittelbarer geschichtlicher Erfahrung hergeleitet wird.
Dieses israelitische Verstehen seiner kriegerischen Auseinandersetzungen
als Jahwe-Kriege rührt nicht aus der
nomadischen Frühzeit her und ist auch noch nicht mit
dem Exodus-Geschehen gegeben, sondern gehört erst der
Zeitspanne zwischen Landnahme und Staatenbildung an.
Auswirkungen des geschichtlichen Erlebens, daß Jahwe
Israels Kriegsherr ist, sind die Betonung der kriegerischen
Seite der Landnahme sowie die durch die dabei erzielten
Erfolge bedingte Intensivierung der Jahwe-Verehrung
. Israel verstand sich im Jahwe-Krieg als „Volk
Jahwes" (Ri 5,13). Höhepunkt und Krise der Jahwe-
Kriege war die Zeit Sauls. Sein Scheitern bedeutete das
Ende dieser Kriege. Dennoch hat diese Schlußphase eine
weitreichende Wirkung ausgelöst. Dadurch, daß Saul
Führer des Jahwe-Krieges war und zugleich Kontakte
zum kanaanäischen Nebiismus pflegte, wurde die Verbindung
beider Erscheinungen angebahnt und somit die
Entwicklung des Nebiismus zu einer politischen Bewegung
eingeleitet. In der folgenden Zeit wird der Mangel
an gegenwärtiger Erfahrung durch eine Theoretisierung
kompensiert. In der Rückschau werden die verschiedenen
Elemente der Jahwe-Kriegserfahrung zu einer Jahwekrieg
-Theorie summiert. Daneben läuft der andere Prozeß
einher, daß der Jahwe-Krieg mit dem Staatskult von
Jerusalem verbunden wird.

Dieses Referat ist angesichts der Bedeutung der vorliegenden
Arbeit bewußt ausführlicher gehalten worden.
Ihr Hauptergebnis, daß es einen „Heiligen Krieg" als
kultische Institution in Israel nicht gab, ist so umfassend
und überzeugend begründet, daß man ihm weithin zustimmen
wird. Auch darin, daß geschichtliche Erfahrungen
und nicht kultische Gegebenheiten für die Jahwe-
Kriegvorstellungen konstitutiv waren, daß von hieraus
starke Impulse für den Jahwe-Glauben ausgingen und
daß die Zeit zwischen Landnahme und Staatsbildung den
Höhepunkt und zugleich die Krise des Jahwe-Krieges
darstellt, wird man dem Vf. gern folgen. Schwach begründet
ist indes die These, daß Jahwe-Kriegsvorstellun-
gen in fast allen Stammesbereichen tradiert worden
seien. Daß das Debora-Lied im Kreise der galiläischen
Stämme Sebulon und Naphtali zur Zeit Sauls entstanden
sein soll, ist angesichts des Hinweises, daß Debora auf
dem Gebirge Ephraim wirkte und die Stämme Benjamin
und Ephraim an der Spitze der in den Jahwe-Krieg ziehenden
Koalition standen, ganz unwahrscheinlich. Ebensowenig
überzeugt die Herleitung von Ex 17 und Num 21
aus dem Bereich der Südstämme, stehen doch beide
Überlieferungen im Kontext der Wüstenzeit. Außerdem
muß bedacht werden, daß im Richter-Buch mehrfach
von Aktionen der Amalekiter in Mittelpalästina (3,13; 6,3.
33; 7,12) und sogar von einem im Land Ephraim gelegenen
„Berg des Amalekiters" (12,15) die Rede ist. Das alles
weist darauf hin, daß die Überlieferungen vom Jahwe-
Krieg doch wohl vornehmlich, wenn nicht ausnahmslos
dem Bereich der mittelpalästinischen Stämme, also dem
Haus Joseph, entstammen. Dann aber liegt die Schlußfolgerung
auf der Hand, daß, weil auch das Tradieren des
Exodus-Geschehens durch das Haus Joseph erfolgte und
das dieser Tradition angehörende Mirjam-Lied auch von
D. völlig zu Recht als ältestes Dokument für den Jahwe-
Krieg bezeichnet wird, das Erleben ebendieses Exodus-
Geschehens das auslösende Moment für die Jahwe-Kriegvorstellung
Israels war und deshalb für deren weitere
Ausformung grundlegende, bleibende, ja zentrale Bedeutung
hatte.

Außer einigen leicht zu behebenden Druckfehlern Ist noch zu
verbessern: S. 60, letzte Zelle: Langalmet in Langlamet (ebenfalls
im Register!); S. 72, Zeile 12 v. u.: Religion in Region; S. 106,
Zeile 21 v. o.: gebraucht in gebracht; S. 130, Zeile 8 v. o.: Erwählung
in Erwähnung; S. 160, Anm. 13, Zeile 1: kulturprophetisches
in kultusprophetisches; S. 200, Anm. 153, Zeile 2: lonquest in con-
quest. — Zu S. 30 ff. vgl. vor allem noch R. Hillmann, Wasser und
Berg, Halle 1965, S. 136 ff.

Halle/Saale Hans-Jürgen Zobel

Schulz, Hermann: Das Buch Nahum. Eine redaktionskritische
Untersuchung. Berlin — New York: de Gruyter
1973. VIII, 163 S. gr. 8° = Beiheft zur Zeitschrift für die
alttestamentl. Wissenschaft, hrsg. v. G. Fohrer, 129.
Lw. DM 58,-.

Die redaktionsgeschichtliche Forschung an alttesta-
mentlichen Texten ist relativ jung. Vor allem hat sie noch
nicht zu einem eigenen Profil und zu allgemein überzeugenden
Methoden gefunden. Die Abgrenzung zu anderen
wissenschaftlichen Textanalysen, wie etwa zu überliefe-
rungs- und formgeschichtlichen Untersuchungen oder
zur Erörterung buchkompositorischer Probleme, so wie
sie länger schon vorgenommen werden, ist schwer zu
vollziehen. Deswegen darf dankbar jeder Versuch begrüßt
werden, der auf diesem Gebiet vorankommen und
zum Nachdenken und Mitüberlegen anregen will. Eben-
diese Aufgabe hat sich die vorliegende Marburger Habilitationsschrift
(WS 1969/70) gestellt. Der Autor weiß um
die Vorläufigkeit seiner Ergebnisse und erklärt dies auch
ausdrücklich (4/5). Selbstverständlich wirbt sein Experiment
um Anerkennung. Das Programm ist groß und
nimmt eigentlich die gesamte prophetische Literatur des
Alten Testaments ins Blickfeld. Die kleinräumige Textbasis
des Büchleins Nahum ist aus arbeitsökonomischen
Gründen gewählt, freilich dabei unter dem besonderen
Aspekt, daß sich nach Meinung des Verfassers an der
Beschaffenheit des Nahumbuches die redaktionskritischen
Erkenntnisse besonders anschaulich demonstrieren
lassen (6). Allgemeingültige Resultate bedürfen jedoch
einer breiteren Textgrundlage. Einen gewissen Impuls
erhält diese Arbeit durch die kritische Einschätzung der
gegenwärtigen Prophetenforschung. Die vorwiegend tra-
ditionsgeschichtlich orientierten Bemühungen um die
prophetische Literatur erscheinen H. Schulz als in eine
Krise geraten. Er nimmt demgegenüber einen Standpunkt
ein, wie er durch die skandinavische Forschung
schon seit einiger Zeit vertreten wird. Nach diesem sind
die prophetischen Bücher in erster Linie Zeugnisse (Predigten
) der nachexilischen Gemeinde und nicht Primärquellen
für die Rekonstruktion einzelner prophetischer
Individualitäten (1/2). „Verfasserprobleme sind grund-
sätzlich Probleme der nachexilischen Institutionen" (2);